Hamburg. Teilerfolg für langjährige Behinderten-Vertreterin: Fristlose Kündigung ist unwirksam. Beförderungsklage vor der nächsten Instanz.
Die Erleichterung ist Imke W. ins Gesicht geschrieben. „Die fristlose Kündigung ist jetzt vom Tisch“, sagte die langjährige Tchibo-Schwerbehinderten-Vertreterin und Betriebsrätin nach der Urteilsverkündung im Prozess vor dem Landesarbeitsgericht, zu der sie gemeinsam mit ihrem Rechtsanwalt Holger Thieß gekommen war.
Nachdem der Termin vor der 3. Kammer unter Vorsitz von Richterin Antje Skuderis-Witt vor drei Wochen aus formalen Gründen abgesagt worden war, kam jetzt kurz vor Weihnachten die Entscheidung. Die Berufung des Kaffeekonzerns wurde zurückgewiesen und das erstinstanzliche Urteil bestätigt. Die fristlose Kündigung aus dem Jahr 2022 ist damit unwirksam. Eine Revision nicht zugelassen.
Tchibo: Kündigungsprozess sorgt für Wirbel
Das Urteil in dem Kündigungsprozess, der in dem Hamburger Unternehmen für einigen Wirbel sorgt und über den das Abendblatt berichtet hatte, ist ein Teilerfolg. Denn in einem zweiten, ursprünglichen Verfahren, in dem die 54-Jährige auf Beförderung und höheres Gehalt geklagt hatte, unterlag sie.
Das Gericht sah, wie bereits das Arbeitsgericht in der ersten Instanz, keine Benachteiligung der Arbeitnehmervertreterin und verneinte den Anspruch auf die von der Klägerin verlangte Gehaltserhöhung. Allerdings bewerten die Richter den Fall als so bedeutsam, dass eine Revision zugelassen wurde und eine grundsätzliche Klärung des Streits vor dem Bundesarbeitsgericht möglich wird.
Behinderten-Vertreterin erringt Teilerfolg gegen Tchibo
Die Sache ist kompliziert. Imke W. ist seit 1995 bei Tchibo tätig und seit 2010 in der Schwerbehinderten-Vertretung des Unternehmens sowie zuletzt auch der Muttergesellschaft Maxingvest, zu der auch Beiersdorf gehört. Offiziell ein Ehrenamt, für das sie freigestellt worden war.
Die Höhe des Gehalts richtete sich, inklusive routinemäßiger Anpassungen, nach ihrer ursprünglichen Position als Junior Projektmanagerin. Nachdem ihre Anträge auf Beförderung und deutliche Gehaltserhöhung abgelehnt wurden, war die Vertrauensfrau und Betriebsrätin unter Berufung auf das Benachteiligungsverbot 2021 vor Gericht gezogen.
Tchibo: „Eklatanter Verstoß gegen Vertrauensverhältnis“
Um ihre Ansprüche zu untermauern, hatte sie im Verlauf des Verfahrens konkrete Beispiele für Beförderungen und Gehaltserhöhungen von Personen in vergleichbaren Positionen genannt. Aus Sicht von Tchibo „ein eklatanter Verstoß gegen das arbeitsvertragliche Vertrauensverhältnis, die Geheimhaltungspflicht und den Datenschutz“. Und damit Grund für eine fristlose Kündigung.
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Auch nach dem aktuellen Urteil bleibt der Kaffeekonzern bei seiner Einschätzung. „Dass dem Gericht diese schwerwiegenden Verfehlungen der Mitarbeiterin nicht für eine sowohl vom Betriebsrat, von der Schwerbehindertenvertretung und vom Integrationsamt bestätigten fristlosen Kündigung ausreichen, können wir nicht nachvollziehen. Wir werden die noch ausstehende Urteilsbegründung prüfen und dann über weitere rechtliche Schritte entscheiden“, erklärte ein Firmensprecher auf Anfrage. Die Entscheidung in Sachen der Beförderungsklage begrüßte er.
Behinderten-Vertreterin will vors Bundesarbeitsgericht
Imke W. lebt seit mehr als anderthalb Jahren von Arbeitslosengeld, ist zudem krankgeschrieben. Sobald das Urteil rechtskräftig ist, will sie ihre „Arbeitskraft zur Verfügung stellen“, wie sie sagt. Dessen ungeachtet werden sich die Parteien wohl erneut vor Gericht treffen.
„Die Sache ist nicht zu Ende“, sagt die Hamburgerin. „Ich ziehe vor das Bundesarbeitsarbeitsgericht, um dort die Frage der Gleichbehandlung von Schwerbehindertenvertretern klären lassen.“