Hamburg. Anfang Januar ist die Mehrwertsteuer in Restaurants gestiegen: Essen gehen wird teurer. Aber einige Gastronomen reagieren anders.
Es ist gerade mal eine gute Woche her, da gab es eine Currywurst im Gröninger noch für 10,80 Euro. Jetzt sind es mindestens 14 Euro. Das ist ein Plus von knapp 30 Prozent. Wer eine Schweinshaxe verspeisen möchte, muss 19 Prozent mehr hinblättern: 28 Euro statt 23,50 Euro. Und für den Caesar Salad – mit Parmesan, aber ohne Hähnchen – werden 14,50 Euro veranschlagt. Vorher waren es 12,50 Euro. Die Preissteigerung beträgt 16 Prozent.
Die neue Speisekarte in dem historischen Braukeller in der Hamburger Altstadt gilt seit Anfang Januar und ist eine Reaktion auf die Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz von sieben auf 19 Prozent auf Speisen in Restaurants. Während Preiserhöhungen in der Branche normalerweise eher still und leise umgesetzt werden, geht der Hamburger Gastronom Jens Stacklies, zu dessen Firmengruppe das Gröninger gehört, jetzt in die Offensive: „Ich empfehle allen Betrieben, die Mehrkosten konsequent weiterzugeben.“
Gastronomie Hamburg: Preise in Restaurants steigen teilweise deutlich
Dabei reiche eine Preiserhöhung von rechnerischen zwölf Prozent Steuerdifferenz nicht aus. Um bis zu 18 Prozent müssten die Gerichte im Schnitt teurer werden, damit sich das Geschäft künftig wirtschaftlich betreiben lasse. „Es ist ja nicht nur die Mehrwertsteuer. Alle Kosten sind gestiegen: Lebensmittel, Energie, Löhne, und jetzt kommen auch noch die höheren Mautgebühren dazu“, so der Gastronom, der als Hamburger Vizepräsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) etwa 6000 Betriebe in der Stadt vertritt. Auch in seinen beiden Lokalen Schönes Leben in der Speicherstadt und in Neuendeich müssen die Gäste tiefer in die Tasche greifen.
Klar war: Billiger dürfte es wohl nicht werden, wenn man in diesem Jahr essen geht. Schon als bekannt wurde, dass die Bundesregierung den während der Corona-Pandemie reduzierten Mehrwertsteuersatz angesichts der klammen Haushaltslage und dem Aufschrei in der Branche zum Trotz auslaufen lassen werde, haben nach einer Dehoga-Umfrage etwa 90 Prozent der Unternehmen angekündigt, die Steuern an die Restaurantgäste weiterreichen zu wollen.
Dehoga-Vorstand empfiehlt, Mehrkosten weiterzugeben
Eine Stichprobe des Abendblatts zeigt jetzt, dass wie Dehoga-Vorstand Stacklies weitere Gastronomen in Hamburg bereits wenige Tage nach dem Jahreswechsel die Preise teils deutlich erhöht haben. Darunter die Bistro-Kette Cotidiano, die mit drei Standorten in der Stadt vertreten ist. Am Alten Wall etwa wurde der Preis für einen Großteil der Gerichte um einen Euro angehoben. Das Rührei natur aus Bioeiern etwa kostet 6,90 Euro statt zuvor 5,90 Euro (plus 17 Prozent). Der Avocado-Lachs-Tatar kostet 14,50 Euro statt 13,50 Euro (plus 7,4 Prozent).
„Bisher konnten wir die enormen Kostensteigerungen bei Energie, Lebensmitteln und Personal zumindest teilweise über den reduzierten Steuersatz abfedern“, sagt Sonja Rosenheimer, Marketingdirektorin der Gustoso Gruppe, zu der Cotidiano gehört. „Mit der gestiegenen Mehrwertsteuer sind diese Reserven nun aufgebraucht, und wir sind gezwungen, zumindest einen Teil der Kosten leider auch an unsere Gäste weiterzugeben.“
Gastronomie in Hamburg: Mrs. Rumpsteak kostet ab Sonnabend 24 Euro
In den Steakhäusern der Block-House-Gruppe wird das Essengehen vom nächsten Wochenende an teurer. „Wir planen eine Preisanpassung von sieben Prozent. Damit geben wir die Steuererhöhung nur anteilig weiter“, erklärt eine Firmensprecherin auf Anfrage. Beispiel Mrs. Rumpsteak: Ab 13. Januar steht das beliebte Gericht mit 24 statt bislang 22,50 Euro auf der Speisekarte (plus 6,7 Prozent). Block House hatte zuletzt im Oktober 2023 die Preise um 5,3 Prozent erhöht.
Andere, wie das Restaurant Lenz in Duvenstedt, haben bereits vorher reagiert. „Wir haben die Preise schon im Dezember leicht erhöht, damit es im Januar nicht den Riesenschock gibt“, sagt Inhaber Leslie Himmelheber. Für ihn sei die Steuererhöhung eine enorme Belastung, knapp 100.000 Euro betrügen die Mehraufwendungen im Jahr, was sich zudem in den Steuervorauszahlungen niederschlage. „Ohne Preiserhöhung langt es einfach nicht, wenn ich bei meiner Qualität bleiben will“, sagt der Koch, der das Lenz seit 16 Jahren mit seiner Frau Ruth und elf Beschäftigten betreibt.
Für die Januar-Speisekarte habe er eine Mischkalkulation gemacht. So speist man etwa das Zanderfilet bei ihm jetzt für 36,50 Euro, im November waren es noch 32,50 Euro (plus 12,3 Prozent). Dagegen ist der Preis für die Scholle mit 29,50 Euro gleich, im Vergleich zum Dezember sogar niedriger. „Das geht, weil ich günstiger einkaufen konnte“, erklärt der Gastronom.
Studie: 412 Gaststätten in Hamburg auf der Kippe
Der Frust unter den Wirten ist groß. Die Auswirkungen der Pandemie, die Steigerungen der Energie- und Lebensmittelpreise, höhere Lohnkosten und die anhaltende Konsumzurückhaltung – schon seit Jahren stehen viele Betriebe unter Druck. „Da ist oft kein Puffer mehr“, so Dehoga-Vorstand Stacklies. Besonders bringt die Branche auf, dass es noch bis November als sicher galt, dass die Mehrwertsteuersenkung, die Betriebe in der Corona-Krise entlasten sollte, auch im Jahr 2024 weiterlaufen werde. „Es ist eine Katastrophe“, poltert der Großgastronom und prognostiziert Preisschocks und Gaststättensterben.
Diese Befürchtung wird durch eine aktuelle Studie des Finanzinformations-Dienstleisters Crif untermauert. Demnach sind bundesweit aktuell gut 15.000 Gastro-Betriebe von der Insolvenz bedroht. Das sind 12,6 Prozent aller 120.000 von Crif analysierten Unternehmen. In Hamburg ist der Anteil der gefährdeten Betriebe demnach mit 13,3 Prozent sogar besonders hoch. Crif sieht 412 Gaststätten und Restaurants in der Hansestadt finanziell auf der Kippe. In der ersten Januarwoche wurden mehrere Insolvenzverfahren eröffnet. Das Traditionslokal Brodersen in Rotherbaum und das Pink and Orange in Langenhorn sind betroffen. Das Goldbek Chapeau! in Winterhude hat Insolvenz angemeldet.
Wirtschaftsexperten widersprechen Klagelied der Wirte
Es gibt allerdings auch Stimmen, die das Klagelied der Wirte abschmettern. So hat eine Untersuchung des Ifo-Instituts ergeben, dass sich in den Großstädten wie Hamburg, Berlin oder München die Umsätze preisbereinigt im Schnitt wieder auf Vor-Corona-Niveau erholt haben. Zudem hätten die Gastwirte es anders als andere Branchen geschafft, die gestiegenen Kosten für Lebensmittel, Personal und Energie weiterzugeben. Um etwa ein Fünftel war das Außer-Haus-Essen Ende 2023 teurer als im Januar 2021. Damit seien die Preise stärker gestiegen als in der Gesamtwirtschaft, so der Befund.
Gastronomie Hamburg: Diese Restaurants bleiben bei alten Preisen
In der Branche herrscht Katerstimmung. Mit höheren Preisen wächst auch die Angst, dass die Gäste künftig wegbleiben. Während einige Betriebe noch überlegen, wie sie weitermachen, haben sich deshalb andere ganz bewusst für einen anderen Kurs entschieden. Das Schweizer Haus, eine Institution in Niendorf, etwa hat in einem Facebook-Post angekündigt, die Preise nicht zu erhöhen, um den Restaurantbesuch erschwinglich zu halten. „Das macht das Ganze nicht leichter, aber wir glauben, dass das der richtige Weg ist. Kommt lieber einmal öfters zu uns“, schreiben die Betreiber Michael Verth und Jörg Stehn.
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Auch die Trattoria Ciao Bella am Tibarg will die bisherigen Preise beibehalten. „Wir finden, dass ein Restaurantbesuch im Jahre 2024 kein Luxus sein sollte“, postet das Team auf Facbook. „Sie als unsere Gäste sollten für die schlechten Entscheidungen unserer Politiker wenigstens bei uns nicht noch mehr zahlen.“
Preiserhöhungen? Schuback am Park senkt Preise
Einen ganz anderen Weg geht das Schuback am Park in Eppendorf. Die Wirtsleute Désirée und Jens Manzel haben im Januar die Preise gesenkt, statt sie anzuheben. Vorspeisen kosten 15 Euro, Hauptgerichte 20,24 Euro. Auf der neuen Karte, die seit vergangener Woche gilt, sind auch die Preise vermerkt, die sie nach der Steuererhöhung eigentlich nehmen müssten. Die Rinderroulade etwa müsste danach eigentlich 28 Euro kosten.
„Wir hoffen, dass unsere Gäste uns treu bleiben und einmal mehr kommen“, sagt Jens Manzel. Die erste Resonanz ist positiv. „Obwohl zum Jahresbeginn traditionell weniger ins Restaurant gegangen wird, haben wir eine gute Reservierungslage.“