Hamburg. 800 Beschäftigte gehen gegen Teilverkauf der HHLA an Schweizer MSC auf die Straße. Es dürfte nicht der letzte Protest gewesen sein.
Einige konnten es kaum abwarten. Schon eine Stunde vor der angemeldeten Demonstration trafen sich erste HHLA-Mitarbeiter in der Speicherstadt. In kleinen Gruppen standen sie rund um den St.-Annen-Platz, die Osakaallee und den Pickhuben beisammen und sprachen über das, was sie seit Wochen bewegt: der geplante Teilverkauf der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) an die Schweizer Reederei MSC. Ein paar HHLA-Mitarbeiter standen bei der Feldschlösschen-Kneipe abseits und bestellten eine Runde Bier. „Es geht um unsere Arbeitsplätze. Wir müssen auf die Straße gehen“, sagte einer der Hafenarbeiter.
In den vergangenen Wochen war es auffällig ruhig im Hafen geworden. Als der Senat im September des vergangenen Jahres seinen Plan bekannt gegeben hatte, einen großen Teil der HHLA an die Schweizer Reederei MSC zu verkaufen, kochte die Wut der Hamburger Hafenarbeiter hoch. Es gab Protestzüge, gar einen wilden Streik. Doch je mehr der Senatsplan in den vergangenen Wochen Gestalt annahm, umso stiller wurde es an den Kaikanten. Es schien fast so, als hätten sich die HHLA-Mitarbeiter mit dem Teilverkauf ihres Unternehmens an MSC abgefunden.
Diesem Eindruck traten die Hafenarbeiter am Mittwoch unzweideutig entgegen. „Bei dem Deal sind so viele Fragen offen, dass ich kotzen könnte“, sagte Sebastian Kalkowski, Betriebsrat des Gesamthafenbetriebs GHB.
Hamburger Hafen: Proteste der Hafenarbeiter gegen Teilverkauf
Dass die Proteste in den vergangenen Wochen abgeflaut waren, hatte mehrere Gründe. Zum einen verlagerten sich die Auftritte der Kritiker des MSC-Deals in organisierte Diskussionsrunden, die nicht so öffentlichkeitswirksam sind wie Demonstrationszüge. Zum anderen haderten die HHLA-Mitarbeiter mit ihren eigenen Vertretern.
Der Bundesvorstand der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di hatte den Eindruck erweckt, als würde er sich mit den Senatsplänen langsam, aber sicher arrangieren. Außerdem wurde bekannt, dass Betriebsratsvertreter im Aufsichtsrat der HHLA für den MSC-Deal gestimmt hatten. Doch diese Differenzen sind nun offenbar ausgeräumt.
Trillerpfeifen gellen über den Platz. Ein Böller wird gezündet. Die Stimmung ist aufgeheizt, als Ver.di-Landesbezirkschefin Sandra Goldschmidt als erste Rednerin zum Mikrofon greift. „Die Verträge, die der Senat mit MSC geschlossen hat, können wir immer noch nicht einsehen“, kritisiert sie. „Anstatt die falsche Entscheidung der Teilprivatisierung der HHLA der CDU aus 2007 zu korrigieren, plant der aktuelle rot-grüne Senat, seine Anteile an der HHLA weiter zu reduzieren. Wir fordern deshalb die Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft auf, diesen Irrsinn zu stoppen.“ Sie forderte alle Abgeordneten der Bürgerschaft dazu auf, den Mut dazu aufzubringen.
Hafenarbeiter sind sauer auf die Politik
Vom Ver.di-Hauptsitz in Berlin ist Maren Ulbrich von der Bundesfachgruppe „Maritime Wirtschaft“ angereist. „Privatisierung ist nie gut ausgegangen“, sagt sie. Unter dem Verkauf öffentlicher Kliniken habe die Patientenversorgung gelitten, beim Verkauf von Bus- und Bahnunternehmen sei die Infrastruktur vernachlässigt worden. „Und nun soll mit der HHLA ein weiterer wesentlicher Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge verscherbelt werden.“
Mehr und mehr konzentrieren sich die Redebeiträge auf den Senat. „Teflonsenat“ nennt ihn der Konzernbetriebsratsvorsitzende der HHLA, Christian Baranowski, weil er alle Argumente gegen den Deal – auch von Hafensachverständigen – an sich abprallen lasse. Es stelle sich die Frage, für wen der Senat Politik mache, für Hamburgs Bürgerinnen und Bürger oder für ausländische Konzerne“, kritisiert ein Betriebsrat.
Die Furcht ist groß vor Verschlechterung der Arbeitsbedingungen
Nach kurzer Zeit ist die Demonstration auf 500 Hafenarbeiter angeschwollen. Für sie geht es nicht nur um MSC. „CTX“ heißt ein Programm zum Konzernumbau, bei dem der Betrieb modernisiert, zunehmend automatisiert und in seiner Effizienz gesteigert werden soll. Einsparungen von bis zu 150 Millionen Euro jährlich erhofft sich die HHLA-Führung. Der Umbau ist so grundlegend, dass alle Betriebsräte der HHLA und Vertrauensleute in die Verhandlungen eingebunden sind. Es wird gleichzeitig über drei neue Tarifverträge verhandelt, davon einen reinen Sozialtarifvertrag, der die Absicherung für alle Mitarbeiter regelt, für die es in der künftigen Struktur keine Beschäftigung mehr geben wird.
Dass in diese Ungewissheit nun noch der MSC-Deal hineinplatzte, hat zu zusätzlichen Zukunftsängsten bei den Hafenarbeitern geführt. Das zeigte sich auch bei der Demo: „Wir bangen um den Standort Hamburger Hafen, ruft Betriebsratschef Baranowski – und immer wieder: „Wir lassen uns nicht verraMSChen.“
Regierungserklärung des Bürgermeisters zum HHLA-Deal
In Zukunft würde der Protest der Hafenarbeiter gegen den Teilverkauf der HHLA im Stadtbild wieder sichtbarer werden, hatte Baranowski zuvor im Gespräch mit dem Abendblatt gesagt. Gelegenheit dazu ergibt sich bei der Bürgerschaftssitzung im Rathaus in der kommenden Woche. Dann will Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) eine Regierungserklärung zum MSC-Deal abgeben. Ob die Hafenarbeiter dann wieder auf die Straße gehen, lassen die Organisatoren offen.
In Planung ist aber eine direkte Ansprache der Abgeordneten in der Bürgerschaft. So erwägen die Hafenarbeiter, Bürgersprechstunden der Abgeordneten der Regierungsfraktionen von SPD und Grünen zu besuchen, um sie in Einzelgesprächen davon zu überzeugen, ihre Zustimmung zum Senatsvorhaben zu verweigern. Die Betriebsräte des Containerterminals Altenwerder hatten in ihrem täglichen Newsletter am Montag alle 86 Bürgerschaftsabgeordnete von SPD und Grünen wie bei einem Fahndungsaufruf abgebildet, mit der Aufforderung, das Gespräch mit ihnen zu suchen.
Die Stadt soll knappe Mehrheit an HHLA behalten
Inzwischen hat der Demonstrationszug die Hamburger Zentrale von MSC am Sandtorkai erreicht. Wieder ein Böllerschuss. Wie berichtet will MSC beim Einstieg bei der HHLA eine neue Deutschlandzentrale in der HafenCity errichten. Zudem will die Reederei die Mengen, die sie an den HHLA-Terminals umschlägt bis 2031 auf eine Million Standardcontainer steigern. Im Gegenzug sollen die Schweizer bis zu 49,9 Prozent an der HHLA bekommen, 50,1 Prozent will der Senat behalten.
Insbesondere die Tatsache, dass MSC nicht nur eine Terminalbeteiligung bekommt, sondern direkt in die Holding der HHLA eingebunden wird, stößt vielen Beschäftigten kritisch auf. Die Stadt würde dabei nicht gewinnen, sagt einer, nur die privaten MSC-Manager mit ihren Schweizer Bankkonten. Inzwischen sind es rund 800 Teilnehmer.
Hamburger Hafen: Mehrere Bürgerschaftsabgeordnete nehmen am Protestzug teil
Aus der vom Senat an die Bürgerschaft zur Abstimmung gestellten Drucksache ergibt sich keine inhaltliche oder strategische Begründung für die Beteiligung einer Reederei am HHLA-Konzern. Dort wird der Schritt damit begründet, dass man eine langfristige, strategische Partnerschaft gesucht habe, bei der es „um die Stabilisierung und moderate Steigerung des Güterumschlags im Hamburger Hafen geht“.
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Auch mehrere Bürgerschaftsabgeordnete der Opposition laufen bei dem Protestzug mit. Der CDU-Hafenexperte Götz Wiese fühlt sich mit den Hafenarbeitern verbunden. „Ich teile die Sorgen der Belegschaft. Dabei geht es nicht um einzelne Jobs. Es geht um die langfristige Ausrichtung des Hafens: Die Hafenpolitik von SPD und Grünen gefährdet Betriebe und Arbeitsplätze. Ein strategischer Plan ist nicht erkennbar.“