Hamburg. Viele Gastronomen planen Preiserhöhungen, weil die Corona-Sonderregelung ausläuft. Warum es ein Ehepaar in Eppendorf anders macht.

  • Das beliebte Restaurant Schuback am Park in Hamburg-Eppendorf stellt sich gegen den Trend
  • Die Gastronomen Jens und Désirée Manzel wollen trotz steigender Mehrwertsteuer ihre Preise senken
  • Plan ist eine Reaktion auf ein Thema, das für Schockwellen in der Branche sorgt

Das Schuback am Park ist ein beliebtes Restaurant in Eppendorf. Auf der Speisekarte stehen Küchen-Klassiker wie Wiener Schnitzel, Roulade oder Hamburger Pannfisch – mit Liebe zum Detail frisch zubereitet. Entsprechend liegen die Preise im gehobenen Bereich. Ein Hauptgericht kostet zwischen 23 und 28 Euro, es können aber auch schon mal mehr als 30 Euro sein. „Das ist scharf kalkuliert und kommt gerade so hin“, sagen die Inhaber Jens und Désirée Manzel. Trotzdem wollen die Wirtsleute jetzt die Preise senken.

Restaurant Schuback in Hamburg senkt Preise, weil Mehrwertsteuer steigt

Der ungewöhnliche Plan ist eine Reaktion auf das Thema, das gerade für Schockwellen in der Branche sorgt. Die Ampelkoalition in Berlin will angesichts der klammen Haushaltslage eine Sonderregelung aus der Corona-Pandemie auslaufen lassen. Damals war die Mehrwertsteuer auf Speisen in Cafés und Restaurants von 19 Prozent auf sieben Prozent abgesenkt worden. Gut drei Milliarden Euro kostet das den Staat pro Jahr. Von Jahresbeginn 2024 soll damit Schluss sein. Der Beschluss wird im Rahmen der Haushaltsberatungen in der nächsten Woche im Bundestag erwartet.

Höhere Mehrwertsteuer für Restaurants: Hamburger starten Gegenmodell

Die Gastronomen sind deshalb seit Tagen auf Zinne. Der Branchenverband Dehoga warnt vor einer existenziellen Notlage für viele Lokale und macht bundesweit unter anderem mit einer Onlinepetition mobil. Schon jetzt ist absehbar, dass viele Wirte den höheren Steuersatz weitergeben und die Preise steigen. Erwartet wird ein Plus von rund zehn Prozent im Schnitt. „Wir machen es anders“, sagt Désirée Manzel. Statt teurer soll der Restaurantbesuch im Schuback am Park günstiger werden.

„Wir fangen damit im Januar an. Dann kostet bei uns jedes Hauptgericht auf der Speisekarte 20,24 Euro“, sagt die 33-Jährige. Beim Wiener Schnitzel liegt die Ersparnis dann bei knapp acht Euro oder 27 Prozent, bei der Roulade sind es fast fünf Euro (19 Prozent) und bei den veganen Kürbisgnocchi immerhin noch etwa drei Euro (11 Prozent). „Wir möchten, dass unsere Gäste auch weiterhin zu uns kommen“, begründet Jens Manzel den Schritt.

Das Restaurant Schuback am Park in Hamburg-Eppendorf wird seit 2018 von den Manzels betrieben.
Das Restaurant Schuback am Park in Hamburg-Eppendorf wird seit 2018 von den Manzels betrieben. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

2018 hatte der 57-Jährige mit seiner Ehefrau das Lokal am oberen Ende der Eppendorfer Landstraße übernommen und es komplett umgekrempelt. „Das ist unser Baby, das wollen wir retten“, sagt Désirée Manzel. Und dafür lassen sich die Gastronomen etwas einfallen.

Pariser Bistros sind Vorbild für die Preissenkung im Schuback am Park

Vorbild für die Preissenkung ist das Goumetland Frankreich. Dort eröffnen vor allem in der Hauptstadt Paris seit einiger Zeit immer mehr Bistros, die auf Hausmannskost zu günstigen Preisen setzen. Die sogenannten Bouillons sind groß und laut, serviert wird im Eiltempo. Dadurch kommen am Abend mehr Essen auf den Tisch. Die Rechnung geht offenbar für Gastgeber und Gäste auf: Die Läden sind proppevoll.

Einen ähnlichen Effekt erhoffen sich die Hamburger Wirtsleute auch. „Vielleicht bestellt der eine oder die andere auch mal eine Vorspeise dazu“, hofft Jens Manzel. Denn klar ist, das Geschäft wird mit der höheren Mehrwertsteuer nicht einfacher. „Corona war ein Einschnitt, und der Krieg in der Ukraine und die Inflation haben es nicht besser gemacht“, sagt der gelernte Restaurantkaufmann, der vorher das Forsthaus Friedrichsruh für die Familie von Bismark geleitet hat.

Zum Essen auszugehen, so die Beobachtung der Gastronomen im eigenen Lokal, war vor der Pandemie viel normaler. „Es wurde mehr zelebriert und gefeiert, auch gemeinsam in Gruppen. Da wurden an einem Abend schon mal zwei Flaschen Wein getrunken“, sagt Désirée Menzel. Heute schauten die Gäste mehr aufs Geld, verzehrten weniger und blieben kürzer.

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Die Folge: Die Umsätze im Schuback am Park sind gesunken und liegen immer noch unter Vor-Corona-Zeiten. Und das, obwohl auch die Manzels die Preise in den vergangenen zwei Jahren wie viele andere Restautrantbetreiber erhöht haben. Um über die Runden zu kommen, haben sie das fest angestellte Personal auf vier Beschäftigte zurückgefahren, plus Mini-Jobber im Service. Sie selbst packen jeden Tag mit an. Komplett gestrichen ist die Mittagsöffnung. Dienstags bietet die Wirtsleute nur eine abgespeckte Speisekarte und schmeißen den Laden allein ohne Personal. „Es lohnt sich einfach nicht.“

Wie sich die Rückkehr zu 19 Prozent Mehrwertsteuer in der Branche letztlich auswirken wird, bleibt abzuwarten. Statt Steuerfairness zu schaffen und Essen einheitlich mit sieben Prozent zu besteuern, würden Tausende Existenzen gefährdet, der Verlust von Lebensqualität und gastronomischer Vielfalt provoziert, warnt der Dehoga. „Es ist eine Katastrophe“, poltert der Hamburger Verbandsvize Jens Stacklies, der die 6000 Gastronomie-Betriebe in der Stadt vertritt. Er prognostiziert Preisschocks und Gaststättensterben.

Aktuelle Studie: Pleitewelle könnte in Hamburg besonders dramatisch sein

Diese Befürchtung wird durch eine aktuelle Studie des Finanzinformations-Dienstleisters Crif untermauert. Demnach sind bundesweit aktuell gut 15.000 Gastro-Betriebe von der Insolvenz bedroht. Das sind 12,6 Prozent aller 120.000 von Crif analysierten Unternehmen. In Hamburg ist der Anteil der gefährdeten Betriebe demnach mit 13,3 Prozent sogar besonders hoch. Crif sieht 412 Gaststätten und Restaurants in der Hansestadt finanziell auf der Kippe.

Inzwischen melden sich aber auch Stimmen zu Wort, die das Klagelied der Wirte abschmettern. So hat eine Untersuchung des Ifo-Instituts ergeben, dass sich in den Großstädten wie Hamburg, Berlin oder München die Umsätze preisbereinigt im Schnitt wieder auf Vor-Corona-Niveau erholt haben. Zudem hätten die Gastwirte es anders als andere Branchen geschafft, die gestiegenen Kosten für Lebensmittel, Personal und Energie weiterzugeben. Um etwa ein Fünftel ist das Außer-Haus-Essen heute teurer als im Januar 2021. Damit seien die Preise stärker gestiegen als in der Gesamtwirtschaft, so der Befund.

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Nach Ansicht der Ökonomen vom Leibniz-Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung Mannheim müsste das einem Teil der Branche „einen gewissen Spielraum in den Margen beschert haben“. Sie gehen davon aus, dass die jetzt geplante Mehrwertsteuer-Anhebung teilweise sogar bei den letzten Preisrunden schon einkalkuliert worden sei. Trotz des Versprechens von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die Steuersenkung nicht wieder abzuschaffen, halten sie eine dauerhafte Subvention nicht für gerechtfertigt.

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Trotzdem haben die Gastronomen die Hoffnung nicht ganz aufgegeben und kämpfen weiter. Unterstützung kommt von unerwarteter Seite. Zahlreiche Bundespolitiker haben inzwischen erklärt, dass sie den höheren Steuersatz für falsch halten. Auch, weil in den Nachbarländern wie Frankreich oder Italien die Mehrwertsteuer in der Gastronomie deutlich geringer ist. Wie sich das bei der Abstimmung über den Bundeshaushalt Ende nächster Woche auswirkt, muss sich zeigen. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hat inzwischen zudem ihr Veto im Bundesrat angekündigt. Auch Markus Söder (CSU), gerade wiedergewählter Regierungschef in Bayern, hält nichts von höheren Steuern für das Essen im Gasthaus.

Das Hamburger Gastromomenpaar Manzel ist enttäuscht von der Entscheidung der Politik, zu dem alten Mehrwertsteuersatz zurückzukehren. Aber sie wollen sich von der Katerstimmung in der Branche nicht anstecken lassen. „Wir starten jetzt erst mal im Januar mit niedrigeren Preisen und gucken, was passiert“, sagt Désirée Manzel. Klar ist aber, dass sie auf jeden Fall weitermachen wollen. Wie hat sie noch gesagt: „Das ist unser Baby, das wollen wir retten.“