Hamburg. Elektrische Kräne übernehmen Arbeiten auf Burchardkai. Van Carrier werden überflüssig. Was sich die HHLA davon verspricht.
Ein Container wurde gerade von einem Schiff entladen und steht nun vor dem Lager des Terminals Burchardkai (CTB). Ein Portalkran namens 23L saust auf Schienen heran, schnappt sich die Box und setzt sie schnell im Lager ab, weil vorne schon der nächste Container wartet. Dabei überquert der Kran seinen kleineren Zwillingsbruder 23W, der ebenfalls eine Alukiste am Haken hat. Weltweit einmalig ist das. Schnell geht es hin und her.
Am Burchardkai wird automatisch gearbeitet. Fertig. Nächster Stapel
Die zwei sind professionelle Hochstapler. Erst kommt eine grüne Box, darauf eine rote, eine graue, noch eine grüne und der orange Container von Hapag-Lloyd. Fertig. Nächster Stapel. Bis zu sechs Boxen stapeln die insgesamt drei Kräne, die im Lagerblock 23 arbeiten, ihre Container hoch. Alles geschieht vollautomatisch. Menschen haben hier nichts verloren.
Ganz neu ist Lagerblock 23; einer von vieren, den der Containerterminal Burchardkai (CTB) an diesem Donnerstag in Betrieb nimmt. Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) modernisiert ihr ältestes und größtes Terminal und steigt in die Automatisierung ein. Der Schritt ist zwingend notwendig, wenn der Hamburger Hafen im internationalen Wettbewerb weiter mitspielen will.
Hamburger Hafen: Lager am Burchardkai wird automatisiert
Automatisierung des Umschlagsgeschäfts ist der Wandel, den alle Häfen im digitalen Zeitalter durchlaufen müssen, sonst werden sie abgehängt. Wer auf automatische Umschlaganlagen setzt, ist schneller und kostengünstiger als andere – die HHLA droht bei diesem Wettrennen gegenüber ihren Konkurrenten Rotterdam und Antwerpen ins Hintertreffen zu geraten.
Die vier neuen Lagerblöcke, die im Laufe der ersten Jahreshälfte 2023 schrittweise in Betrieb genommen wurden, ergänzen das elektrische Containerlager am CTB um zusätzliche 8500 Standardcontainer (TEU). Insgesamt verfügt das automatisierte Containerlager am CTB damit über eine Kapazität von knapp 39.000 TEU in insgesamt 19 Lagerblöcken. Dicht an dicht.
HHLA setzt auf selbstfahrende Containertransportwagen
Bisher mussten dieselbetriebene Containerhubwagen – so genannte Van Carrier – die Container einzeln aufeinanderstellen. Dazu benötigten sie Platz zum Manövrieren und Zeit. Heute werden die Van Carrier nur noch gebraucht, um die Boxen von der Kaikante zum Lagereingang zu bringen. Der Rest geschieht automatisch. Doch auch der Transport vom Schiff bis zum Lager soll automatisiert werden: Ab Mitte 2024 will die HHLA schrittweise neue selbstfahrende Containertransportwagen einsetzen, wie sie bereits am Containerterminal Altenwerder in Betrieb sind. Auch sie werden wie die Kräne elektrisch betrieben. Die alten Van Carrier, von denen der Burchardkai rund 100 besitzt, werden zunehmend überflüssig.
Es ist der dritte große Wandel, den der Hafen vollzieht: Vor längerer Zeit wurden Schiffe noch ausschließlich mit Muskelkraft be- und entladen. Als die Städte wuchsen und damit der Hunger nach Waren zunahm, wurden Kräne mit Seilwinden eingesetzt. Später während der Industrialisierung nutzte man Dampfantrieb, um die Seegüter an Land zu stapeln. Vor bald 150 Jahren wurde der weltweit erste Hafenkran elektrifiziert am für den Kolonialhandel mit Afrika wichtigen Peterskai in der heutigen HafenCity.
Automatisierung am Burchardkai: Hafenarbeiter müssen umschulen
Der zweite große Wandel fand mit der Globalisierung und der Containerisierung statt, die das Gesicht der Häfen veränderten und den Umschlag massiv beschleunigten. Das CTB stammt aus den 1960er-Jahren. Die Umschlagstechnik im Grunde auch. Aber jetzt vollzieht sich mit Bytes und Mikrochips der dritte Umbruch. Lernende Maschinen vollziehen die Hafenarbeit. „Die Flächeneffizienz auf dem Terminal wächst um das Eineinhalbfache“, sagt Ingo Witte, Geschäftsführer des CTB, der die Inbetriebnahme überwacht. „Und die Produktivität steigt deutlich.“
Und was wird aus den Hafenarbeitern? Gut 1000 arbeiten am Burchardkai. Je nach Schiffsaufkommen 50 bis 100 Van-Carrier-Fahrer pro Schicht. Verlieren sie ihren Arbeitsplatz? „Nein“, sagt die HHLA, „sie bekommen andere Tätigkeiten“. „Viele Van-Carrier-Fahrer haben eine Mehrfachausbildung, können beispielsweise auch als Containerbrückenfahrer eingesetzt werden“, sagt Witte. Dazu gebe es umfangreiche Umschulungsprogramme. So genannte Zukunftslotsen sollen die Hafenarbeiter auf die Arbeit von morgen vorbereiten – etwa in der Logistik mit Drohnen.
1,25 Millionen Arbeitsstunden jährlich müssen abgebaut werden
Das reicht aber nicht, um auskömmlich zu wirtschaften, wie HHLA-Personalvorstand Toben Seebold weiß. Er hat einmal die Zahl von 1,25 Millionen Arbeitsstunden pro Jahr genannt, die künftig wegfallen werden. Deshalb gibt es bei der HHLA auch Altersteilzeitprogramme. Betriebsbedingt kündigen will die HHLA nicht.
Daran mag an diesem Freudentag der Inbetriebnahme der neuen Lagerblöcke ohnehin niemand denken. Die Umstellung der Technik kostet eine mittlere zweistellige Millionensumme und wird von der Umweltbehörde mit zehn Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gefördert. Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) hat das Geld in Brüssel locker gemacht. Eigentlich war es dafür gedacht, die Wirtschaft nach der Corona-Pandemie wieder anzukurbeln.
Jens Kerstan fördert Automatisierung mit zehn Millionen Euro
Jetzt widmet es der Senator dem Klimaschutz. Denn mit der Automatisierung geht die Elektrifizierung einher: „Mit der Inbetriebnahme des Lagerkransystems haben wir einen Meilenstein auf dem Weg zur Dekarbonisierung des Containerterminals Burchardkai erreicht“, sagt der Senator bei dem Besuch des Lagersystems am CTB. „Dieses Projekt spart jährlich knapp fünfeinhalb Millionen Liter Diesel und 11.200 Tonnen CO2 ein.“
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„Durch den Einsatz neuer Technologien können wir den Prozess auf unserem größten und ältesten Containerterminal vollständig elektrifizieren und die Effizienz steigern“, sagt HHLA-Betriebsvorstand Jens Hansen, der von Kerstan den Förderscheck in Empfang nimmt. Er weiß: die Summe ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. Jedes Jahr muss die HHLA in ihre drei Containerterminals dreistellige Millionenbeträge investieren, um mit der Digitalisierung voranzukommen.
Im Hafen werden Container automatisch gestapelt – das ist nur der erste Schritt
Der nächste Schritt wäre dann die Automatisierung der Containerbrücken, die heute noch von Menschen bedient werden. An den neuesten Containerterminals in Rotterdam ist das nicht mehr der Fall. Hier sitzen die Brückenfahrer in einem gläsernen Turm abseits der Kaikante vor Bildschirmen und steuern per Joystick zwei bis drei Kräne und deren Entladevorgänge gleichzeitig.
Auch das wird am Ende auf die HHLA zukommen. Der Wandel schreitet schnell voran.