Hamburg. Die Container-Schiffe immer größer, die weltweite Konkurrenz immer mächtiger. Wiederholt sich in Hamburg das Schicksal anderer Städte?

Noch vor dem Sommer dieses Jahres wird die Elbvertiefung abgesehen von Restarbeiten abgeschlossen sein. Endlich – nach annähernd 15 Jahren Planungs- und Bauzeit – sollen dann auch Schiffe mit einem Tiefgang von 14,5 Metern bei Hochwasser den Hamburger Hafen problemlos erreichen können.

An den Kaikanten und in den Kontoren müssten eigentlich die Sektkorken knallen. Doch nach feiern dürfte niemandem zumute sein, und das liegt nicht nur an der Corona-Pandemie. Denn die Zeiten haben sich gewandelt, und das Hauptproblem, welches den Hafen jahrzehntelang beschäftigt und in seiner Entwicklung behindert hat, der fehlende Tiefgang, ist inzwischen von anderen Sorgen abgelöst worden.

Existenzielle Probleme des Hamburger Hafens

Sorgen, denen man nicht mit einer Baugenehmigung und einem Bagger entgegenwirken kann. Es geht um existenzielle Probleme, auf die auch die Hamburger Politik, die in der Vergangenheit immer sehr hafenverbunden gewesen ist, nur wenig Einfluss hat. Kurz gesagt: Für den Hafen geht es um die Zukunft.

Wer am Fluss und von ihm lebt, kennt das Auf und Ab der wirtschaftlichen Lage wie den steten Wandel der Gezeiten. Hamburgs Hafen hat schon viele Stürme erlebt und überlebt, weil er sich als sehr wandlungsfähig herausgestellt hat und auf Veränderungen reagieren konnte – etwa den Wechsel vom Segel- zum Motorschiff. Auch zwei Weltkriege, nach denen die Schifffahrt praktisch zum Erliegen gekommen war, weil die Schiffe nicht mehr existierten, konnten dem Hafen auf Dauer nichts anhaben.

Speicherstadt wurde für den Hafen aufgegeben

Auf den Wandel vom Stückgut- zum Containertransport, den etliche andere Häfen verschlafen hatten, reagierte Hamburg frühzeitig, weil die Stadt erkannte, dass der Umschlag von Stahlboxen an den Aufbau von Häfen ganz andere Erfordernisse stellt als das Laden und Löschen von Säcken und Kartons.

Die Speicherstadt wurde für den Hafen aufgegeben, und weiter westlich in Waltershof wurden große moderne Containerterminals errichtet. Der Hamburger Hafen wuchs. Alles schien möglich – solange immer mehr Ladung die Elbe hinauf transportiert wurde. Problematisch wird es jetzt, da das Wachstum stagniert, weil Handelsströme sich ändern oder der Hafen aus anderen Gründen seine Produktivität einbüßt.

Viele Spitzenhäfen konnten mit Wachstum nicht mithalten

Es gibt etliche Beispiele für Hafenstädte in der Geschichte, die den eigenen Niedergang nicht aufhalten konnten. Als Kopenhagens Kaufleute im 17. Jahrhundert den Nyhavn bauten, den „Neuen Hafen“, war dieser schon für die Handelsschifffahrt zu flach und zu klein. Es ist das Schicksal vieler ehemaliger Spitzenhäfen, dass sie mit dem Wachstum der Schiffe nicht mithalten konnten, die seit dem Anbrechen der Moderne immer größer werden.

Der Nyhavn in Kopenhagen ist heute nur noch eine pittoreske Touristenattraktion.
Der Nyhavn in Kopenhagen ist heute nur noch eine pittoreske Touristenattraktion. © Shutterstock / Nikolay Antonov | Nikolay Antonov

Die großen prosperierenden Hafenstädte in der Frühen Neuzeit waren Amsterdam, Antwerpen und London. Sie hatten die alten Hansestädte des Mittelalters abgelöst. Von diesen dreien gehört nur noch eine zu den größten Häfen der Welt, nämlich Antwerpen. Die Docklands, einst der Inbegriff des Londoner Hafens, bestechen heute durch die gläsernen Bürotürme an der Carnary Wharf. Die Schiffsabfertigung hat sich im Laufe der Jahrhunderte immer weiter die Themse hinab entwickelt. Erst nach Tilbury, dann zum London Gateway in der Themsemündung. Heute findet der Containerumschlag der Großcontainerschiffe überwiegend in Felixstowe statt, einem Tiefwasserhafen an der Küste, den man neu gebaut hat. Dort können die Schiffe noch so groß und so schwer sein, man bekommt sie abgefertigt.

Riesige Umschlagplätze weit außerhalb von Städten

Waren die großen Häfen in der Vergangenheit gleichbedeutend mit den Handelszentren, so hat sich dieses längst verschoben: Heute sind große Häfen riesige Umschlagplätze weit außerhalb von Städten. Amsterdam war diesen Schritt nicht mitgegangen – und spielt heute keine Rolle mehr.

Hamburgs Hafen zu Zeiten der Frachtsegler.
Hamburgs Hafen zu Zeiten der Frachtsegler. © picture alliance / arkivi | picture alliance / arkivi

Die Ausnahme bisher blieb Hamburg. Hier hat sich der Hafen mitten in der Stadt gehalten, was seinen ganz besonderen Charme und auch den der ganzen Stadt kennzeichnet. Das Geheimnis des Erfolgs ist laut Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) ein vertrauensvolles, pragmatisches Miteinander von Senat und Hafenwirtschaft. „Die Umschlagbetriebe haben die Effizienz der Flächennutzung immer weiter erhöht und auch ihre logistischen Abläufe ständig optimiert. So ist es gelungen, dass sich Stadt und Hafen auf beschränktem Raum entwickeln und voneinander profitieren können.“

Hamburger Hafen ist das „Herz der Stadt“

Der Hafen wird vielfach als das „Herz der Stadt“ bezeichnet. Wirtschaftlich, weil die maritimen Unternehmen jährlich 900 Millionen Euro Steuereinnahmen ins Stadtsäckel spülen und 120.000 Menschen Arbeit geben. Touristisch, weil Millionen Menschen jährlich den Hafen besuchen. Aber auch gesellschaftlich, weil sehr viele Großveranstaltungen im Hafen stattfinden. Aber nun ist das Herz aus dem Takt geraten.

Angela Titzrath ist die Vorstandsvorsitzende der HHLA.
Angela Titzrath ist die Vorstandsvorsitzende der HHLA. © Roland Magunia/Hamburger Abendblatt | Roland Magunia

Dem Menetekel der immer größeren Schiffe begegnet man mit der jahrelang umstrittenen Elbvertiefung und der Anschaffung immer größerer Containerbrücken zum Löschen der Ladung. Aber die enge Verzahnung von Wohnen und Industrie führt immer häufiger zu Konflikten, zudem zeigt sich der Hafen anfällig für Krisen. Das wurde erst vor einigen Tagen wieder sehr deutlich. Ende Februar veröffentliche die Marketingorganisation des Hafens die Umschlagszahlen für das vergangene Jahr.

Seegüterumschlag um 7,6 Prozent zurückgegangen

Angesichts des Lockdowns in der Corona-Pandemie hatte niemand mit einem großen Wachstum gerechnet. Stattdessen ist der Seegüterumschlag 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 7,6 Prozent zurückgegangen. 126 Millionen Tonnen wurden umgeschlagen, etwa zehn Millionen weniger als 2019. Noch deutlicher zeigte sich der Verlust beim für den Hafen so wichtigen Containerumschlag: 8,5 Millionen 20-Fuß-Standardcontainer (TEU) wurden 2020 über die Kaikanten gehoben, nach 9,3 Millionen im Vorjahr. Der Rückgang betrug 7,9 Prozent.

Auch andere Häfen haben in der Corona-Krise gelitten, aber eben nicht so stark wie Hamburg: In Rotterdam ging der Containerumschlag nur um 3,2 Prozent zurück, in Bremerhaven um 3,7 Prozent, in Antwerpen konnte er sogar um 1,3 Prozent leicht wachsen. Im Ergebnis verliert der Hamburger Hafen gegenüber seinen Konkurrenten also schon jetzt Marktanteile. Ähnlich wie beim HSV droht der Abstieg aus der ersten Liga. Bei der Auflistung der 20 größten Häfen der Welt ist die Hansestadt von Platz 17 auf 18 gefallen. Wer ist vorbeigezogen? Tanjung Pelepas – ein gerade einmal 20 Jahre alter Hafen in Malaysia.

Rotterdam und Antwerpen bewältigen Krise besser

Es ist nicht das erste Mal, dass der Hamburger Hafen nach einer Krise schlechter dasteht als seine Konkurrenten in Antwerpen und Rotterdam. Schon im Zuge der großen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 hatte der Rückgang an Ladungsmengen ihn schwerer getroffen als die Westhäfen. Der Hamburger Hafen gerät nicht nur tiefer hinein in Krisen, er kommt auch schwerer wieder heraus – was ein Vergleich verdeutlicht: Anders als Rotterdam und Antwerpen konnte Hamburg von dem Anstieg des Außenhandels der deutschen Volkswirtschaft seit dem Jahr 2008 kaum profitieren.

Damals – kurz vor dem Einsetzen der Wirtschaftskrise – belief sich der Gesamtwert des deutschen Exports laut offizieller Statistik auf 984 Milliarden Euro. Der Wert der Importe betrug 805 Milliarden Euro. Nach der Krise stiegen beide Werte kräftig an und lagen 2018 bei 1,3 Billionen Euro (Export) und gut einer Billion Euro (Import). In diesen zehn Jahren legte der Güterumschlag des Rotterdamer Hafens von 421 Millionen auf 469 Millionen Tonnen zu, der Antwerpener Hafen verzeichnete ein Plus von 189 Millionen auf 235 Millionen Tonnen.

Kritik an hohen Preisen des Hamburger Hafens

In Hamburg blieb der Umschlag hingegen Ende 2018 mit 135 Millionen Tonnen sogar noch hinter dem Ergebnis von 2008 mit 140 Millionen Tonnen zurück. Das zeigt, dass die Konkurrenten die positive Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft stärker genutzt haben. Hamburg kann von konjunkturellen Aufschwüngen im Im- und Export nicht so profitieren wie seine Konkurrenten.

 Der HHLA-Containerterminal Burchardkai (hier ein Foto von 2010) wurde seit 1968 mehrfach erweitert (Archivbild).
Der HHLA-Containerterminal Burchardkai (hier ein Foto von 2010) wurde seit 1968 mehrfach erweitert (Archivbild). © Roland Magunia | Roland Magunia

„Aus unserer Sicht wäre es nunmehr endlich an der Zeit, die Gründe hierfür ehrlich zu hinterfragen“, sagt Alexander Geisler, Geschäftsführer der Hamburger und Bremer Schiffsmakler. Er kritisiert an erster Stelle hohe Preise des Hamburger Hafens. Es sei kein Geheimnis, dass in den Wettbewerbshäfen einiges anders laufe, so Geisler. So sei die erste Aufgabe der dortigen Hafenverwaltungen das Kundenmanagement. Man habe sich dort zum Ziel gesetzt, für zufriedene Kunden zu sorgen.

Kostenreduktion muss Teil der Hafenstrategie werden

Die kritische Analyse der Kostenstruktur sei in Rotterdam oder Antwerpen nicht nur ein Wort, sondern fester Bestandteil der Hinterland-Strategie. Günstige Transportkosten sollen den Weitertransport per Schiene und Binnenschifffahrt fördern. Geisler: „Die Ladungszuwächse, die wir in den letzten zehn Jahren in den Wettbewerbshäfen beobachten konnten, zeigen, dass deren Wettbewerbsstrategie aufgegangen zu sein scheint. Kundenzufriedenheit und Kostenreduktionen dürfen daher nicht nur Lippenbekenntnisse bleiben, sondern müssen auch feste Bestandteile der lokalen Hafenstrategie in Hamburg sein.“

Es gibt noch andere Gründe dafür, warum es in Hamburg nicht rundläuft. Die eben erwähnte Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 hat in der Folge zu schweren Verwerfungen am Schifffahrtsmarkt geführt. Reedereien gingen Konkurs oder schlossen sich zu Allianzen zusammen. Diese Allianzen üben seitdem einen großen Druck auf die Hafenbetriebe aus.

Studie warnt vor „des­truktivem Wettbewerb“

Bereits vor zwei Jahren hatte eine Studie des Internationalen Transport Forums (ITF) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vor einem „des­truktiven Wettbewerb“ gewarnt, den die strategischen Bündnisse der Reedereien in den Häfen und unter Terminalbetreibern auslösen. Der Weltmarkt im Containertransport auf See wird inzwischen von drei großen Allianzen beherrscht. Neben The Alliance, zu der Hapag-Lloyd und die japanischen Reedereien gehören, sind das 2M, der Zusammenschluss der weltgrößten Reedereien Maersk und MSC, sowie die Ocean Alliance rund um CMA CGM und Cosco, die Nummern drei und vier der Welt.

Geschmiedet wurden die Reederei-Allianzen in der Schifffahrtskrise, um angesichts niedriger Frachtraten die Transportkapazitäten besser auszulasten. Doch die OECD warnte kürzlich, die Bündnisse könnten „kartellähnliche Züge“ annehmen, wenn es zu Preisabsprachen komme. „Früher hatten die Terminalbetreiber zehn bis 15 Reedereien, mit denen sie verhandeln konnten.

Allianzen üben hohen Druck auf Häfen aus

Heute stehen ihnen drei mächtige Allianzen gegenüber, die hohen Druck auf die Häfen ausüben und diese gegeneinander ausspielen können“, sagt der Hamburger Logistik-Professor Jan Ninnemann. „In der Folge kommt es zu einem Preiskampf unter den Häfen.“ Die HHLA bekam diesen im vergangenen Jahr zu spüren, als sie über neue Verträge mit der Hamburger Traditionsreederei Hapag-Lloyd verhandelte – beides Unternehmen, an denen die Stadt beteiligt ist.

Die Verhandlungen zogen sich wegen unterschiedlicher Preisvorstellungen in die Länge, bis der Hapag-Lloyd-Vorstandschef Rolf Habben Jansen damit drohte, Ladung aus Hamburg abzuziehen. Nicht etwa intern in einem Hinterzimmer, sondern öffentlich in einer Ausschusssitzung der Hamburgischen Bürgerschaft. Zwar konnte sich die HHLA mit Hapag-Lloyd am Ende einigen, die Auseinandersetzung mit der französischen Reederei CMA CGM verlor sie hingegen. Die Schiffe wanderten zum Nachbarn und Konkurrenten Eurogate und werden seitdem dort abgefertigt.

Antwerpen produktiver als Hamburg

Ein weiterer Punkt ist die harte Konkurrenz der Nordseehäfen untereinander. Felixstowe, Rotterdam und Antwerpen haben ihre Häfen in den vergangenen Jahre kräftig ausgebaut, sodass die Hafenbranche nun mit Überkapazitäten zu kämpfen hat. Der Hamburger Hafen konnte das in der Vergangenheit noch kompensieren, weil er als besonders schnell und effizient galt.

Das hat sich gewandelt, sagt Ninnemann, der an der Hamburg School of Business Adminis­tration (HSBA) lehrt: „Der Hamburger Hafen galt lange Zeit als einer der produktivsten in der Nordrange und konnte von diesem Wettbewerbsvorteil zehren. Hier haben die anderen Häfen aufgeholt. Schaut man sich das APM Terminal an der Maasvlakte II in Rotterdam an, so ist dort der Automatisierungsgrad höher als an Hamburgs modernstem Terminal in Altenwerder, das ja auch bald 20 Jahre alt ist. Und schaut man sich Antwerpen an, so ist die Produktivität je Mitarbeiter hier höher als in Hamburg.“

Hamburger Hafen schafft 20 Containerbewegungen pro Stunde

Die Terminalbetreiber an der Elbe stehen unter Druck, Eurogate ging im Sommer des vergangenen Jahres in die Offensive. „Mit Ausnahme des North Sea Terminals in Bremerhaven sind unsere Terminals auf der Wasser- und der Landseite wesentlich langsamer als die Terminals in Rotterdam und Antwerpen. Dabei sind unsere Preise aber höher als in den Westhäfen“, bemängelt der Eurogate-Geschäftsführer Michael Blach.

Michael Blach ist einer von zwei Eurogate-Geschäftsführern.
Michael Blach ist einer von zwei Eurogate-Geschäftsführern. © Michael Rauhe | Michael Rauhe

Er beruft sich auf eine interne Studie, die die Unternehmensberatung McKinsey für Eurogate erstellt hat. Demnach schaffe der Hafen in Antwerpen 30 bis 32 Containerbewegungen pro Stunde. In Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven seien es gerade einmal 20 bis 25. Dabei seien die Kosten hierzulande 50 Prozent höher als dort. In Antwerpen würden durchschnittlich acht Leute in einem Gang arbeiten, hier 11,3. Ein Gang bezeichnet eine Gruppe von Hafenarbeitern, die an einer Containerbrücke eingesetzt werden. „Wir stecken in einer handfesten Krise“, so Blach.

Betriebsbedingte Kündigungen möglich

Selbst Wirtschaftssenator Westhagemann hält die Umschlagsbetriebe im Hamburger Hafen für weniger produktiv: „Ich habe mir die Terminals anderer Häfen angeschaut. Wenn ich sehe, dass einige Terminals in Europa einen Automatisierungsgrad von 40 Prozent aufweisen, dann könnte man schon ein bisschen neidisch werden“, sagte er unlängst dem Abendblatt.

Die Hafenfirmen haben reagiert. Eurogate will 84 Millionen Euro in Deutschland strukturell bis 2024 einsparen, 38 Millionen davon am Eurogate-Containerterminal Hamburg. Im Gespräch ist die Streichung von mehreren Hundert Stellen. Betriebsbedingte Kündigungen sollen vermieden werden, sind aber nicht ausgeschlossen.

Eurogate-Geschäftsführung will Pausen reduzieren

Nicht nur die Mannschaften an der Kaikante, sondern auch die Konzern-Holding muss sparen. Überkommene Strukturen sollen abgebaut und nicht mehr notwendige Leistungen gestrichen werden. Die Eurogate-Geschäftsführung will zudem die Pausen und Ablösezeiten am Hamburger Terminal reduzieren. So haben die Terminalmitarbeiter in Hamburg drei Pausen pro Schicht. Beim Konkurrenten Antwerpen ist es nur eine.

Auch die HHLA hat ein Sparprogramm aufgelegt. Ihr größter Umschlagbetrieb, das Containerterminal Burchardkai (CTB), soll 50 Millionen Euro bis 2025 einsparen. „Der Burchardkai muss produktiver werden und Kosten senken. Wir müssen also sparen, investieren aber auch“, sagt Unternehmenssprecher Hans-Jörg Heims. So werde am CTB perspektivisch eine neue Software zur Steuerung der gesamten operativen Abläufe installiert.

Neue Software hilft, Ladevorgänge zu optimieren

Einen genauen Zeitplan dafür gibt es laut Heims aber noch nicht. Die Software, mit der die Abläufe am Terminal von einer Instrumententafel aus überwacht werden können, erlaubt es, Ladevorgänge zu optimieren, den Transport der Ladung auf dem Kai zu beschleunigen – und bindet auch den Weitertransport ins Hinterland ein. Sie ist die Voraussetzung für einen deutlich höheren Automatisierungsgrad im Hafen.

Die Software wurde bereits im April des vergangenen Jahres am Containerterminal Tollerort in Betrieb genommen, nun folgt der Burchardkai. Das Ziel ist klar: die Automatisierung des aufwendigen sogenannten Horizontaltransports der Container auf dem Kai von den Schiffen zum Lager. Vorbild dieser Maßnahme ist das Containerterminal Altenwerder (CTA), an dem der Transport der Container vom Schiff ins Lager bereits über selbstfahrende Transportfahrzeuge, sogenannte Automatic Guided Vehicles (AGV), erfolgt. Am CTB werden dafür aktuell noch Van-Carrier eingesetzt, die von Hafenarbeitern bedient werden.

Scharfe Auseinandersetzungen mit Arbeitnehmern drohen

Schon drohen den beiden Terminalbetreibern scharfe Auseinandersetzungen mit ihren Arbeitnehmern. Eine geplante Großdemo musste wegen der Corona-Beschränkungen abgesagt werden. Doch die Stimmung ist schlecht. Eine kleine Tarifauseinandersetzung mit Handwerkern an den Containerterminals Burchardkai und Altenwerder hat bereits zu Warnstreiks und kurzfristigen Betriebsschließungen geführt.

Der Konzernbetriebsrat der HHLA, Norbert Paulsen, hat bereits angekündigt, dass es zu harten Arbeitskämpfen kommen könnte. „Es geht darum, dass hier viele Arbeitsplätze im Hafen dauerhaft wegfallen werden. Sie sollen einfach verschwinden. Wir lassen uns aber nicht aus dem Hafen drängen.“ Bei all diesen Problemen, mit denen die Hafenbetriebe derzeit kämpfen, gibt es auch noch eine gegen sie laufende Entwicklung, die sie nicht direkt beeinflussen können: den Wandel der weltweiten Handelsströme.

Änderungen im Seegüterverkehr

Globale Handelskonflikte und protektionistische Tendenzen, aber auch Verschiebungen im Konsum und der internationalen Arbeitsteilung führen zu Änderungen im Seegüterverkehr. Noch vor 50 Jahren bestimmten die Handelstransporte zwischen Europa, den USA und Japan die Weltmeere. Eine aktuelle Auflistung der 20 weltgrößten Häfen zeigt auf, wo heute die Musik spielt: 14 liegen in Asien, acht davon in China und zwei in Malaysia. Europa ist dreimal vertreten, die USA zweimal. Japan ist gar nicht mehr dabei.

Es könnte sogar passieren, dass Hamburg in nicht allzu ferner Zukunft noch weiter von den Warenströmen abgekoppelt wird: „Hamburg droht ins Hintertreffen zu geraten, weil bei den Reedern Überlegungen bestehen, die großen Containerschiffe aus Asien gar nicht mehr so weit in den Norden hochfahren zu lassen, sondern bereits im Mittelmeer abzufertigen. Hamburg würde damit seine Hub-Funktion an Häfen wie Tanger und Piräus verlieren, die derzeit schon extrem stark wachsen“, sagt Logistik-Professor Ninnemann.

Nord-Ostsee-Kanal wird zum Nadelöhr

Ein Blick zurück nach Kopenhagen: Als Ende des 19. Jahrhunderts der Nord-Ostsee-Kanal eröffnet wurde, bedeutete das gleichzeitig den Niedergang des dänischen Hafens, weil die Schiffe nun direkt ihre Waren ins Baltikum transportieren konnten und nicht mehr um das gefährliche Skagerrak und den engen Öresundkanal fahren mussten. Ein Hafen, der von diesem Kanal massiv profitierte, war Hamburg, das nun zum bevorzugten Umladeplatz für alle Waren mit dem Ziel Ostsee wurde.

Heute schlägt das Pendel wieder in die andere Richtung: Für die immer größeren Schiffe wird der Nord-Ostsee-Kanal zum Nadelöhr. Die Containerschifffahrt und das infrastrukturelle Aufrüsten einiger Ostseehäfen wie Danzig und St. Petersburg führen dazu, dass Hamburg als Verteil-Hafen für die Ostsee auf erstarkende Wettbewerber trifft, wie die Handelskammer in ihrem vor Kurzem vorgestellten Hafenpapier bilanziert. Heute fahren nicht mehr nur von Hamburg und anderen Nordseehäfen beladene Feederschiffe in die Ostsee, sondern auch große Containerschiffe direkt von den weltweiten Hauptrouten. Wegen der langen Revierfahrt auf der tideabhängigen Elbe geht Hamburg immer öfter leer aus.

Hamburg verliert Bedeutung für Weitertransporte nach Polen

Das Containerschiff „Cosco Shipping Galaxy“ beim Beladen im britischen Hafen Felixstowe.
Das Containerschiff „Cosco Shipping Galaxy“ beim Beladen im britischen Hafen Felixstowe. © picture alliance / DPR

Zudem schwindet Hamburgs herausragende Bedeutung für den Weitertransport von Waren ins östliche Hinterland, etwa nach Polen und Tschechien. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs war der Hamburger Hafen in die Mitte gerückt und hatte gerade wegen dieser Verbindungen rasant zugelegt. Die Versorgung dieser Märkte wird den Hamburgern aber inzwischen von anderen Häfen streitig gemacht. Hamburg tue sich schwer damit, die Schwachstellen zu analysieren und Konsequenzen daraus zu ziehen, sagt Schiffsmakler Geisler. „Andere Standorte sind da schneller.“

Dabei erweist sich insbesondere die enge Kooperation von Reedern und Terminalbetreibern in Konglomeraten als Erfolgsmodell, weil es im wirtschaftlichen Interesse der Reedereien liegt, bestimmte Terminals anzulaufen, an denen sie dann auch bevorzugt abgefertigt werden.

Keine Steuererleichterungen für Reedereien in Deutschland

„Rotterdam und Antwerpen haben das auch erkannt. Vor diesem Hintergrund muss man sich die Frage stellen, ob es noch der richtige Weg ist, die HHLA als neutralen Einzelplayer im Hamburger Hafen zu erhalten“, warnt Logistikprofessor Ninnemann. „Ich glaube, das ist überholt. Die HHLA könnte in fünf bis zehn Jahren ganz anders aussehen als heute. Hinzu kommt, dass die Reedereien bei Beteiligungen in den europäischen Häfen Steuererleichterungen geltend machen können. Nur in Deutschland gilt das nicht. Das ist ein erheblicher Wettbewerbsnachteil.“

Noch ist Hamburgs Hafen nicht verloren. Hamburg sei nach wie vor ein globaler Hotspot für die Containerschifffahrt, sagt Schiffsmakler Geisler. Etwa 40 Prozent der globalen Containertrampflotte werden von Hamburg aus bereedert beziehungsweise befrachtet. „Daher genießen die Hamburger Makler auch eine besondere Wertschätzung für ihr Know-how, insbesondere in der Containerbranche.“

Gute Marktchancen für den Hafen

Die tiefe Lage im Hinterland und die sehr gute Anbindung an die Schiene bieten sehr gute Marktchancen für den Hafen. Nun gelte es, durch Digitalisierung und Automatisierung die Produktivität zu erhöhen, insbesondere mit den Linienreedereien gleichzuziehen. „Hamburgs Vorteil ist, dass die Rolle der Automatisierung und Digitalisierung früh erkannt wurde“, bilanziert Geisler.

Dennoch gibt es Stimmen, die insgesamt skeptischer sind, wie der Wirtschaftsprofessor Henning Vöpel, Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI). Er prognostiziert in einem Gutachten für den Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND), dass eine längere Phase der De-Globalisierung das Umschlagswachstum des Hamburger Hafens generell dämpfen wird.

Handel wächst weniger schnell als Weltwirtschaft

„Galt in der großen Wachstums- und Integrationsphase Chinas die Daumenregel ,Ein Prozent Wachstum der Weltwirtschaft bedeutet zwei Prozent Zunahme des Welthandels’, so geht die Elastizität auf eins zurück, das heißt, beide Größen wachsen gleich schnell, der Handel zuletzt sogar weniger schnell als die Weltwirtschaft. Hinzu kommt, dass sich das weltwirtschaftliche Wachstum in den kommenden Jahren verringern wird. Einige sprechen sogar von einer sogenannten säkularen Stagnation, die durch die aktuelle Corona-Krise noch wahrscheinlicher werden könnte“, schreibt Vöpel.

Auch das Wachstum im Welthandel werde sich räumlich anders verteilen. „Profitierten Deutschland und Europa vom China-Handel noch überproportional, so könnten sich nicht zuletzt wegen des Strategie-Wechsels Chinas die Handelsströme in Zukunft verschieben.“ Damit sei der Peak in der „Container-Globalisierung“ womöglich heute schon erreicht.

Westhagemann: Politik hat Strukturwandel erkannt

Wirtschaftssenator Michael Westhagemann am Tollerort Terminal.
Wirtschaftssenator Michael Westhagemann am Tollerort Terminal. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Laut Wirtschaftssenator Michael Westhagemann hat die Politik den Strukturwandel erkannt und beginnt gegenzusteuern. Er plädiert für drei notwendige Schritte, um den Hafen fit für die Zukunft zu machen. „Erstens ist es von entscheidender Bedeutung, dass es uns gelingt, beim Thema Wasserstoff schnell die nötige Infrastruktur und weitere Voraussetzungen zu schaffen. Es ist wichtig, die bestehende Industrie mit einzubeziehen, damit sich bereits früh Pioniere und Anwender auf diesem Gebiet im Hamburger Hafen ansiedeln. Wir haben hier große Chancen, Impulse für die Industrie in ganz Norddeutschland zu geben. Diese Chance sollten wir nicht verstreichen lassen. Mit den Plänen für den ehemaligen Kraftwerkstandort Moorburg und dem dafür gegründeten Konsortium mit Privatunternehmen befinden wir uns bereits auf einem guten Weg.“

Zweitens müsse es gelingen, die Substanz der Verkehrswege zu erhalten und fit für die Zukunft zu machen. Das betreffe natürlich auch die Großprojekte neue Köhlbrandquerung und A 26-Ost. „Drittens sind wir uns der enormen Herausforderung der Digitalisierung bewusst. Diese zu bewältigen kann nur gelingen, wenn wir die Menschen mitnehmen und gezielt in Wissen und Kompetenzen der Beschäftigten im Hafen investieren. Das ist zugleich eine wesentliche Voraussetzung, damit innovative Unternehmen und Start-ups nach Hamburg ziehen.“ Die drei Themenstränge will Westhagemann in den neuen Hafenentwicklungsplan einarbeiten, der Ende dieses Jahres fertiggestellt und Anfang 2022 der Bürgerschaft vorgelegt werden soll.

Geld für Hafenausbau sollte in neue Technologien fließen

Auch Vöpel plädiert für eine rasche Fertigstellung eines Hafenentwicklungsplans, der dem Treiben an den Kaikanten neue Ziele setzt. Doch er ist in seiner Forderung radikaler. Er sagt, dass die Milliarden, die Hamburg in den Hafenausbau investiert, besser in die Weiterentwicklung neuer Technologien gesteckt werden sollten.

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„Viel ist die Rede davon, dass der Hafen ökologischer, digitaler und innovativer werden müsse. Das allein ist jedoch nicht genug, sofern und insoweit sich das auf bestehende Strukturen und Geschäftsmodelle bezieht. Höhere Wertschöpfung, Produktivität und Beschäftigung werden sich nur durch grundlegend neue Geschäftsmodelle und Entwicklungspfade einstellen. Eine grundlegendere Neuausrichtung des Hafens könnte dazu führen, dem Wettbewerb nicht hinterherzulaufen, indem komparative Kostennachteile durch hohe Infrastrukturinvestitionen ausgeglichen werden, sondern komparative Kostenvorteile strategisch zu entwickeln.“

Diskussionen über Zukunft des Hamburger Hafens

Der Hamburger Hafen steht also an einem Scheideweg. Die Diskussion über seine Zukunft hat begonnen. Möglicherweise werden sich in Zukunft dort weniger Kräne drehen, stattdessen könnte auf anderen Wegen Wertschöpfung erzielt werden. Aber eins zeichnet sich dabei immerhin ab: Ein reiner Museumshafen, in dem man nur noch alte Schiffe wie die „Peking“ oder die „Cap San Diego“ sehen kann, wird Hamburg auch in 50 Jahren noch nicht sein.