Hamburg. Bürgermeister drängt mit Regierungserklärung auf schnelle Entscheidung für Teilverkauf an Reederei MSC. Was die Opposition befürchtet.
Der Hamburger Senat hält am geplanten Teilverkauf des Hafenkonzerns HHLA an die Schweizer Reederei MSC fest. Der Plan ist bei Hafenexperten umstritten, wird von der Opposition abgelehnt und führt zu Massenprotesten von Hafenarbeitern auf der Straße. Dennoch lässt Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) keinen Zweifel daran, dass er in die Tat umgesetzt wird.
In seiner Regierungserklärung in der Hamburgischen Bürgerschaft sagte Tschentscher am Mittwoch: „Die strategische Partnerschaft der Stadt mit MSC ist eine entscheidende Weichenstellung für unseren Hafen. Sie stärkt die HHLA im harten internationalen Wettbewerb. Sie greift ein starkes Bekenntnis von MSC zum Hamburger Hafen auf und kann der gesamten maritimen Wirtschaft die Schubkraft geben, die sie in schwierigen Zeiten braucht.“
HHLA-Deal: Peter Tschentscher drängt auf schnelle Entscheidung zum MSC-Deal
Wie berichtet will der rot-grüne Senat MSC bei der HHLA mit an Bord holen, um den Containerumschlag zu stabilisieren. Die Stadt und die italienische Mediterranean Shipping Company (MSC) sollen die HHLA künftig als Gemeinschaftsunternehmen führen, bei dem die Stadt eine Mehrheit von 50,1 Prozent hält. Bislang gehören der Stadt rund 70 Prozent der börsennotierten HHLA.
Im Gegenzug will die weltgrößte Reederei MSC ihre Deutschlandzentrale in Hamburg bauen, das Ladungsaufkommen im Hafen von 2025 an erhöhen und bis 2031 auf eine Million Standardcontainer (TEU) zusätzlich pro Jahr steigern. Zudem wollen MSC und die Stadt das Eigenkapital der HHLA um 450 Millionen Euro erhöhen.
Entscheidende Weichenstellung für den Hamburger Hafen
In seiner rund 20-minütigen Rede betonte der Bürgermeister, was er sich von der Partnerschaft verspricht. Er verwies auf den Verlust an Marktanteilen und Ladung im Hamburger Hafen. „Zugleich ist der Investitionsbedarf hoch, die Wirtschaftlichkeit und die Effizienz müssen verbessert werden.“ Alle bisherigen Versuche für eine Beteiligung Dritter hätten zu keinem akzeptablen Ergebnis geführt.
Tschentscher drängte auf eine schnelle Entscheidung: „Die Entwicklung ist für die HHLA und ihre Beschäftigten bedrohlich. Es wäre verantwortungslos, den Dingen weiter ihren Lauf zu lassen. Es ist Zeit, eine Entscheidung zu treffen.“
Hapag-Lloyd soll Premiumpartner des Hamburger Hafens bleiben
Er versprach, dass der Hafen auch zukünftig offen für alle Reedereien sei, und unterstrich: „Hapag-Lloyd wird Premiumkunde und Premiumpartner des Hamburger Hafens bleiben.“ Er ging allerdings nicht darauf ein, dass Hapag-Lloyd sich bereits anderweitig orientiert und zusammen mit MSC künftig vor allem den Hub im marokkanischen Tanger stärken will.
Tschentscher versprach noch einmal, dass die Speicherstadt nicht Bestandteil der Partnerschaft sei. „Alle Rechte und Entscheidungsbefugnisse der HHLA über Immobilien in der Speicherstadt bleiben zu 100 Prozent in der Sphäre der Stadt.“
MSC-Deal nur Flucht nach vorn?
Ein kurzes Raunen auf den Rängen der Zuhörer gab es, als der Bürgermeister seine Rede mit einer Aufforderung an die Abgeordneten schloss: „Folgen Sie bitte nicht denjenigen, die ihre eigenen oder Einzelinteressen im Blick haben. Denken Sie an das Gemeinwohl, an die Zukunft des Hamburger Hafens.“ Unter den Zuhörern waren Hafenarbeiter. Dass sie nur ihre eigenen Interessen im Blick hätten, wollten sie so nicht stehen lassen.
Hitzig ging es in der anschließenden Aussprache zu. Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Dennis Thering, der fast genauso lang wie Tschentscher zuvor sprach, warf dem Senat vor, er verscherbele städtisches Eigentum. Der HHLA-MSC-Deal sei der Versuch des Bürgermeisters, die Flucht nach vorn anzutreten. „Aber Ihr Plan ist nicht aufgegangen.“
CDU: Senat verscherbelt städtisches Eigentum
Er sprach von einem in Hinterzimmern ausgekungelten Deal. „Wir sind nicht gegen externe Beteiligungen an der HHLA“, sagte Thering. „Aber die Herangehensweise und Konstruktion des MSC-Deals ist völlig falsch.“
Thering warf Tschentscher vor, mit seiner Regierungserklärung nicht für Transparenz über die Vertragsdetails mit MSC gesorgt zu haben. „Ihre Regierungserklärung ist so dünn wie die Akten, die Sie uns zur Einsicht vorgelegt haben.“
SPD will für den Deal stimmen
Der Vertrag mit MSC soll 40 Jahre laufen, aber nur für fünf Jahre habe man betriebsbedingte Kündigungen und die Vergabe von Arbeiten im Hafen an Billiganbieter ausgeschlossen. „Was sind schon fünf Jahre“, rief Thering. Auch Maersk habe beim Kauf der Reederei Hamburg Süd Veränderungen für fünf Jahre ausgeschlossen. „Und was ist heute noch von der einst stolzen Hamburger Reederei übrig? Fast nichts mehr.“
Die strategische Partnerschaft und damit das Bekenntnis der weltgrößten Reederei MSC zu Hamburg sorge für Ladungssicherheit und Investitionen in Hafeninfrastruktur und Lieferketten. „Dies sichert Arbeitsplätze – auch in der zugehörigen Industrie“, sagte hingegen der Fraktionsvorsitzende der SPD, Dirk Kienscherf.
Kein Ausverkauf der HHLA
Er unterstrich, dass die Mitbestimmungsrechte der HHLA-Mitarbeiter beibehalten würden. Davon ließ er sich auch nicht durch eine Zwischenfrage des Linken-Abgeordneten Norbert Hackbusch abbringen. Dieser verwies darauf, dass der HHLA künftig mit der Port of Hamburg ein Unternehmen vorgeschaltet würde, in dem die Partner ihre Anteile bündeln wollen. „Dort haben die Mitarbeiter gar keine Mitspracherechte.“
Kienscherf ließ sich dadurch nicht aus dem Konzept bringen: „Das ist nur die Holding. Das operative Hafengeschäft bleibt bei der HHLA“, sagte er. „Die Partnerschaft mit MSC ist weder ein von interessierter Seite geforderter Ausverkauf der HHLA noch der von anderer Seite geforderte standortgefährdende Stillstand im Hafen.“ Die Zustimmung der SPD-Fraktion zu dem Senatsplan gilt als sicher.
Hamburger Hafen benötigt Modernisierungsschub
Auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Dominik Lorenzen, machte deutlich, dass seine Fraktion dem Deal zustimmen werde. „Unser Hafen benötigt einen kräftigen Modernisierungsschub, der durch die Beteiligung von MSC möglich ist. Viele der Anlagen sind sanierungsbedürftig, die Digitalisierung verlangt ebenso wie die Dekarbonisierung eine technologische Neuaufstellung.“
Zu lange habe Hamburg sich auf der Vorstellung ausgeruht, dass der Hafen automatisch weiterwachse und dass es dafür ausreiche, die Elbe immer weiter zu vertiefen. „Das war ein Trugschluss.“ Der CDU warf Lorenzen ähnlich wie Kienscherf vor, kein wirksames Konzept und keine Idee für den Hafen zu haben.
Kritik an Geschäftsmethoden von MSC
Hackbusch, der Hafenexperte der Linksfraktion, arbeitete sich in seinem Beitrag an dem gewählten Partner des Senats ab. „Der MSC-Konzern gibt nichts, aber auch gar nichts über seine Geschäfte preis. Und so einer Firma will der Senat die Hälfte des größten Hafenunternehmens verkaufen?“ MSC sei zudem international berüchtigt für rüde Geschäftsmethoden.
Der AfD-Fraktionsvorsitzende Dirk Nockemann bezeichnete die Art, wie der Senat mit MSC die Vereinbarung getroffen hat, als „arroganten Affront von Regierungsmacht“. Die-FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein sprach von einem „Notfallplan des Senats“, nachdem man jahrzehntelang den Hafen vernachlässigt habe.
Hamburger Wirtschaftssenatorin greift in Debatte ein
Die Debatte lief schon fast zwei Stunden, als Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) zum Rednerpult schritt. Sie verdeutlichte nochmals die Vertragsinhalte und betonte, warum es so wichtig sei, mit MSC einen international starken Partner zu gewinnen. MSC ist die derzeit größte Reederei der Welt. Mehr noch: Leonhard warnte vor den Folgen bei einer Ablehnung des Deals. „Dann läuft nicht alles im Hamburger Hafen wie gewohnt weiter. Dafür wandelt sich der Markt zu schnell. Zu glauben, man könne die Zukunft der HHLA allein mit Hamburger Akteuren sichern, ist falsch. So ist der Markt nicht aufgestellt.“
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Unterdessen gibt es auch Kritik an dem geplanten Neubau der Deutschlandzentrale in der HafenCity, die die Reederei MSC im Gegenzug für ihren Einstieg bei der HHLA errichten will. Eltern der Schule Campus HafenCity und Anwohner des Quartiers wenden sich in einem gemeinsamen Schreiben an die Abgeordneten der Bürgerschaft gegen die Baupläne. Sie befürchten eine erhebliche Lärmbelästigung während der Bauarbeiten und einen „massiven Eingriff zum Schaden von Nachhaltigkeit, Mikroklima und Biodiversität im Stadtteil“.