Hamburg. Protoyp des Cityairbusses ist realisiert. Wo, wann und für welche Zwecke das Lufttaxi zukünftig zum Einsatz kommen soll.
Im Dezember herrscht für die Airbus-Mitarbeiter in Hamburg traditionell Hochbetrieb. Die Flugzeuge müssen spätestens Silvester an die Kunden ausgeliefert werden, um das für die Finanzwelt wichtige Jahresziel zu erreichen. Da ist viel zu tun. Knapp 700 Kilometer weiter südlich in Donauwörth stand derweil ein Meilenstein an, der bisher unbemerkt von der Öffentlichkeit passierte. Die Beschäftigten der dort angesiedelten Helikoptersparte feierten eine Premiere beim neuen Lufttaxi.
„Wir hatten uns für 2023 ein ambitioniertes Ziel gesetzt“, sagt Balkiz Sarihan im Gespräch mit unserer Redaktion. Sie leitet beim DAX-Konzern den Bereich Urban Air Mobility, ist also für den Luftverkehr in und über Städten zuständig. „Vor Weihnachten sollte der Zusammenbau des ersten Cityairbusses NextGen fertig sein“, so Sarihan. „Die Systeme sollten einmal eingeschaltet werden und die Propeller sich drehen. Das haben wir geschafft.“
Airbus-Lufttaxi: Der Prototyp ist fertig gebaut – auch Hyundai tüftelt an Idee
Für viele Menschen haben Lufttaxis immer noch etwas von Science-Fiction. In dem Filmklassiker „Das fünfte Element“ kreuzen solche Vehikel auf verschiedenen vertikalen Ebenen zwischen den Wolkenkratzern.
Ein Massentransportmittel – wie der zweite Teil des Wortes „Lufttaxi“ suggeriert – werden die Fluggeräte nach heutiger Mehrheitseinschätzung in der Branche wohl nicht werden. Aber neben einer Reihe von Start-ups wie den deutschen Unternehmen Volocopter und Liliium treiben auch Autohersteller entsprechende Pläne voran. Auf der Technikmesse in Las Vegas Anfang Januar stellte Hyundai sein Lufttaxi vor.
Airbus erstes Lufttaxi machte 2019 den ersten Hüpfer
Airbus ist seit Jahren in dem Markt aktiv. Eine erste Version machte Ende 2019 angeleint an Stahlseilen über den Kufen seinen ersten Hüpfer. Ein paar Wochen später flog es dann ohne Sicherheitsleine in geringer Höhe.
Im Herbst 2021 wurde allerdings ein komplett überarbeitetes Design vorgestellt, der Cityairbus NextGen – also die nächste Generation. Sie soll vier Personen Platz bieten. Die Reisegeschwindigkeit soll bei 120 Kilometern pro Stunde liegen, die Reichweite bei 80 Kilometern, geflogen wird in rund 150 bis gut 450 Metern. Das Abfluggewicht soll inklusive vier Personen an Bord bei maximal 2,2 Tonnen liegen.
Der Cityairbus NextGen soll CO2-neutral fliegen können
Das senkrecht startende und landende Fluggerät wird durch acht kleine, starre Propeller in die Luft gehievt. Die Kraft dafür stammt aus einer Batterie. Falls diese ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Quellen aufgeladen wird, würde der Cityairbus CO2-neutral fliegen können. Wegen dieser Eigenschaften werden die Fluggeräte in der Branche eVTOLs (electric Vertical Take-off and Landing aircraft) genannt.
Das Fliegen soll deutlich leiser als bei Helikoptern sein. Angestrebt werden bei Start und Landung maximal 70 Dezibel. Das entspricht etwa der Lautstärke eines Staubsaugers. Fürs Abheben und Aufsetzen können vorhandene Hubschrauberlandeplätze und Flughäfen genutzt werden.
Cityairbus wird erstmals später abheben als geplant
Um neue Vertiports – also Plätze, an denen die Lufttaxis senkrecht starten und landen können, Passagiere ein- und aussteigen und gegebenenfalls die Batterien geladen werden – zu erreichen, sind gut 20 Meter Radius und ein Luftraum darüber ohne Hindernisse notwendig.
„Unser Ziel für 2024 ist es, den Cityairbus NextGen erstmals abheben zu lassen“, sagt Sarihan. Irgendwann in der zweiten Jahreshälfte solle es so weit sein. Ursprünglich waren auch schon einmal Ende 2023 und Anfang 2024 dafür genannt worden. Der Premierenflug verschiebt sich also um einige Monate.
Airbus-Lufttaxi: Es müssen noch „Herausforderungen gemeistert“ werden
Das ist allerdings in der Branche eine häufig vorkommende Entwicklung und geschieht auch bei neuen Flugzeugtypen immer wieder. Sarihan gibt zu bedenken, dass bei diesem Fluggerät alles neu ist. Ein komplett neu entworfenes Fluggerät wird mit einer neuen Antriebstechnologie ausgestattet. „Wir haben keine Eile“, sagt die Airbus-Managerin. „Nachdem das Fluggerät erstmals eingeschaltet wurde, sind noch eine Menge Schritte zu erledigen, bevor es in die Luft gehen kann.“
In Donauwörth wurde für das Lufttaxi extra ein neues Testzentrum gebaut. In Bodentests wird dort zunächst der einzige Prototyp auf Herz und Nieren gecheckt. Laufen die Motoren schon rund? „Wie bei jeder neuen Entwicklung müssen wir noch viele Herausforderungen meistern und viel lernen“, sagt Sarihan. Parallel dazu werden einzelne größere Technikeinheiten getestet, ob sie als Subsystem funktionieren. Der Bau eines zweiten Prototyps ist derzeit nicht geplant.
Airbus-Lufttaxi soll zunächst unbemannt abheben
Wenn die Bodentests erfolgreich abgeschlossen sind, soll es in die Luft gehen – vermutlich erneut wie beim Vorgänger durch Stahlseile gesichert. „Der erste Flug wird unbemannt erfolgen und von einer Kontrollstation gesteuert werden“, sagt Sarihan.
Zwar soll der Cityairbus grundsätzlich autonom fliegen können. Auf dem Markt wolle man ihn allerdings pilotengesteuert anbieten. „Um das Vertrauen der Bevölkerung in das Produkt zu gewinnen, ist das Vorhandensein eines Piloten wichtig“, sagt Sarihan und ergänzt: „Auf absehbare Zeit wird ein Pilot an Bord sein.“
Airbus gründete für das Projekt viele Partnerschaften
Airbus hat mehr als 30 Partner um sich geschart. In Deutschland gründete Airbus im Mai 2022 die Air-Mobility-Initiative. Mit der Deutschen Flugsicherung und der Deutschen Telekom soll im Bereich Luftverkehrsmanagement der effiziente und sichere Flug des eVTOL gewährleistet werden.
Die Technische Universität Hamburg beschäftigt sich mit der Simulation der notwendigen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen, um Lufttaxis in einem städtischen Verkehrssystem zu integrieren und zu betreiben. Der Münchner Flughafen und die Deutsche Bahn sollen helfen, das Verkehrssystem in die Stadt- und Flughafenstruktur zu integrieren sowie die intermodale Anbindung voranzubringen.
Cityairbus: Eine erste Route könnte von Manching nach Ingolstadt führen
Zwar wird es noch eine Weile dauern, bis der Cityairbus das erste Mal in voller Größe fliegen wird. Aber an einer Strecke wird schon getüftelt. „Wir planen derzeit, eine Optimierung der Route von Manching nach Ingolstadt für unsere Air Mobility Initiative. Das dürften die beiden Gebiete sein, in denen wir den Cityairbus an den Start bringen werden.“
Mit der norwegischen Luftrettung wird seit rund einem Jahr kooperiert. Sie setzt bisher Airbus-Helikopter ein. Die Originaldaten ihrer Einsätze werden genutzt, um typische Routen und Einsatzgebiete unter Berücksichtigung der landestypischen Topografie zu identifizieren. Zudem wird besprochen, wie das Kabinendesign ideal ist, welche Ausstattung an Bord und welche Leistungen vonnöten sind.
Cityairbus soll bei medizinischen Dienstleistungen aus der Luft helfen
„Wir entwickeln hier ein Fluggerät Hand in Hand mit den Betreibern und mit den Menschen, die es benutzen werden, sowie mit den Ingenieuren, die die Technologie entwickeln“, sagt Sarihan und ergänzt: „Medizinische Dienstleistungen aus der Luft sind für den Cityairbus NextGen eine der interessantesten Anwendungsbereiche, auf die wir uns konzentrieren.“
Auch mit dem estnischen Staat wird kooperiert, um das Rettungs- und Gesundheitssystem zu verbessern. Die kleine Baltenrepublik hat relativ viel Wald und mehr als 2000 Inseln, sodass die Regionen teils schwer zugänglich sind. Analysiert wird nun: Wo kommen Notrufe herein? Wie werden sie verarbeitet? Wie erfolgt die Entscheidungsfindung, ob ein Krankenwagen, ein Hubschrauber oder eine Drohne eingesetzt wird?
Airbus will mit seinem Lufttaxi noch in diesem Jahrzehnt in den Markt
Mit dem japanischen Hubschrauberbetreiber Hiratagakuen und der italienischen Fluglinie ITA Airways wird über künftige mögliche Luftmobilitätsdienste nachgedacht. Denn neben dem Rettungsdienst gelten auch der Ökotourismus (wegen der Emissionsfreiheit) und Shuttleservices als künftige Anwendungsfelder. Bis zu regelmäßig stattfindenden Punkt-zu-Punkt-Taxiverkehren zum Beispiel von der City zum Flughafen wird es aber noch dauern.
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Bei der Kundenakquise will man auf das Vertriebsnetz von Airbus zurückgreifen, schließlich ist der DAX-Konzern in 150 Ländern aktiv. Stand heute ist allerdings noch offen, in welchem Land die ersten (kommerziellen) Routen mit dem Cityairbus NextGen geflogen werden sollen. Einen groben Zeitplan für die Übergabe des ersten Airbus-Lufttaxis an den ersten Nutzer gebe es allerdings, so Sarihan: „In der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts soll der Eintritt in den Markt erfolgen.“