Hamburg. Bisheriger Vorstandsvorsitzender Alexander Birken wechselt an Spitze des Aufsichtsrats. Benjamin Otto soll größere Rolle im Konzern spielen.
Die Hamburger Otto Group stellt sich für die Zukunft personell neu auf. Der Konzern mit mehr als 40.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von etwa 16 Milliarden Euro (u. a. Otto, Bonprix, Witt, Hermes, Manufactum) bekommt nicht nur erstmals in seiner Geschichte eine Vorstandsvorsitzende. Auch auf dem Posten des Aufsichtsratschefs wird es eine Veränderung geben – und Benjamin Otto, der Enkel des Gründers Werner Otto, übernimmt künftig ebenfalls mehr Verantwortung. Er soll die Strategie des Konzerns bestimmen. Denn sein Vater Michael Otto zieht sich zurück, womit eine Unternehmer-Ära zu Ende geht.
Aber der Reihe nach: Petra Scharner-Wolff (52), die amtierende Finanz- und Personalchefin der Otto Group, wird den Konzern ab März 2025 als Vorstandsvorsitzende lenken. Die studierte Betriebswirtin ist seit 1999 bei dem Hamburger Unternehmen und kam bereits 2015 in den Vorstand. Sie wird Alexander Birken auf dem Chefsessel ablösen, der dann im kommenden Jahr an die Spitze des Aufsichtsrats der Otto Group wechselt. Dort wird er auf Michael Otto folgen, der sich von kontrollierenden und strategischen Tätigkeiten der Otto Group verabschiedet. Denn auch den Vorsitz des Stiftungs- und Gesellschafterrats gibt Michael Otto im Jahr 2026 ab – und zwar an seinen Sohn Benjamin.
Otto Group: Benjamin Otto soll Strategie bestimmen
Der 48-jährige Enkel von Gründer Werner Otto wird dann zwar nicht das operative Geschäft der Handelsgruppe lenken – aber dennoch macht das Unternehmen in seiner offiziellen Mitteilung klar, dass es sich keinesfalls um einen Posten handelt, auf dem Benjamin Otto lediglich die Rolle eines Beobachters einnehmen soll. Dort heißt es, dass Benjamin Otto als „gestaltender Gesellschafter“ die „Führung der Otto Group“ übernehmen und in seiner neuen Rolle „die Kontrolle“ über den Konzern haben wird. So soll Benjamin Otto die Strategie des Unternehmens bestimmen, während der Vorstand um die neue starke Frau, Petra Scharner-Wolff, für das Tagesgeschäft zuständig und verantwortlich sein wird.
Letztlich ist es ein Dreiklang in der Führung. Nach den Vorstellungen des Konzerns sollen Petra Scharner-Wolff, Alexander Birken und Benjamin Otto die Otto Group gemeinsam in die Zukunft führen. Benjamin Otto dürfte eher die Leitlinien festlegen und wichtige Impulse geben. Er hat sich in der Vergangenheit vor allem mit Investments in Start-ups einen Namen gemacht. Und er war auch Geschäftsführer des E-Commerce-Start-ups Collins innerhalb der Otto Group, aus dem sich 2014 das mittlerweile an der Börse notierte Modeunternehmen About You entwickelte.
Alexander Birken soll mit seiner langjährigen Erfahrung in der neuen Funktion als Aufsichtsratschef helfen und Petra Scharner-Wolff bei der täglichen Arbeit beratend zur Seite stehen. Und genau hier dürfte die neue Vorstandschefin wichtige Impulse setzen. Sie hatte bereits in den vergangenen Jahren großen Anteil am Kulturwandel im Konzern. Dabei sind das allgemeine Duzen und das Ablegen der Krawatten nur zwei nachhaltige Veränderungen.
Rückzug von Michael Otto – eine Ära geht zu Ende
Mit dem Rückzug von Michael Otto geht eine Ära zu Ende. Der heute 80-Jährige war von 1981 bis Oktober 2007 Vorstandschef der Otto Group und wechselte danach in den Aufsichtsrat, dessen Vorsitz er zugleich übernahm. Michael Otto trieb schon früh die Digitalisierung des einst als Otto Versand bekannten Unternehmens mit seinen Katalogen voran und erkannte die Chancen des Onlinehandels. Auch in den vergangenen Jahren war er noch regelmäßig in seiner Funktion als Aufsichtsratschef im Büro auf dem Otto-Gelände, ließ sich über die neuesten geschäftlichen Entwicklungen informieren.
„Eine der größten Herausforderungen für Familienunternehmen ist der gelingende Generationenwechsel. Bei der Otto Group tritt mit meinem Sohn die dritte Generation in die Gesamtverantwortung für die Unternehmensgruppe. Ich bin sehr zuversichtlich, dass Benjamin die Otto Group nicht nur wirtschaftlich in eine gute Zukunft führen, sondern auch die besonderen Werte unseres Familienunternehmens lebendig halten wird“, sagte Michael Otto. Gemeinsam mit dem „sehr erfahrenen und gesellschaftlich engagierten Alexander Birken“ an der Spitze des Aufsichtsrats werde das Unternehmen eine „starke unternehmerische und werteorientierte Kontrolle“ haben. Zugleich lobte Michael Otto die neue Otto-Group-Chefin Petra Scharner-Wolff als eine „herausragende Führungspersönlichkeit“ an der Spitze des Vorstands, die in vielen Jahren bei der Otto Group Zeichen gesetzt habe.
Auch wenn sich Michael Otto aus Strategie und Kontrolle der Otto Group zurückziehen wird, will er sein Büro in der Zentrale behalten. Er stehe seinem Sohn auch ab 2026 weiterhin bei Bedarf in beratender Funktion zur Verfügung, sagte der vielfach ausgezeichnete Unternehmer dem Abendblatt. Zudem wolle er vom Büro aus weiterhin seine zahlreichen anderen Stiftungen steuern. Aber Michael Otto freut sich zugleich auf mehr Zeit mit der Familie. Dabei dürfte auch das Reisen nicht zu kurz kommen. Erst im vergangenen Jahr war er mit Ehefrau Christl, seiner Tochter und vier Enkelkindern in Kanada. „Solche Reisen könnte es durchaus weitere geben“, blickt er in die Zukunft.
Wichtige Personalien bei der Hamburger Otto Group
Der künftige Aufsichtsratschef Alexander Birken hatte im Januar 2017 den Vorstandsvorsitz der Otto Group übernommen und Hans-Otto Schrader abgelöst. Auch Schrader räumte damals im Alter von 60 Jahren den Chefsessel, so sehen es die internen Altersregeln im Konzern vor. Birken ist quasi ein Eigengewächs des Hamburger Konzerns. Bevor er auf dem Chefsessel Platz genommen hatte, war er bereits als Vorstand für die strategische Weiterentwicklung verschiedener Otto-Gesellschaften verantwortlich, unter anderem für Baur, Schwab und Witt. Von Sommer 2012 an nahm er zusätzlich die Sprecherfunktion der Einzelgesellschaft Otto wahr. Zu Otto kam der studierte Betriebswirt aber bereits 1991, stieg damals in den Controlling-Bereich ein.
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Die Verantwortung im Vorstand für Finanzen und Personal wird im kommenden Jahr Katy Roewer von Petra Scharner-Wolff übernehmen. Die 48 Jahre alte Diplom-Kauffrau ist bisher für die Bereiche Service, Personal und Finanzen in der wichtigen Otto Einzelgesellschaft verantwortlich – übrigens in Teilzeit. Und auch im Konzernvorstand will Roewer weiterhin vier Tage in der Woche arbeiten. Michael Otto begrüßt dies im Gespräch mit dem Abendblatt ausdrücklich: „Aufgrund der guten Erfahrungen, die wir damit gemacht haben, ist Teilzeit für die Otto Group auch ein Modell, um noch mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen.“