Hamburg. Das elektrisch angetriebenes Fluggerät könnte Anfang 2024 erstmals abheben. Dafür wird mit skandinavischen Ländern zusammengearbeitet.
Airbus treibt die Entwicklung seines Lufttaxis kräftig voran. Im Hubschrauberwerk in Donauwörth habe der Zusammenbau des Cityairbusses NextGen begonnen, sagte Unternehmenssprecher Gregor von Kursell auf Anfrage unserer Redaktion. Zudem wird an dem Standort ein Testzentrum mit insgesamt rund 1000 Quadratmeter Grundfläche gebaut, das voraussichtlich schon im Oktober eingeweiht werden soll.
Dort sollen später erste Bodentests stattfinden. Für Anfang nächsten Jahres seien erste Lufttests geplant. Diese werden wie schon beim Vorgängermodell auf dem benachbarten Flugplatz Ingolstadt-Manching stattfinden und reichen vom ersten „Hüpfer“ bis zum umfassenden Flugtestprogramm.
Cityairbus soll vier Personen Platz bieten
Der Cityairbus NextGen, dessen Namenszusatz für die nächste Generation steht, soll vier Personen Platz bieten und autonom fliegen können. Aus Sicherheitsgründen wird anfangs ein Pilot an Bord sein. Die Reisegeschwindigkeit soll bei 120 Kilometern pro Stunde liegen, die Reichweite nach jetzigem Stand bei 80 Kilometern. Die Reisehöhe wird mit rund 150 bis gut 450 Metern angegeben. Das senkrecht startende und landende Fluggerät wird durch acht kleine, starre Propeller in die Luft gehievt. Die Kraft dafür stammt aus einer Batterie. Falls diese ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Quellen aufgeladen wird, würde der Cityairbus CO2-neutral fliegen.
Airbus entwickelt mit verschiedenen Partnern nun potenzielle Einsatzfelder für das Fluggerät. Vor Kurzem gab der im Deutschen Aktienindex (DAX) notierte Konzern die Kooperation mit der norwegischen Luftrettung bekannt, der Norwegian Air Ambulance Foundation. Sie betreibt eine gemischte Flotte der Airbus-Helikopter H135 und H145. Medizinische Missionen gelten als eine wichtige Anwendungsmöglichkeit für die Lufttaxis der Zukunft, die in der Branche aufgrund ihrer Eigenschaften lieber eVTOLs (electric Vertical Take-Off and Landing aircraft) genannt werden. Im Rettungsdienst blieben Hubschrauber allerdings auch weiterhin unerlässlich, sagte Professor Hans-Morten Lossius, Generalsekretär der Norwegian Air Ambulance Foundation. Aber eVTOLs könnten zusätzliche Fähigkeiten bieten, „beispielsweise durch den Transport von Fachärzten zu Unfallorten oder Organen von einem medizinischen Standort zum anderen“.
Zusammenarbeit mit norwegischer Luftrettung
„Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit der Norwegian Air Ambulance Foundation als strategischem Partner, um die Missionen weiterzuentwickeln, bei denen die Fähigkeiten unseres eVTOL einen Beitrag leisten, um Bürger zu schützen und sicherzustellen, dass sie einen Zugang zu einer effektiven Gesundheitsversorgung in Norwegen erhalten“, sagte Airbus-Managerin Balkiz Sarihan, die als Head of Urban Air Mobility für das Programm zuständig ist.
In Norwegen wolle man nun einer Reihe von Fragen nachgehen, so von Kursell: Was sind typische Strecken? Wie können Rettungsmissionen aussehen? Welche Bedürfnisse an das Fluggerät haben potenzielle Betreiber? Diese könnten dann in die Konfiguration und das Design des Cityairbusses eingearbeitet werden. Die Kooperation ist also sehr auf das Fluggerät ausgelegt.
Einsatz der Technologie in wenig belebten Gegenden?
Anfang Dezember verkündete Airbus zudem eine Zusammenarbeit mit Estland. In der kleinen Baltenrepublik geht es mehr darum, wie man das Rettungs- und Gesundheitssystem insgesamt verbessern kann. Wo kommen Notrufe herein? Wie werden sie verarbeitet? Wie erfolgt die Entscheidungsfindung, ob ein Krankenwagen, ein Hubschrauber oder eine Drohne eingesetzt werden? Es geht also um den Einsatz moderner Technologien, um das Gesundheitssystem insgesamt in dem zwar kleinen Land zu verbessern, das aber mit vergleichsweise viel Wald und mehr als 2000 Inseln teils schwer zugänglichen Regionen hat. Ende März soll das Projekt mit einer Veranstaltung mit Regierungsvertretern losgehen.
Dabei dürften auch weitere Vorteile des Cityairbusses noch einmal hervorgehoben werden: Die Kosten pro Flugstunde sind im Vergleich zum Helikopter niedriger. Er ist auch deutlich leiser – angestrebt werden bei Start und Landung nach dem jetzigen technologischen Stand maximal 70 Dezibel. Das entspricht etwa der Lautstärke eines Staubsaugers. Insbesondere beim Einsatz in Städten und Krankenhäusern ist das für Anwohner und Patienten von Vorteil. Allerdings kann er auch nicht so viel wie ein Hubschrauber. So seien beispielsweise Lösch- und Bergrettungseinsätze mit Seilwinden zumindest derzeit noch nicht denkbar, so von Kursell.
Der DAX-Konzern kooperiert im Ausland zudem mit dem japanischen Hubschrauberbetreiber Hiratagakuen und der zwei Jahre alten neuen italienischen Fluglinie ITA Airways, um künftige mögliche Luftmobilitätsdienste zu identifizieren. Denn neben dem Rettungsdienst werden weitere Anwendungsfelder für Lufttaxis im Ökotourismus (wegen der Emissionsfreiheit) und in Shuttleservices gesehen. Irgendwann einmal könnte es regelmäßig stattfindende Punkt-zu-Punkt-Taxiverkehre geben, um zum Beispiel vom Flughafen in die Innenstadt zu kommen, sagte Airbus-Managerin Sarihan Anfang Dezember und ergänzte: „Das wird noch nicht morgen der Fall sein.“
TU Hamburg ist bei Entwicklung involviert
In Deutschland gründete Airbus im vergangenen Mai die Air-Mobility-Initiative. Zusammen mit Partnern wie der Deutschen Flugsicherung und der Deutschen Telekom soll im Bereich Luftverkehrsmanagement der effiziente und sichere Flug des rund zwei Tonnen schweren Vehikels gewährleistet werden. Auch die Technische Universität Hamburg ist involviert und soll sich mit der Simulation der notwendigen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen beschäftigen, um Lufttaxis in einem städtischen Verkehrssystem zu integrieren und zu betreiben. In Kooperation mit dem Münchner Flughafen und der Deutschen Bahn soll die Eingliederung in die Stadt- und Flughafenstruktur sowie die intermodale Anbindung vorangebracht werden.
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Grundsätzlich passt der Cityairbus NextGen gut in die von Vorstandschef Guillaume Faury vorgegebene Dekarbonisierungsstrategie. Er soll das erste vollelektrische Produkt sein, das der Luft- und Raumfahrtkonzern in den Markt schickt. Bis es tatsächlich so weit ist, dürfte es allerdings noch etwas dauern. Der Zertifizierungsprozess könne früheren Angaben nach womöglich in zwei Jahren erfolgen. Der Markteintritt sei aber erst für die zweite Hälfte des Jahrzehnts geplant, sagte von Kursell. Neben der Nachfrage hänge dies auch von der Schnelligkeit der Zulassung durch die europäische Luftaufsichtsbehörde EASA ab.