Hamburg. Konzernumbau verunsichert Mitarbeiter. Teams werden aufgelöst, mindestens 800.000 Arbeitsstunden gestrichen. Was im Hafen passiert.
Jahrelang wurden die Mitarbeiter der Hamburger Hafen und Logistik AG um ihre Jobs beneidet. Trotz konjunktureller Schwankungen war ihr Arbeitsplatz sicher. Die Mitbestimmungsrechte in der Firma sind hoch, und obendrauf werden sie für ihre Tätigkeiten sehr gut entlohnt – deutlich besser als manch anderer in der freien Wirtschaft. Doch jetzt gibt es erhebliche Unruhe an den Kaikanten. Auslöser ist ein grundlegender Umbau des Hafenkonzerns, der bei vielen Mitarbeitern Zukunftsängste auslöst. Hinzu kommt die Unsicherheit über den bevorstehenden Einstieg der Schweizer Reederei MSC.
„Die Stimmung ist schlecht“, sagen zahlreiche Mitarbeiter im direkten Gespräch. Erste Beschäftigte wandern zudem ab. Die Unternehmensführung weist Berichte über einen größeren Aderlass bei der Belegschaft zurück: „Die HHLA verzeichnet derzeit keine erhöhte Fluktuation“, heißt es in einer Stellungnahme. Das Unternehmen dementiert aber nicht, dass Mitarbeiter abwandern: „Gelegentliche Einzelkündigungen kommentiert die HHLA aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht“, heißt es lediglich.
Miese Stimmung bei der HHLA: Erste Arbeiter kündigen
Auf den Umschlagterminals selbst klingt das etwas anders: „Wer kann, der geht“, sagt ein Hafenarbeiter. „Auch ich überlege, einen Schnitt zu machen, weil ich nicht weiß, wie es hier weitergeht.“ Als Hafenarbeiter finde man leider nicht so schnell einen anderen Job, der ebenso gut bezahlt ist, berichtet ein anderer. Vor allem Handwerker, die dank ihrer Qualifikation auch in anderen Betrieben schnell einen Job finden, sollen aber auf dem Absprung sein.
Aus dem Reparaturbetrieb für die Van-Carrier genannten Containerhubfahrzeuge am Containerterminal Burchardkai hätten bereits vier Mitarbeiter gekündigt und seien zu Airbus gewechselt, berichten mehrere HHLA-Beschäftigte übereinstimmend. Vier weitere stünden davor. „Es ist ja auch angenehmer, in einer 20 Grad warmen Halle zu arbeiten, als bei Wind und Wetter draußen“, erklärt einer.
Containerhubfahrzeuge stehen still
Weil die Instandhaltung fehlt, steht auch ein größerer Teil der Containerportalfahrzeuge und des Containergeschirrs an den großen Kränen still. „Fast 50 Prozent seien nicht einsatzfähig“, sagt ein Mitarbeiter aus dem Lagerbetrieb. Die Unternehmensleitung bestätigt, dass ein Teil der Geräte stillsteht: „Es kann zum Beispiel durch konjunkturbedingte Auslastungsschwankungen an den Terminals zu Anpassungen der Terminalkapazitäten und damit auch des eingesetzten Equipments kommen. Das betrifft zum Teil auch die Instandhaltung von Geräten“ sagt eine Unternehmenssprecherin.
Sie fügt aber hinzu: Die HHLA sehe die Technik als wesentliches Standbein für die notwendigen Ausbau- und Automatisationsprojekte und investiere aus diesem Grund erhebliche Summen in technische Projekte an den Hamburger Containerterminals.
Einsparungen bis zu 150 Millionen Euro
Ursache der Unruhe ist, dass der HHLA-Vorstand derzeit den gesamten Containerbereich der HHLA umorganisiert. Ziel ist es, den Betrieb zu modernisieren und zu automatisieren, um Kosten zu senken und die Effizienz zu steigern. Einsparungen bis zu 150 Millionen Euro im Jahr sind geplant. CTX heißt das Programm, das derzeit ausgerollt und im kommenden Jahr abgeschlossen wird.
Das bestreitet die HHLA auch nicht. Im Gegenteil: Das Unternehmen geht damit offensiv um. „Die HHLA befindet sich im Segment Container in Hamburg derzeit in einem grundlegenden Transformationsprozess. Ziel ist es, die Hamburger Containerterminals der HHLA zukunfts- und wettbewerbsfähig aufzustellen, um die Beschäftigung im Hamburger Hafen langfristig zu sichern. Die HHLA begleitet diesen Prozess mit breit angelegten Kommunikations- und Beteiligungsformaten. Damit stellen wir sicher, dass die Beschäftigten umfassend informiert werden – insbesondere, was die Gründe sowie die Notwendigkeit der Transformation angeht. In diesen Formaten haben die Beschäftigten jederzeit die Möglichkeit, sich aktiv einzubringen und ihre Sorgen und Bedenken vorzutragen. Diese Möglichkeit wird auch umfassend genutzt.“
Mindestens 800.000 Arbeitsstunden fallen weg
Die Notwendigkeit, die HHLA für die Zukunft fit zu machen, wird nicht bestritten. Denn im starken Wettbewerb mit den Häfen in Rotterdam und Antwerpen hat die HHLA in den vergangenen Jahren den Anschluss etwas verloren. Außerdem gilt sie bei den Reedereien als teuer. Diese haben durch Allianzen und Zusammenschlüsse eine erhebliche Marktmacht entwickelt.
Doch der Transformationsprozess hat erhebliche Auswirkungen für die Belegschaft. Da im Zuge der Automatisierung und der Zentralisierung bestimmter Arbeiten der drei großen Hamburger Containerterminals der HHLA eine Reihe von Tätigkeiten wegfallen, werden künftig auch weniger Mitarbeiter benötigt. Etwa 800.000 Arbeitsstunden, also umgerechnet mindestens 400 Arbeitsstellen, würden künftig eingespart, hatte der Arbeitsdirektor der HHLA, Torben Seebold, im vergangenen Jahr eingeräumt.
Führungspersonal verliert seine Posten
„Wir reden von 1,5 Millionen Arbeitsstunden im Jahr“, sagt hingegen Stephan Gastmeier, Gewerkschaftssekretär bei Ver.di und spricht von 718 Vollzeitstellen. Laut Unternehmensführung lässt sich dies allerdings nicht auf Arbeitsstellen herunterbrechen, weil dabei Ladungsmengen und bisher eingeleitete Reduktionen nicht eingerechnet werden. Die HHLA beschäftigt in Hamburg derzeit rund 3600 Mitarbeiter. Betriebsbedingte Kündigungen hat der Vorstand wegen des Transformationsprozesses ausgeschlossen. Vielmehr sollen Vorruhestands- und Altersteilzeitregelungen greifen. Zudem sollen durch die Umorganisation der Arbeitsprozesse beispielsweise Überstunden reduziert werden.
„Die Strukturen der bisherigen Teams werden aufgelöst. Teamleiter verlieren ihre Positionen und müssen sich neu darauf bewerben. Das hat gerade auch beim mittleren Führungspersonal der HHLA zu erheblicher Verunsicherung geführt“, sagt Gastmeier. „Und in diese allgemeine Unruhe kommt jetzt auch noch der Verkauf an MSC.“
Zusätzliche Verunsicherung durch MSC-Deal
Wie berichtet, will der Hamburger Senat die Eigentümerverhältnisse der HHLA neu ordnen. Er ist dazu eine strategische Partnerschaft mit der weltgrößten Reederei MSC eingegangen, mit der zusammen er künftig die HHLA betreiben will. Die Schweizer Reederei soll dazu die bisher an der Börse gehandelten HHLA-Aktien aufkaufen und erhält zusätzlich rund 19,9 Prozent vom Senat, wodurch ihr Anteil an dem Hafenkonzern bei 49,9 Prozent liegen soll. Die Mehrheit von 50,1 Prozent soll die Stadt behalten.
Die Mehrheit der HHLA-Belegschaft lehnt den Teilverkauf ihres Unternehmens an MSC ab. Unterstützt werden sie dabei von der Gewerkschaft Ver.di in Hamburg. Nach zwei größeren Demonstrationen sind die öffentlichen Proteste gegen den Deal zunächst abgeklungen. Das soll sich aber ändern. Am kommenden Mittwoch ist wieder ein großer Protestzug geplant.
- Revolution im Hamburger Hafen: Container werden nun automatisch gestapelt
- Hamburger Hafen: HHLA-Mitarbeiter bangen um ihre Arbeitsplätze
- Kann Hamburgs Hafen überleben? Der große Abendblatt-Report
Unter dem Motto: „Wir lassen uns nicht verraMSChen“ wird es am Mittwoch ab 17 Uhr eine Demonstration vor dem HHLA-Hauptsitz in der Speicherstadt bei St. Annen geben. Es wird mit großer Teilnahme gerechnet, zumal die Betriebsräte am Burchardkai und dem Containerterminal Altenwerder aktiv zur Teilnahme aufrufen.
In Altenwerder verbreiten Betriebsratschef und sein Stellvertreter derzeit täglich einen Newsletter namens „Kaikante“, der die Zeit bis zur Demo in einem Countdown herunterzählt, und in dem die Mitarbeiter aktiv zum Protest gegen MSC aufgerufen werden. Es herrscht viel Unruhe bei der HHLA. Das dürfte den Deal nicht vereinfachen.