Hamburg. Online-Händler meldet Umsatzrückgang und schreibt rote Zahlen. Otto-Chef Marc Opelt bleibt dennoch „vorsichtig optimistisch“.

Normalerweise verkünden Unternehmenschefs ihre Bilanzen in der Firmenzentrale. Auch beim Onlinehändler Otto war das bislang immer so. Dass sich Marc Opelt nach zwei Jahren mit pandemiebedingten Video-Veranstaltungen zur Verkündung der Zahlen für das gerade beendete Geschäftsjahr 2022/23 vom Otto-Campus in Bramfeld durch den Hamburger Verkehr in gemietete Seminarräume am St. Pauli Fischmarkt kämpfte, hat auch mit einer Krise zu tun.

Der Handels- und Dienstleistungskonzern Otto Group, deren größtes Unternehmen die Otto Einzelgesellschaft ist, hatte aus Energiespargründen im Oktober die meisten Gebäude geschlossen und die Beschäftigen ins Homeoffice geschickt. Der Winterbetrieb läuft noch bis Ende des Monats. Deswegen kam Otto-Chef Opelt mit seinem Team diesmal an die Elbe.

Trotz Verlusten: Otto investiert weiter in Transformation

Aber auch der grandiose Blick aus großen Panoramascheiben konnte nicht über die bittere Realität der Zahlen hinwegtäuschen. Das von Krisen gezeichnete Jahr 2022 geht auch an Otto nicht spurlos vorbei. Die Hamburger melden für 2022/23 – das Geschäftsjahr endet traditionell am 28. Februar – einen Einbruch beim Umsatz und schreiben erstmals seit mehr als zehn Jahren rote Zahlen.

Demnach erzielte der größte deutsche Onlineshop ein sogenanntes Gross Merchandising Value (GMV), das neben Otto auch die Marktplatzpartner erfasst, von 6,3 Milliarden Euro. Das entspricht einem Minus von 8,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Noch drastischer fällt der Rückgang aus, wenn man Otto allein betrachtet. Die Erlöse sanken um 11,7 Prozent von 5,1 Milliarden Euro auf 4,5 Milliarden Euro und liegen damit auf dem Niveau von 2020/21.

Otto verzeichnet Wachstumseinbruch

„Damit sind wir besser als das Marktumfeld, aber in Summe sehr unzufrieden“, sagte Otto-Chef Marc Opelt, der das Unternehmen seit sechs Jahren als Vorsitzender des Bereichsvorstands führt. Die Verbraucher hätten wegen der hohen Inflation weniger Geld im Portemonnaie, erklärte er den Einbruch. „Entsprechend meiden sie Spontankäufe, verzichten häufiger auf Markenprodukte und stellen größere Kaufentscheidungen zurück.“ Die Folgen: Auch der Gewinn sei „negativ“ ausgefallen. Genaue Zahlen verriet Opelt allerdings in diesem Zusammenhang nicht. Diese sollen am 24. Mai zusammen mit dem Geschäftsbericht der gesamten Otto Group bekannt gegeben werden.

Nachdem der Onlinehändler mit Kernmarkt in Deutschland in den vergangenen beiden Pandemiejahren Wachstumsquoten von bis zu 30 Prozent eingefahren hatte, ist der Einbruch nun besonders hart. Er sei froh, dass dieses schwierige Jahr zu Ende sei, betonte Marc Opelt. Auch 2023 bleibe angesichts der aktuellen Wirtschaftslage herausforderend. Man gehe mit einer „realistischen Planung“ in die Zukunft, sei aber dennoch „vorsichtig optimistisch“.

Onlinehändler kann seine Kundenzahlen halten

Die Weiterentwicklung der Plattform werde planmäßig vorangetrieben. „Wir haben trotz des herausfordernden Geschäftsverlaufs in den vergangenen Monaten konzentriert an unserer Transformation gearbeitet und insbesondere in die IT- und Tech-Infrastruktur investiert“, so der 60-Jährige.

Positiv wertete Opelt, dass Otto die Zahl der Kunden mit 11,3 Millionen nahezu konstant halten konnte. Mit mehr als 5000 Partnerfirmen bietet Otto inzwischen etwa 14,5 Millionen Artikel von knapp 20.000 Marken auf der Plattform otto.de. Den Angaben zufolge sind davon 626.000 Produkte ausgewiesen nachhaltig. Mittelfristig soll die Zahl der Partner auf 10.000 steigen.

Weniger Möbel verkauft als in den Jahren davor

Nachdem der Onlinehändler in den vergangenen Jahren sehr zufrieden auf die Umsatzentwicklung im Segment Möbel und Einrichtung geschaut hatte, wurden dieses Mal nur auf Nachfrage Zahlen genannt. Danach setzte Otto 2022/23 insgesamt 14 Prozent weniger Möbel ab als im Vorjahr. Nach den Corona-Jahren, in denen viele Konsumenten in ihr Zuhause investiert hatten und der Hamburger Händler Wachstumsquoten von 40 Prozent erzielen konnte, seien vor allem in den unteren Preissegmenten Rückgänge spürbar, sagte Opelt. Man setze daher auf Angebotsvielfalt und erweitere das Sortiment. Unter anderem kann man jetzt auch Musikinstrumente bei Otto ordern, derzeit sind 15.000 Artikel im Onlineshop erhältlich. Lebensmittel will Otto dagegen auch in Zukunft nicht anbieten.

Trotz der angespannten Wirtschaftslage wird das Unternehmen, das 2024 sein 75-jähriges Bestehen feiert und zum Jahresende nach mehreren Verzögerungen in eine neue Firmenzentrale ziehen will, weiter neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einstellen. „Aktuell haben wir 100 freie Stellen“, so Marc Opelt. Gesucht werden vor allem Technologie-Experten.

Otto sucht 100 neue Beschäftigte

Allerdings: Zuletzt waren im Zuge eines Umstrukturierungsprozesses etwa 150 Stellen in unterschiedlichen Bereichen weggefallen. Entlassungen hat es den Angaben zufolge aber nicht gegeben. Derzeit arbeiten bei Otto bundesweit 6120 Beschäftigte, der Großteil in Hamburg.

Auch in anderen Bereichen setzt der Versandhändler auf Kontinuität. Das gelte besonders für das Thema Nachhaltigkeit. „Wir streben an, bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu sein“, sagte Opelt. Die Zahl der Produkte mit Nachhaltigkeitszertifikat soll auf insgesamt eine Million steigen. Mit dem Hamburger Start-up Traceless tüftelt Otto bereits seit Längerem an kompostierbaren Versandtaschen. Mit dem niederländischen Unternehmen Good­Shipping soll bei der Seefracht der Anteil von Dieseltreibstoff um 15 Prozent reduziert werden.

Veränderungen schließt der Otto-Chef trotz des Kostendrucks noch in einem anderen Bereich aus. Nachdem die Retourenzahlen im vergangenen Jahr im Vergleich zur Pandemiezeit wieder gestiegen sind und andere Onlinehändler wie Zalando oder About You eine Mindestbestellmenge für kostenfreie Zustellungen einführen, schließt Otto diese Maßnahmen aktuell aus. „Wir gucken uns das an, aber es nichts geplant“, sagt Opelt.