Hamburg. Kleiner Langstreckenflieger soll nun erst im dritten Quartal ausgeliefert werden. Konzern verfehlt Gewinnziel, mehr Geld für Aktionäre.
Der A321XLR ist ein großer Hoffnungsträger in der Luftfahrt. Der Flughafen Hamburg erhofft sich von dem Jet neue Direktverbindungen Richtung Amerika und Asien. Airbus möchte seine Erfolgsfamilie A320 um einen weiteren Verkaufsschlager erweitern. Allerdings musste der DAX-Konzern zunächst eine erneute Verzögerung bei dem Flugzeugprogramm einräumen.
Lange Zeit habe man die Indienststellung im zweiten Quartal dieses Jahres geplant, sagte Airbus-Vorstandschef Guillaume Faury am Donnerstag bei der Vorstellung der Bilanz für das Jahr 2023 in Toulouse. Nun gebe es eine leichte Verspätung, sodass die Erstauslieferung an den bisher nicht kommunizierten Kunden erst im dritten Quartal erfolgen solle. Als Grund nannte er die umfassenden Zertifikations- und Dokumentationspflichten, „die etwas mehr Zeit brauchen als ursprünglich erwartet“.
Airbus A321XLR – die nächste Verspätung beim Hoffnungsjet
Es ist die dritte Verzögerung, die der DAX-Konzern bei dem Jet einräumen musste. Ursprünglich sollte er Ende 2023 von der ersten Airline betrieben werden. Dann war von Anfang 2024 die Rede, zuletzt vom zweiten Quartal. Verzögerungen bei neuen Flugzeugen sind allerdings branchenüblich. Vielleicht gab sich Faury auch deshalb gelassen: „Wir sind sehr nah an der Indienststellung.“ Seit Dezember befindet sich der Jet in der Endmontagelinie des Hamburger Werks auf Finkenwerder.
Mit der Entwicklung des Programms sei er zufrieden. Es gebe rund 550 Bestellungen für den einst für die Kurz- und Mittelstrecke konzipierten Flieger, der dank eines neuen, fest im Frachtraum verbauten, 13.100 Liter Kerosin fassenden Tanks bis zu 8700 Kilometer nonstop fliegen kann. Damit sind Einsätze auf der Langstrecke möglich.
Airbus erhielt im Jahr 2023 so viele Bestellungen wie nie zuvor
Die Hoffnung der Airlines und Airports der zweiten Reihe: Die Kabine mit etwa 180 bis 220 Passagieren könnte deutlich häufiger gut ausgelastet werden als die eines richtigen Langstreckenjets wie zum Beispiel des A350, für den 300 bis 410 Sitzplätze veranschlagt werden. Nicht so stark nachgefragte Routen wie zum Beispiel Hamburg–New York könnten sich künftig lohnen.
Gelohnt hat sich für das Unternehmen das vergangene Jahr. Es gab so viele Bestellungen wie nie zuvor. Nach Abbestellungen blieben Nettoaufträge über 2094 Flieger hängen. Man habe „über alle Geschäftsfelder hinweg einen starken Auftragseingang verzeichnet und unsere Zusagen eingehalten. Dies war angesichts des komplexen Geschäftsumfelds eine beachtliche Leistung“, sagte Faury.
Airbus verdient 5,8 Milliarden Euro, aber weniger als erwartet
Airbus lieferte im vergangenen Jahr 735 Flugzeuge an 87 Kunden aus. Damit wurde das wichtige Auslieferungsziel von etwa 720 Maschinen übertroffen. Das geplante Ergebnisziel wurde aber knapp verfehlt. Der bereinigte operative Gewinn lag bei 5,838 Milliarden Euro – angepeilt waren sechs Milliarden Euro.
Während der Betriebsgewinn damit dennoch im Vergleich zum Vorjahr um vier Prozent stieg, blieb unter dem Strich weniger hängen als vor einem Jahr. Das Konzernergebnis sank wegen Sonderbelastungen in der Verteidigungs- und Raumfahrtsparte vom Rekordgewinn von 4,247 Milliarden Euro um elf Prozent auf 3,789 Milliarden Euro. Der Umsatz stieg hingegen erneut. Nach einem Plus von 13 Prozent im Jahr 2022 waren es ein Jahr später elf Prozent mehr auf 65,446 Milliarden Euro.
Airbus will Sonderdividende von einem Euro pro Aktie ausschütten
Der Konzern schätzt seine finanzielle Lage wohl als gut ein. Die Dividende soll den Plänen nach mit 1,80 Euro je Aktie zwar gleich bleiben. Allerdings soll es zudem eine Sonderdividende in Höhe von einem Euro geben – es gibt also für die Aktionäre einen zusätzlichen Geldregen. Dennoch notierten die Anteilsscheine am Vormittag zunächst im Minus. Am Mittag lagen die Titel bei etwa 149 Euro, einem Abschlag von knapp einem Prozent.
Die Einschätzung der Analysten geht weit auseinander. Die Hamburger Privatbank Berenberg empfiehlt „Verkaufen“ mit Kursziel 105 Euro, weil das Zahlenwerk schwächer als erwartet war. Die US-Bank JP Morgan rät zum „Übergewichten“ der Aktie und sieht 200 Euro als fairen Wert an. Ähnlich wie das Analysehaus Jefferies („Kaufen“, Kursziel 170 Euro) zeigten sich die Wertpapierexperten von dem unerwartet hohen freien Finanzmittelfluss angetan. Die kanadische Bank RBC liegt zwischen den Extrempositionen und nennt 145 Euro als Kursziel.
Airbus will in diesem Jahr rund 800 Verkehrsflugzeuge ausliefern
Der Ausblick für das laufende Geschäftsjahr von Airbus ist positiv. Gewinn und Auslieferungen sollen erneut gesteigert werden. 6,5 bis 7 Milliarden Euro sollen operativ verdient werden. Rund 800 Verkehrsflugzeuge sollen an die Kunden übergeben werden.
Damit das möglich ist, wird die Produktion konzernweit hochgefahren. Vom in Nordamerika gebauten A220 soll die monatliche Rate von derzeit sechs auf 14 Flieger pro Monat im Jahr 2026 steigen. Bei den in Toulouse endmontierten Großraumflugzeugen A330 sollen in diesem Jahr vier pro Monat gebaut werden, beim A350 in zwei Jahren zehn statt derzeit sechs.
Im Jahr 2026 will Airbus 75 A320-Flieger pro Monat bauen
Die Masse an Fliegern kommt aber wie immer aus dem A320-Programm, für das Hamburg das Kompetenzzentrum ist. Im Jahr 2026 sollen von der A320-Familie 75 Maschinen pro Monat gebaut werden. Etwa die Hälfte davon dürfte dann genauso wie heute auf Finkenwerder endmontiert werden. Wie viele es derzeit sind, ist offen. Seit einigen Monaten nennt der Konzern keine Zwischenstände mehr. Die Rate dürfte momentan im Bereich 50+ liegen. Faury sagte nur: „Wir sind in der Spur.“
Der 55-Jährige machte zudem klar, dass man bei der Sicherheit keine Abstriche mache. „Quantität kann nicht über Qualität gehen. Das ist ganz klar.“ Der Erzrivale Boeing, den man seit einigen Jahren vom Thron des größten Flugzeugbauers der Welt gestoßen hat, kämpft seit längerer Zeit mit Qualitätsproblemen.
Airbus-Chef Faury sieht weiterhin Probleme bei den Zulieferern
Bei einer 737 Max von Alaska Airlines flog plötzlich im Steigflug ein Fenster heraus. Nur mit Glück wurde niemand schwer verletzt. Der Grund: fehlende Bolzen. Auch bei weiteren Jets wurde entdeckt, dass Schrauben fehlen. Faury verwies auf das implementierte Risikomanagement bei Airbus und empfahl allen Mitarbeitern, stets „demütig“ gegenüber der Verantwortung zu sein, die man trage.
Herausfordernd bleibe die Lage bei den Vorprodukten. „Die Zulieferschiene ist derzeit eine Welt von Flaschenhälsen“, sagte der Franzose, der seit April 2019 den Flugzeugbauer führt. So hätten die vorgelagerten Industriepartner beispielsweise Probleme, selbst Teile zu ordern oder Mitarbeiter einzustellen.
Airbus soll noch Flugzeuge für eine halbe Billion Euro bauen
Auch Motoren seien natürlich ein Engpass, den man genau beobachte. Der Triebwerkshersteller Pratt & Whitney rief wegen eines möglicherweise schadhaften Pulvermetalls rund 3000 Triebwerke, von denen jeweils zwei an den vielen schon ausgelieferten A320neo-Maschinen hängen, zu vorzeitigen Inspektionen in die Werkstätten zurück. Nach früheren Angaben soll das aber keine Auswirkungen auf die Auslieferungen in diesem Jahr haben. Die Situation der Zulieferer verbessere sich zwar, sagte Faury. Zugleich wird es für diese aber schwieriger, weil sie den Produktionshochlauf von Airbus mitgehen müssen.
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Dass dieser notwendig ist, zeigt ein Blick in das Auftragsbuch: 8598 Flugzeuge standen zum Jahresende noch auf der „To-do-Liste“. Die Produktion ist auf Jahre ausgelastet. Der konsolidierte Auftragsbestand des Konzerns mit seinen verschiedenen Sparten belief sich zu dem Zeitpunkt auf 554 Milliarden Euro.
Der Großteil davon entfällt auf die wichtigste und größte Konzernsparte ziviler Flugzeugbau, und zwar 490 Milliarden Euro. Mit anderen Worten: Das Unternehmen soll in den nächsten Jahren noch Flugzeuge im Wert von fast einer halben Billion Euro liefern.