Hamburg. „Wir stehen vor einer Rezession“, sagt Gunther Bonz bei seinem letzten Auftritt und warnt vor Auswirkungen der Haushaltssperre.
Alles Routine? Nicht ganz! Seit zwölf Jahren steht Gunther Bonz als Chef der Hamburger Hafenwirtschaft im Rampenlicht. Da absolviert er diese Pressekonferenz im Rahmen der alljährlichen Mitgliederversammlung des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH) selbstverständlich gekonnt. Doch es ist Bonz‘ letzte Pressekonferenz in dieser Funktion, im Dezember gibt der 67-Jährige das Amt ab. Sein Verzicht war überraschend vor einigen Wochen bekannt geworden, kurz nachdem der Senat angekündigt hatte, den Hafenbetrieb HHLA, zu 49,9 Prozent an die Schweizer Reederei MSC zu verkaufen. Der Nachfolger steht bereits fest: Vizepräsident Ulfert Cornelius.
Ins Speicherstadt-Hotel Ameron hat der am längsten amtierende UVHH-Präsident aller Zeiten geladen. Schmal ist der Hafenmanager geworden, der politische Auseinandersetzungen über den richtigen Kurs im Hafen nie gescheut hat und dabei mehr als einmal mit dem Senat und dem Bund aneinandergeraten ist.
Hamburger Hafenpräsident Gunther Bonz fordert eine Milliarde Euro vom Bund
An diesem Dienstagmorgen beginnt er mit den Umschlagzahlen, die nach neun Monaten weniger gut aussehen – der Seegüterumschlag ist im Hamburger Hafen in den ersten neun Monaten dieses Jahres um 5,6 Prozent auf 86,6 Millionen Tonnen zurückgegangen, der Containerumschlag sogar um 7,4 Prozent auf 5,8 Millionen Boxen geschrumpft. „Nach zwei Quartalen ohne Wachstum stehen wir vor einer Rezession“, sagt Bonz.
Dann beendet er abrupt das Thema. Er will die Lage des Hamburger Hafens offensichtlich nicht zu schwarz malen – was ihm aus eigenen Verbandskreisen gelegentlich vorgehalten wird. Vom Senat ist er ganz andere Vorhaltungen gewöhnt. „Nestbeschmutzer“ ist noch das Harmloseste, das ihm nachgerufen wird, wenn er mal wieder den Finger in die Wunde gelegt hat. An Bonz prallt so etwas ab. An diesem Dienstag folgt aber nun ein 20-minütiger Werbeblock zur regional- und volkswirtschaftlichen Bedeutung des Hamburger Hafens, an dem in der Metropolregion Hamburg immerhin 124.000 Arbeitsplätze hängen.
Energiewende funktioniert nur mit Hamburger Hafen
„1,2 Milliarden Euro Steuern nimmt Hamburg jährlich über den Hafen ein, in der Metropolregion sind es sogar 1,53 Milliarden Euro.“ Dann kommt Bonz, der als Staatsrat der Wirtschaftsbehörde in den Jahren 2004 bis 2008 selbst zu den Hamburger Senatsvertretern gehört hatte, auf die besondere Bedeutung des Hamburger Hafens in Zeiten des Klimawandels zu sprechen, mit seiner günstigen Lage rund 110 Kilometer tief im Binnenland. „Im Vergleich zu den Benelux-Häfen bedeutet das einen deutlich kürzeren Landweg beim Weitertransport von Gütern nach Osteuropa und bringt eine Ersparnis von 200 bis 450 Kilometern.“ Das entspreche der Einsparung von 0,1 Tonnen Kohlendioxid pro Containerbox gegenüber dem Transport auf derselben Strecke mit Lastwagen.
Bonz spricht über Hamburgs Sonderstellung als Europas größten Eisenbahnhafen und über die freiwilligen Umweltschutzmaßnahmen der Hafenbetriebe hin zu einem klimaneutralen Seegüterumschlag. Geschickt hebt er die Vorzüge des Hamburger Hafens hervor, um in der Quintessenz auf den Kern seines Anliegens zu kommen: Einer auskömmlichen Finanzierung durch die öffentliche Hand.
Deutschland bei Infrastrukturfinanzierung hintendran
„Eine erfolgreiche Energiewende geht nur mit dem Hamburger Hafen als größter deutscher Seehafen“, sagt Bonz, um sogleich auf dessen Unterfinanzierung hinzuweisen. „Die 38 Millionen Euro, die der Bund den fünf Küstenländern für ihre Häfen zahlt, ist ja nicht einmal ein Tropfen auf dem heißen Stein.“ Insgesamt investiere Deutschland viel zu wenig in seine öffentliche Infrastruktur. Nur bis zu 2,69 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Damit sei Deutschland in Europa fast Schlusslicht und liege nur knapp vor Portugal und Irland.
400 Millionen Euro jährlich fordern die deutschen Seehäfen vom Bund als jährliche Unterstützung. Doch auch da geht Bonz einen Sonderweg: „Die Summe reicht nicht, wir fordern jährlich eine Milliarde Euro vom Bund.“ Unterstützung erhält der Präsident sofort von seinen fünf Vizepräsidenten, die mit ihm auf dem Podium sitzen. Sie fürchten alle, dass nach der durch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) verhängten Haushaltssperre der Hafen nur wenig Bundeshilfen erwarten darf.
Hafenausbau in Hamburg für Versorgungssicherheit notwendig
Damit gebe es keinen Hafenausbau: „Es geht um die Versorgungs- und Zukunftssicherheit Deutschlands“, sagt Jaana Kleinschmit von Lengefeld, Chefin des Umschlagbetriebs von Getreide und Ölsaaten ADM. Und der Arbeitsdirektor und HHLA-Vorstand, Torben Seebold, betont, dass die Dekarbonisierung der Industrie nur funktioniere, wenn die Transformation auch in den Häfen, zu denen die Rohstoffe transportiert würden, geschehe. Und der Umbau der Häfen koste eben Geld.
Etwas müde betet Bonz die Forderungen des UVHH an die Politik herunter, die sich seit Jahren kaum geändert haben. Ganz anders ist seine Reaktion, als die Sprache auf die Behinderung der Häfen durch EU-Politik kommt. „Jetzt könnte ich mich schon wieder aufregen“, sagt Bonz, setzt sich gerade hin und die Augen funkeln hinter den Brillengläsern. Insbesondere der unterschiedliche Umgang mit der Einfuhrumsatzsteuer, welche die deutschen Seehäfen gegenüber ihren europäischen Wettbewerbern benachteiligt, bringt sein Blut in Wallung: „Da werde ich richtig gallig“, sagt Bonz, der dieses Thema nicht nur als Präsident des UVHH verfolgt.
Gunther Bonz geht nach 12 Jahren als Hamburger Hafenpräsident
Der ehemalige Eurogate-Manager ist zugleich Präsident des Verbands der europäischen Häfen, Feport (Federation of European Private Port Operators). Diesen Posten bekleidet er sogar seit 13 Jahren. Und er will ihn auch vorerst behalten, wenn er aus dem Hamburger Hafenverband ausscheidet. Schließlich hat die Feport extra ihre Satzung geändert, damit Bonz den Posten behalten kann. Niemand kennt die europäische Hafenpolitik so gut wie er.
- Hafen Hamburg: Experte Dieter Läpple sieht Stadtentwicklung bedroht
- Hafen Hamburg: So viele HHLA-Aktien hat sich MSC schon gesichert
- Bahn nach China: Hamburger errichten neue Seidenstraße
Dann ist Schluss. Nach etwa einer Stunde Vortrag und Beantwortung von Presseanfragen schließt Bonz die Pressekonferenz mit den Worten: „Tausend Dank für die gute Zusammenarbeit. Bitte schenken Sie meinem Nachfolger, Ulfert Cornelius, das gleiche Vertrauen und die gleiche Aufmerksamkeit.“