Hamburg. Ulfert Cornelius im Abendblatt über ausstehende Zahlungen Hamburgs an Hafenfirmen, die Köhlbrandbrücke und die Remigrations-Debatte.
Einmal über die Hohe Schaar hinweg, vorbei an Getreidesilos und Kaliwerken, liegt in Hamburg-Neuhof das Tanklagerunternehmen Evos. 149 Tanks drängen sich hier dicht an dicht. Seit mehr als 50 Jahren werden hier im Hamburger Hafen Mineralölprodukte gelagert und umgeschlagen. Evos versorgt Tankstellen in ganz Deutschland. Im zweiten Obergeschoss der Zentrale sitzt der Chef. Ulfert Cornelius, 55 Jahre alt, weißes Hemd, keine Krawatte, ist seit bald 25 Jahren im Tanklagergeschäft und zudem ist er die neue Stimme der Hamburger Hafenwirtschaft.
Seit Mitte Dezember ist er Präsident des UnternehmensverbandsHafen Hamburg (UVHH) und damit Nachfolger von Gunther Bonz, der mehr als zehn Jahre die Interessen der gut 100 Mitgliedsunternehmen vertreten hat. Cornelius kennt die Verbandsarbeit. Er war fünf Jahre lang Vorstandschef des Unabhängigen Tanklagerverbands (UTV) in Deutschland und drei Jahre Präsident des europäischen Verbands (FETSA). An diesem Montag hat er seinen ersten großen Aufschlag in seiner neuen Funktion für den Hamburger Hafen: Zusammen mit der Handelskammer hat der UVHH ein Strategiepapier zur Sicherstellung der Zukunftsfähigkeit des Hamburger Hafens veröffentlicht.
Hamburger Hafen ist besser als sein Ruf – findet neuer Verbandspräsidentf
Die Forderungen in dem Papier, bei dem die Handelskammer die Federführung hatte, sind nicht revolutionär: Eine auskömmliche Finanzierung des Hamburger Hafens wird darin genauso gefordert wie die Bereitstellung von Flächen für hafennahe Betriebe sowie der Abbau von Bürokratie. In seinem ersten Gespräch mit dem Abendblatt erklärt Cornelius, was dahinter steckt.
„Wenn wir uns die Entwicklung der Umschlagszahlen in den nordeuropäischen Häfen anschauen, müssen wir uns Gedanken machen, wie wir damit umgehen. Viele Betriebe haben bereits Transformationsprozesse angestoßen und stecken mittendrin. Sie machen sich fit für die Zukunft. Wir sind aber auch darauf angewiesen, dass sich vonseiten der Stadt und des Bundes etwas ändert, vor allem auf Verwaltungsebene. Genehmigungsverfahren dauern immer noch viel zu lang – auch andere Verwaltungsleistungen“, sagt Cornelius.
Stadt Hamburg muss noch Millionen an Hafenbetriebe zahlen
Er erläutert, was er mit lange dauernden Verwaltungsleistungen meint. „Mit einem dreistelligen Millionenbetrag sind beispielsweise im vergangenen Jahrzehnt von den Betrieben die Hochwasserschutzanlagen im Hamburger Hafen ausgebaut worden. Die Hälfte der Baukosten müssen die Betriebe tragen. Die andere Hälfte versprach Hamburg beizusteuern. Unsere Hochwasserschutzwand ist seit 2016 fertig. Aber noch immer warten wir auf 25 bis 30 Prozent der versprochenen Fördersumme. In unserem Fall geht es um 1,5 Millionen Euro. So geht es vielen Betrieben im Hafen. Das Geld fehlt dann an anderer Stelle, etwa für Investitionen.“
Wie sein Vorgänger bemängelt Cornelius die fehlende Verlässlichkeit der Politik. „Das Wichtigste wäre, verlässliche Rahmenbedingungen herzustellen, und da läuft nicht alles gut.“ Die Abschaffung der Förderung für E-Fahrzeuge sei grundsätzlich richtig. „Aber sie geschah ruckartig und überhastet, ohne dass sich die Verbraucher darauf einstellen konnten. Dabei wurde viel Vertrauen zerstört. Über das Hin und Her bei der Versorgung mit Wärmepumpen brauche ich gar nicht zu sprechen.“
Neuer Hafenpräsident verteidigt Hafenentwicklungsplan für Hamburg
Cornelius ist kein Schnellredner. Seine Worte sind wohlüberlegt, immer mit Beispielen unterlegt. Häufig nimmt er seine Brille ab, schaut in die Ferne, bevor er Fragen mit Bedacht beantwortet. Wie jene Frage über seine Zufriedenheit mit der Hafenpolitik des Senats. „Im Gegensatz zu meinem Vorgänger halte ich den neuen Hafenentwicklungsplan des Senats für gut. Er ist ein Rahmenplan, der die richtigen Leitlinien definiert. Nun muss er aber auch umgesetzt werden. Und das fängt bei der Infrastruktur an. Die Betriebe werden ihre Standorte nur weiterentwickeln, wenn das bei der Infrastruktur auch geschieht“.
Auch zur fehlenden Infrastruktur gibt er ein Beispiel. „Wir reden immer über die Köhlbrandbrücke. Dabei beginnen die Probleme gleich hinter den Betrieben.“ Der Ausbau der Hafenbahn hinke ihrer Bedeutung hinterher. „Wir haben beispielsweise im Mai vergangenen Jahres immer wieder keine Züge in den Rangierbahnhof Hohe Schaar bringen können, weil dieser schon voll war. Der Rückstau setzte sich bis zu unserem Betrieb fort, wo wir den Kraftstoffumschlag einstellen mussten.“
Hamburger Hafen ist für den neuen Präsidenten kein Denkmal
Auf Vorschläge, die Köhlbrandbrücke aus Denkmalschutzgründen stehen zu lassen, reagiert Cornelius allergisch. Ebenso auf Experten, die behaupten, der Hafen habe sich überlebt. „Die allermeisten Hamburger haben eine hohe Verbundenheit mit ihrem Hafen. Wir feiern in diesem Jahr den 835. Hafengeburtstag, und es wird wieder ein großes Volksfest. Ich habe aber die Befürchtung, dass bei aller Tradition und Historie manchem der Bezug zur Realität abhandenkommt und eine gewisse Vergangenheitsverklärung einsetzt.“
Der Hafen sei auch in Zukunft von größter wirtschaftlicher Bedeutung für Deutschland und Zentraleuropa. Er leiste einen wesentlichen Beitrag für unsere Gesellschaft und sei Basis für zigtausend Arbeitsplätze. „Zu glauben, dass eine Zeitenwende einsetzt, bei der der Hafen keine Rolle mehr spielt und dieser nicht weiterentwickelt werden muss, ist wirklichkeitsfremd. Er ist weder ein Denkmal noch ein Museum.“ Der Hafen werde auch künftig das Rückgrat der Industrie sein. „Wir werden beispielsweise bei den erneuerbaren Energien immer auf Importe angewiesen sein, um den Bedarf zu decken.“
Leistungsfähigkeit des Hamburger Hafens nicht nur an Containerzahlen messen
Von seinem Vorgänger, Bonz, der die Hafenentwicklung immer sehr kritisch begleitete, setzt sich Cornelius ab: „Wir messen die Leistungsfähigkeit unseres Hafens immer nur am Umschlag an der Kaikante. Der ist im Moment schwach, also wird dem Gesamthafen eine Schwäche attestiert. Tatsächlich ist er sehr viel leistungsfähiger, als man denkt. Hier passieren viele Dinge, die in den allgemeinen Hafenzahlen gar keinen Niederschlag finden.“
Allein Evos habe seinen Umschlag in den vergangenen vier Jahren um rund 25 Prozent steigern können. Die über die umweltverträgliche Bahn umgeschlagenen Mengen habe das Unternehmen um rund die Hälfte angehoben. „Das taucht in keiner Hafenstatistik auf. So geht es auch anderen Betrieben.“ Sein Resümee: „Wir sollten die Leistungsfähigkeit des Hafens nicht immer nur an den Containerzahlen festmachen.“
Anders als Bonz, der den geplanten Einstieg der Schweizer Reederei MSC bei der HHLA verurteilt hat, will Cornelius dazu nichts sagen. „Wir äußern uns nicht zu den Angelegenheiten einzelner Mitgliedsunternehmen. Das Interesse von MSC und anderen Marktteilnehmern zeigt aber, wie attraktiv der Hamburger Hafen ist.“
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Einen Punkt möchte der verheiratete Familienvater dreier Kinder zum Abschluss des Gesprächs noch loswerden: „Das treibt mich um“, sagt er zur Hervorhebung. „Der Hamburger Hafen ist Arbeitgeber vieler Tausend Menschen unterschiedlichster Herkunft und unterschiedlichsten Backgrounds. Sie tragen dazu bei, dass die Regale in den Supermärkten voll sind und Busse und Bahnen fahren können. Es ist eine Tragödie, wenn jetzt in gewissen Kreisen mit dem Begriff Remigration gespielt wird. Dem müssen sich alle Stakeholder entschieden entgegenstellen, auch wir als Unternehmensverband des Hafens.“