Hamburg. Pipeline, riesige Tanks und Verflüssigungsanlage sind laut Analyse notwendig, um das Fliegen weniger klimaschädlich zu machen.

Um das Fliegen weniger klimaschädlich zu machen, setzt die Luftfahrt große Hoffnungen auf „grünen“ Wasserstoff als Energiequelle. Der Flughafen Hamburg will dabei eine Pionierrolle unter den deutschen Airports einnehmen. Nicht nur die Anbindung an Nord- und Ostsee mit dem Hamburger Hafen, sondern auch das auf Kurz- und Mittelstreckenflüge fokussierte Streckennetz seien günstige Faktoren für die Einführung von Wasserstoff, teilte der Airport am Dienstag mit.

„Wir wollen die Energiewende in der Luftfahrt. Dabei führt an Wasserstoff kein Weg vorbei“, sagte der noch bis zum Jahresende amtierende Flughafen-Chef Michael Eggenschwiler. Wenn man den Einsatz dieser neuen Technologie ermöglichen wolle, müsse sichergestellt sein, dass die Infrastruktur dafür entwickelt und einsatzbereit sei, wenn die ersten Flugzeuge starten. Und das macht massive Umbauten in Fuhlsbüttel notwendig.

Flughafen Hamburg rechnet mit massivem Umbau für Wasserstoff

Zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelte der Airport eine Roadmap, die die notwendigen Schritte für den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur beschreibt. „Die Roadmap, die heute vorgestellt wird, ist nicht nur für uns als Flughafen Hamburg relevant, sondern soll auch eine Blaupause für andere Flughäfen in vergleichbarer Größe sein“, sagte Eggenschwiler.

Das Fliegen mit Wasserstoffantrieb steckt zumindest im großen Maßstab allerdings noch in den Kinderschuhen. Als Erstes würden Regionalflugzeuge abheben, die Brennstoffzellen haben und gasförmigen Wasserstoff verbrennen, sagte Professorin Meike Jipp, Bereichsvorständin für Energie und Verkehr am DLR. Diese Maschinen haben Platz für 20 Personen und eine Reichweite von 1300 Kilometer. Erste Testflüge könnte es ab 2025 geben.

Im Jahr 2035 sollen 100-Sitzer mit Wasserstoffantrieb 1800 Kilometer weit fliegen

Im Jahr 2035 soll es dann Regionalflugzeuge geben, die mit flüssigem Wasserstoff fliegen können. Sie sollen mit 100 Passagieren an Bord rund 1800 Kilometer weit fliegen können und ebenfalls via Brennstoffzellen angetrieben werden. Airbus plant, in zwölf Jahren einen „grünen“ Flieger auf den Markt zu bringen, bei dem der Wasserstoff entweder in einer Gasturbine verbrannt oder in einer Brennstoffzelle eingesetzt wird. Allerdings ist der Zeitplan des europäischen Flugzeugbauers durchaus ambitioniert.

Laut Jipp könnten ab 2040 auf der Kurz- und Mittelstrecke Flieger mit direkter Verbrennung von flüssigem Wasserstoff eingesetzt werden. Bis zu 250 Sitze sollten in solche Flieger passen, 3700 Kilometer sollen sie nonstop fliegen können.

Flughafen Hamburg: 2050 könnten 60 Prozent der Flieger mit Wasserstoff abheben

Nach einer DLR-Prognose könnten bis zum Jahr 2050 kumuliert rund 19 Millionen Tonnen Kerosin im Luftverkehr ab Deutschland durch 6,6 Millionen Tonnen „grünen“ – also durch erneuerbare Energien hergestellten – Wasserstoff ersetzt werden. Dies entspreche einer Einsparung von knapp 60 Millionen Tonnen CO2. Die unterschiedlichen Mengen ergeben sich dabei durch die höhere Energiedichte von Wasserstoff im Vergleich zu Kerosin.

Wenn man sich das Streckennetz des Helmut-Schmidt-Flughafens anschaue, ergebe sich ein „hohes Potenzial für Hamburg“, sagte Jipp. Denn bis 2050 könnten etwa 60 Prozent der Abflüge mit Wasserstoff realisiert werden und 38 Prozent der CO2-Emissionen gespart werden. Nach 2050 könnten es bis zu 80 Prozent der Flugbewegungen sein.

Flughafen Hamburg: Bis 2040 kommt Wasserstoff per Lkw, aber Pipeline ist notwendig

Entsprechend wird die benötigte Menge an „grünem“ Wasserstoff steigen, der heutzutage noch ein knappes Gut ist. Der jährliche Bedarf an flüssigem Wasserstoff dürfte sich am Flughafen Hamburg von 6000 Tonnen im Jahr 2035 auf 32.000 Tonnen im Jahr 2040 mehr als verfünffachen. Bis etwa 2040 könnte der Wasserstoff mit speziellen Tankfahrzeugen angeliefert werden, für die man noch Stellplätze schaffen muss.

Allerdings soll schon ab 2030 ein Pipelineanschluss vorhanden sein. Bereits vor zwei Jahren habe man zusammen mit Gasnetz Hamburg dafür die Grundlagen gelegt, hieß es. Ohne die Pipeline müssten 2050 im Jahresmittel rund 40 Lastwagen pro Tag den Flughafen mit Wasserstoff beliefern. An Spitzentagen seien es deutlich mehr. Das drohe den Verkehr rund um den Airport lahmzulegen, weil ja weiterhin auch Kerosin per Tankwagen zum Airport transportiert werden muss. Denn auf längeren Strecken wird der Einsatz von nachhaltig hergestelltem Kerosin (Sustainable Aviation Fuel, SAF) auf Jahrzehnte hinaus alternativlos sein.

Flughafen Hamburg braucht eigene Verflüssigungsanlage

Die Anlieferung des Wasserstoffs per Pipeline muss gasförmig erfolgen. Da Flugzeuge den Wasserstoff zum Betanken allerdings in flüssiger Form benötigen, sei zusätzlich eine Verflüssigungsanlage nötig. „Ungefähr ab 2045 rechnen wir mit einer eigenen Verflüssigungsgasanlage am Flughafen. Dafür ist die Windkraft ganz wichtig“, sagte Jipp. Denn die Verflüssigungsanlage habe einen sehr hohen Energiebedarf. Zudem beanspruche sie eine große Fläche und substanzielle Investitionen.

Stehen neben der Roadmap (v. l.). Hamburgs Flughafenchef Michael Eggenschwiler, DLR-Professorin Meike Jipp und Jan Eike Blohme-Hardegen, Leiter Umwelt am Airport.
Fotograf: Oliver Sorg
Stehen neben der Roadmap (v. l.). Hamburgs Flughafenchef Michael Eggenschwiler, DLR-Professorin Meike Jipp und Jan Eike Blohme-Hardegen, Leiter Umwelt am Airport. Fotograf: Oliver Sorg © Oliver Sorg | oliver sorg

Zudem sind Lagertanks für flüssigen Wasserstoff am Flughafen notwendig. So wie heute beim Kerosin müsste es einen Treibstoffpuffer von etwa drei Tagen geben. Dafür müssten kryogene Tanks installiert werden, die es heute weltweit noch relativ selten gibt.

Wasserstofftank könnte rund 34 Meter Durchmesser haben

Die Lagerung in einem Kugeltank gilt dabei aus physikalischen Gründen als effizienteste Lösung. Ein solcher Tank könnte einen Durchmesser von 34 Metern haben und rund 400 Tonnen Wasserstoff fassen. Dies erfordere eine Standfläche von etwa 900 Quadratmetern. Inklusive Zuwegungen steige der Platzbedarf schon auf 3000 Quadratmeter pro Tank an.

Das klingt auf dem riesigen Airportgelände nach nicht besonders viel Platz. Aber Hardegen sagt: „Auf jedem Quadratmeter des Flughafens ist schon irgendeine Nutzung drauf.“ Daher sei es schwer, den richtigen Ort für die Tanks zu finden, auch um die Wege zwischen Lager und Flugzeug kurz zu halten. Bis zum Jahr 2040 könnte zwar ein 400-Tonnen-Tank ausreichen. Im Jahr 2050 dürften aber schon zwei solcher Tanks erforderlich sein.


Der Flughafen Hamburg ist seit vielen Jahren bemüht, am Boden auf den Einsatz von fossilen Energieträgern zu verzichten. So werden beispielsweise Flugzeuge per Wasserstoffschlepper bewegt und Fluggastbrücken mit Strom aus Solarpaneelen versorgt. Ab 2026 soll ein Wasserstoffflugzeug regelmäßig Fuhlsbüttel mit Rotterdam verbinden.

Flughafen Hamburg benötigt völlig neue Infrastruktur

„Die Lieferung und Lagerung der künftig benötigten Mengen an Wasserstoff setzt eine völlig neue Infrastruktur bei uns am Flughafen voraus“, sagte Jan Eike Blohme-Hardegen, Leiter Umwelt am Hamburg Airport: „Mit den Vorbereitungen und dem Aufbau dieser Infrastruktur müssen wir jetzt beginnen, wenn wir klimafreundliche Antriebe in der Luftfahrt zeitnah etablieren wollen.“

Das sieht auch DLR-Professorin Jipp so, ansonsten drohe sich der Prozess in die Länge zu ziehen. „Wasserstoff hat hohes Potenzial, die Luftfahrt zu dekarbonisieren und einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz insgesamt zu leisten“, so Jipp.

Flughafen-Chef Eggenschwiler sieht auch Politik in der Pflicht

Branchengrößen wie Airbus haben in den vergangenen Monaten immer wieder betont, dass die Politik Maßnahmen für den Aufbau einer Infrastruktur für Wasserstoff und dessen Produktionsausweitung ergreifen müsse. Das sagte nun auch Hamburgs Airport-Chef Eggenschwiler, der noch keine Kostenschätzung für die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen in Fuhlsbüttel abgab: Es brauche „nicht nur die Bereitschaft des Flughafens und der Flugzeugentwickler, sondern auch der Politik – nur so können wir gemeinsam schon heute die nötigen Weichen stellen.“

Allerdings buhlen auch andere Industrien um den quasi zum Heilsbringer für eine klimaverträglichere Produktionsweise und damit mehr Klimaschutz erkorenenen „grünen“ Wasserstoff.