Hamburg. Christian Kunsch über Langstreckenflüge ab Hamburg, schnellere Sicherheitskontrollen und Schadenersatz gegen die Letzte Generation.
18 Jahre lang war die Bezeichnung Hamburgs Flughafen-Chef untrennbar mit dem Namen Michael Eggenschwiler verbunden. Seit Januar ist das mit dem Eintreten des Schweizers in den Ruhestand Geschichte. Hamburgs neuer Flughafen-Chef heißt Christian Kunsch, ist 50 Jahre alt, bereits seit 2019 in der Geschäftsführung und wird ab April von Berit Schmitz dort unterstützt.
Kunsch empfängt unsere Redaktion zu seinem ersten Interview im neuen Amt in seinem alten Büro. Auf einen Umzug in das größere Büro seines Vorgängers verzichtete der Betriebswirt, auf seine geliebte Tasse Kaffee nicht. Rund eine Stunde spricht er über neue Strecken vom Flughafen Hamburg,Schadenersatzforderungen gegen die Klimaaktivisten der Letzten Generation und den Geiselnehmer sowie die Wartezeiten an der Sicherheitskontrolle.
Herr Kunsch, für Schlagzeilen sorgte immer wieder die Sicherheitskontrolle mit Wartezeiten von mitunter auch mal 90 Minuten. CT-Scanner sollen den Ablauf deutlich schneller machen. Wann werden Sie an allen 18 Spuren diese Geräte haben?
Christian Kunsch: Der erste ist seit Ende 2023 in Betrieb, der zweite ist aufgebaut und muss nur noch abgenommen werden. Zwei weitere werden gerade aufgebaut. Nach Ostern sollen die nächsten beiden Geräte kommen. Im Mai werden wir sechs CT-Scanner im Betrieb haben. Wir sind nach Frankfurt und München dann der deutsche Flughafen, der die meisten CT-Scanner hat. Die Passagiere müssen ihr Handgepäck an diesen Spuren nicht mehr auspacken, können Wasserflaschen in den Sicherheitsbereich mitnehmen.
Was bedeutet das für die Passagiere?
Im Vergleich zu den traditionellen Geräten können wir deutlich mehr Fluggäste kontrollieren. Allerdings haben Passagiere erst dann eine Garantie, ihre Wasserflaschen mitzunehmen, wenn an allen 18 Spuren CT-Scanner stehen. Wann das so weit ist, ist derzeit nicht absehbar. Unsere Befürchtung ist, dass durch die Kürzungen im Bundeshaushalt keine weiteren Geräte vom Bund bestellt werden können. Unsere Forderung ist aber, so schnell wie möglich an allen Spuren CT-Scanner zu haben. Daher würden wir als Flughafen gern die Vorfinanzierung übernehmen – das werden wir zusammen mit anderen Flughäfen in Berlin vortragen.
Wie viel Zeit sollten Passagiere an der Sicherheitskontrolle einplanen?
Unsere Erwartung an die zuständige Bundespolizei und deren beauftragten Dienstleister FraSec ist, dass Passagiere nicht länger als 15 Minuten warten müssen, zu Spitzenzeiten maximal 30 Minuten. Ich erwarte für dieses Jahr aus mehreren Gründen Verbesserungen. Das Passagierwachstum sollte statt bei 22 Prozent wie 2023 eher bei rund fünf Prozent liegen. Die Basis ist also gelegt, der Sprung nicht mehr so hoch. FraSec stellt ein und verspricht mehr Personal als vergangenes Jahr. Die sechs CT-Scanner werden die Kapazität deutlich erhöhen. Und die Bundespolizei hat an allen Körperscannern, durch die die Passagiere gehen, eine neue Software aufgespielt. Sie kann viel besser entscheiden, ob ein Passagier nachuntersucht werden muss. Wir erwarten, dass die Zahl der zeitaufwendigen Nachuntersuchungen deutlich sinkt. Zudem wollen wir die Zahl der Slot&Fly-Plätze von 50 pro Viertelstunde erhöhen. Insgesamt wird die Leistungsfähigkeit der Sicherheitskontrolle deutlich höher sein. Übrigens wollen wir auch die Zahl der Gepäckaufgabeautomaten erhöhen und die bisher 30 Geräte mit Handscannern versehen, um sie anwenderfreundlicher zu machen. Den Umgang mit Handscannern sind viele Fluggäste vom Bezahlen aus dem Supermarkt gewohnt.
Im Juli legte die Letzte Generation den Flughafen stundenlang lahm, im November ein Geiselnehmer. Können Sie jetzt den Schaden beziffern?
Durch die Aktion der Klimakleber sind uns Kosten von etwa 150.000 Euro entstanden. Dazu zählen entgangene Start- und Landegebühren, Material- und Arbeitskosten für die Reparatur des durchschnittenen Zaunes sowie für das Vorfeld, auf dem sich die Klimakleber festgeklebt hatten. Wir verfolgen gerade das Strafverfahren und werden diese Kosten den Verantwortlichen in Rechnung stellen. Die Geiselnahme Anfang November hat uns rund eine halbe Million Euro gekostet. Um das Flughafengelände sicherer zu machen, werden große, stabile Falttore eingebaut, die von einem Auto oder einem kleinen Lieferwagen nicht mehr durchbrochen werden können. Um die Osterzeit soll diese Maßnahmen abgeschlossen sein.
Nach Jahren des Bemühens bekommt Hamburg im Sommer einen zweiten Langstreckenflug. Bisher fliegt Emirates zweimal täglich nach Dubai, ab Juli wird Qatar einmal täglich nach Doha fliegen. Beide Ziele liegen eng beieinander. Reicht das Passagierpotenzial aus, um täglich drei Großraumjets vollzubekommen?
Qatar Airways hat Marktanalysen gemacht und ist sich sicher, die Strecke profitabel fliegen zu können. Sonst hätte die Airline die Verbindung, die vor allem von den mehr als 170 Umsteigezielen in Doha lebt, nicht aufgelegt. Wir wissen seit zwei Jahren, dass sie über die Strecke nachdenkt. Aus Reisebuchungsportalen kennen wir als Flughafen die Verkehrsströme und wissen, welche Strecken von Doha aus bedient werden können. Wir gehen davon aus, dass beide Strecken für die Airlines funktionieren werden. Preislich sind beide ähnlich. Passagiere aus Hamburg werden künftig mehr Möglichkeiten haben – und Doha ist hoffentlich nicht die letzte neue Langstrecke.
Bisher hat es mit weiteren Langstreckenverbindungen, zum Beispiel nach Asien, aber nicht geklappt. Warum?
Der Grund liegt in den reduzierten Verkehrsrechten, also der Erlaubnis, Passagiere und Fracht zwischen beiden Staaten zu befördern. Wäre diese Zahl nicht so limitiert, dann bin ich der Meinung, dass wir sehr gute Chancen auf eine Direktverbindung mit China hätten. Denn das Interesse, nach Deutschland zu fliegen, ist auf asiatischer Seite groß. Auch bei uns als Hamburger Flughafen ist das Interesse dafür groß – die Lufthansa-Gruppe findet das hingegen sicherlich nicht besonders gut, weil das auch mehr Konkurrenz bedeutet. Direktverbindungen dorthin werden aber kommen, wenn sich perspektivisch der Markt öffnen wird. Die Airlines brauchen allerdings ein bis zwei Jahre Vorlaufzeit.
Wie sieht es nach Amerika aus?
In der Vergangenheit bediente Air Transat bis Oktober 2011 sechs Jahre lang die Strecke nach Toronto. United Airlines flog bis Oktober 2018 nach New York-Newark. Mehrere Jahre lang boten Airlines also Transatlantikrouten an, zuletzt waren sie mit den eingesetzten Großraumflugzeugen aber wohl nicht mehr profitabel. Das Problem: Aus Hamburg ist genug Nachfrage für diese Strecken da, auf der anderen Seite aber nicht. Die Amerikaner kennen vor allem Berlin, Frankfurt und München – Hamburg ist international nicht so bekannt.
Haben Sie dennoch Hoffnung auf eine Hamburg-Amerika-Route?
Ja! Der neue Airbus-Jet-A321XLR wird neue Möglichkeiten eröffnen. Er kann bis zu 8700 Kilometer nonstop fliegen, ist aber deutlich kleiner als die Großraumjets. Entsprechend kann er einfacher hoch ausgelastet werden und profitabel sein. Viele US-Airlines haben ihn bestellt, wir sind mit ihnen im Gespräch. Ich bin mir sicher, dass es in den nächsten zwei bis drei Jahren die ein oder andere Verbindung nach Amerika geben wird. Das größte Potenzial hat New York. Boston, Toronto, Miami und Atlanta sind ebenfalls attraktiv.
Welche Ziele fehlen Ihnen sonst noch im Streckennetz?
Im Schnitt sind wir momentan bei rund 120 Zielen, mit Fokus auf Europa und die Mittelmeerregion. Das wird in Zukunft so bleiben. Beim touristischen Angebot sehen wir keine weißen Flecken mehr. In dem Bereich sind wir wieder auf Vor-Corona-Niveau. Potenzial sehen wir noch bei Strecken, um Freunde, Bekannte und Verwandte zu besuchen. Zielgruppe sind also Menschen, die hier leben und in ihre Heimat wie Türkei, Georgien und den Irak reisen wollen. Diese Strecken laufen wirklich gut. Ich gehe davon aus, dass in dem Bereich noch ein paar Strecken dazukommen werden.
Im vergangenen Jahr gab es mit 809 mehr sogenannte Nachtflüge, die zwischen 23 und 0 Uhr starten und landen, als im viel verkehrsreicheren Jahr 2019 mit 678. Dabei war der Flughafen 2023 wegen der Pistensanierung an etwa 30 Tagen ab 23 Uhr geschlossen. Was erwarten Sie für dieses Jahr?
Wir hatten ein anspruchsvolles Jahr mit Wetterkapriolen, Streiks, dem Nato-Großmanöver Air Defender und allein in Frankreich acht Bombendrohungen in einem Monat, die den Flugplan durcheinanderwirbelten. Das waren außergewöhnliche Ereignisse in einer Anzahl, die wir vorher so nicht erlebt haben. Deshalb finde ich die Performance recht gut, sie war auch besser als im Vorjahr mit 873. Für dieses Jahr erwarte ich weitere Verbesserungen, wenn es nur wenige belastende Faktoren wie Schlechtwetterlagen und Streiks gibt. Wenn sich bei Fluglinien die späten Flüge häufen und strukturelle Gründe dafür vorliegen, besprechen wir das mit diesen in aller Deutlichkeit. Die Airlines haben auch ein wirtschaftliches Interesse daran. Denn ein Start oder eine Landung zwischen 23 und 0 Uhr kostet einen Aufschlag bis zu 550 Prozent. Das macht einen Flug weniger profitabel.
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Apropos: Von 2020 bis 2022 schrieb der Flughafen hohe Verluste von zusammen 186,2 Millionen Euro. Sind die Zeiten vorbei?
2023 haben wir eine schwarze Null geschafft und sogar einen leichten Gewinn erzielt. Wenn wir künftig drei, vier Prozent bei den Passagieren zulegen werden, werden wir profitabel bleiben. In diesem Jahr werden wir vermutlich einen einstelligen Millionengewinn ausweisen, mehr nicht. Der Hauptgrund: Die inflationsbedingten Kosten werden uns vor allem dieses Jahr stark treffen, weil der mit den Airlines getroffene Vertrag noch bis zum Frühjahr 2025 laufen wird. Erst dann könnten wir theoretisch unsere Entgelte erhöhen. Das drückt auf die Marge.
Zum Abschluss: Was macht Hamburgs neuer Flughafenchef in seiner Freizeit?
Flughafen-Chef ist ein politisches Amt, man muss sich vernetzen und viel unterwegs sein. Ich arbeite viel, versuche aber, zweimal in der Woche meinen neun Jahre alten Sohn ins Bett zu bringen und ihm eine Geschichte vorzulesen. Meine Frau ist Spanierin, und die Hälfte meiner Familie lebt in Spanien. Daher bin ich ein großer Fan von Reisen und dem Austausch zwischen den Kulturen. Mein Sohn und ich haben außerdem vor, in diesem Jahr mehr ins Fußballstadion in Hamburg zu gehen.