Hamburg. Hamburger Kaffeeröster macht erstmals seit 25 Jahren wieder Verluste – in beträchtlicher Höhe. Wie Tchibo wieder auf Kurs kommen will.
Das Geschäft mit dem Kaffee bleibt im Kaffeetrinker-Land Deutschland eine solide Basis. Das hat auch Marktführer Tchibo im vergangenen Jahr vor noch Schlimmerem bewahrt. Dass der Hamburger Kaffee- und Konsumgüterkonzern das Umsatzniveau im vergangenen Jahr mit gut 3,2 Milliarden Euro im Vergleich zu 2021 nahezu halten konnte, liegt an der positiven Entwicklung in diesem Segment.
Deutlich schlechter lief dagegen der Verkauf von Gebrauchsartikeln. Vor allem die vollen Lager nach den Rekordjahren 2020 und 2021 während der Corona-Pandemie belasten Tchibo, aber auch die inflationsgetriebene Konsumzurückhaltung und steigenden Kosten haben das Betriebsergebnis 2022 dramatisch einbrechen lassen.
Tchibo: 2022 war schlechtestes Geschäftsjahr in der Geschichte
Nach einer Mitteilung der Muttergesellschaft Maxingvest beträgt der Verlust bei Tchibo 167 Millionen Euro. Im Vorjahr hatte das Unternehmen noch einen Gewinn (Ebit, vor Steuern und Zinsen) von 176 Millionen Euro ausgewiesen. Für Tchibo ist es laut einer internen Mitteilung „finanziell das schlechteste Jahr in der fast 75-jährigen Firmengeschichte“. Zuletzt war der Konzern vor 25 Jahren nach der Übernahme von Eduscho in die roten Zahlen gerutscht.
„Das ist wirklich kein gutes Resultat, aber wir hatten nur sehr wenige Möglichkeiten das zu vermeiden“, sagt Tchibo-Chef Werner Weber im Gespräch mit dem Abendblatt überraschend offen. Zwar ist der Einzelhändler mit den Problemen nicht allein, auch Otto oder Zalando bleiben mit ihren Geschäftszahlen aus ähnlichen Gründen hinter den Erwartungen. Aber normalerweise kommuniziert der Kaffee-Riese, der von der Gründerfamilie Herz über die Holding Maxingvest kontrolliert wird, sehr zurückhaltend.
Tchibo-Vorstandschef war vorher im Aufsichtsrat des Kaffee-Konzerns
Dass es für den erfahrenen Manager Weber kein einfacher Job werden würde, zeichnete sich schon ab, als er Mitte 2021 an die Unternehmensspitze aufrückte. Der heute 67-Jährige, der zuvor fünf Jahre Mitglied im Tchibo-Aufsichtsrat gewesen war, übernahm den Posten in der auslaufenden Corona-Krise von seinem Vorgänger Thomas Linemayr, der nach fünf Jahren ziemlich abrupt und noch vor Auslaufen seines Vertrages bei Tchibo ausgeschieden war.
Tchibo friert Gehälter ein und streicht 300 Stellen
Jetzt sitzt Weber in seinem Büro am Überseering in der City Nord. Es gibt Kaffee und Plätzchen. In den vergangenen Wochen hatten mehrfach schlechte Nachrichten aus der Firmenzentrale für Aufregung gesorgt. Erst war durchgesickert, dass für die mehr als 11.000 Beschäftigten in diesem Jahr keine Gehaltserhöhungen möglich seien.
Anfang Juni wurde bekannt, dass das Unternehmen Personal abbauen und 300 Stellen streichen wolle. Begründet hatte das Unternehmen das mit einer „Anpassung der Personalstruktur an die gestiegenen Kosten“ auf das Niveau von 2019. Im Abendblatt-Gespräch erklärt der Tchibo-Chef, wie er den Konzern neben einem Sparprogramm mit einer neuen Strategie wieder auf Kurs bringen will.
„Wir stärken den Bereich Kaffee und investieren in ein Non-Food-Geschäft, das wettbewerbsfähig ist“, sagt Werner Weber. Auch wenn der Topmanager nicht konkret wird, bedeutet das voraussichtlich, dass sich das wöchentlich wechselnde Warenangebot verändern wird. Aktuell reicht es von Textilen über Haushaltswaren und Sportartikeln bis Kooperationsangeboten für Auto-Vermietung, Hauskauf sowie Versicherungspolicen.
Tchibo-Warensortiment wird überprüft – und reduziert
Man schaue sich gerade an, welche Kategorien von Kunden besonders nachgefragt und gestärkt werden könnten, sagt Weber, der 27 Jahre beim schwedischen Möbelkonzern Ikea in Diensten stand. Im Umkehrschluss: Andere werden reduziert. Auch sollen interne Prozesse verschlankt und vereinfacht werden. „Da gibt es Effizienzpotenzial.“ Wie dringend der Veränderungsdruck ist, zeigt eine Personalie. Anfang Juni war Hamid Dastmalchian zum neuen Geschäftsführer Non-Food berufen worden. Er löste Ulf Brettschneider ab, der den Angaben zufolge sein Mandat niedergelegt und Tchibo auf eigenen Wunsch hin verlassen hat.
Auch wenn das Tchibo-Konzept durch die wachsende Zahl von Non-Food-Discountern, die ebenfalls mit wechselnden Wochenangeboten arbeiten, unter Druck gerät und Handelsexperten immer mal wieder das Ende des Modells vorhersagen, ist ein Radikalumbau offenbar nicht geplant. In acht Ländern betreibt der Kaffeekonzern aktuell mehr als 900 Standorte, 24.200 Depots im Einzelhandel sowie nationale Onlineshops. In Deutschland hat Tchibo 550 Filialen.
Einschnitte im Filialnetz soll es nicht geben. „Dort investieren wir“, so Werner Weber. Ein Augenmerk liegt dabei hierzulande auf den Tchibo Prozente-Läden, die nicht verkaufte Waren aus dem Wochenangebot mit Rabatten anbieten. „Die Läden laufen gut“, sagt Tchibo-Chef Weber. Merklich verändert sollen sie künftig als Tchibo Outlet firmieren und auch einen Kaffee-Bereich bekommen.
Tchibo eröffnet neues Gastro-Konzept Kaffee Max in Wien
Als weiteren Schritt setzt Weber auf die Internationalisierung. Neben Österreich und der Schweiz ist Tchibo vor allem in Osteuropa erfolgreich. Nun sollen weitere Länder erschlossen beziehungsweise ausgebaut werden. So ist im asiatischen und arabischen Raum die Einführung von Kaffee aus dem Haus Tchibo im Lebensmittelhandel geplant.
Aktuell sind viele Ideen noch in der Vorbereitung und in der Testphase. So hat der Kaffeeröster in der österreichischen Hauptstadt Wien gerade ein ganz neues Gastronomie-Konzept Kaffee Max gestartet. In den Kaffeebars, die nach Firmengründer Max Herz benannt wurden, gibt es nachhaltig-zertifizierte Kaffeesorten, die von Baristas zubereitet werden. Dazu pikante Snacks und süßes Gebäck – aber nicht das sonst übliche Angebot von Gebrauchswaren. Nach Angaben von Weber soll die Schweiz als weiterer Testmarkt folgen. Dazu, ob und wann die neuen Kaffeebars auch in Deutschland eingeführt werden, macht er noch keine Angaben.
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Mit seinen eher behutsamen Umbauplänen ist der Topmanager offenbar auf einer Linie mit Michael Herz. Der Sohn von Gründer Max Herz, der im September 80 Jahre alt wird, ist zusammen mit seinem Bruder Wolfgang über Maxingvest hundertprozentiger Eigentümer des Unternehmens. Bekannt ist, dass ohne das Go des Patriarchen bei Tchibo nichts geht. Man treffe sich regelmäßig bei einer Tasse Kaffee zum Austausch, gibt Weber mit einem Lächeln zu Protokoll.
Tchibo feiert im nächsten Jahr 75. Geburtstag
Klar ist, dass auch das laufende Jahr für den Handelskonzern schwierig bleibt. Dabei kämpft Tchibo auch mit steigenden Erzeugerpreisen beim Kaffee, die durch den Klimawandel zusätzlich belastet werden. „Der Umsatz ist auf Planniveau“, gibt sich Tchibo-Chef Weber optimistisch. Erwartet wird aufgrund des weiterhin schwachen Konsumklimas ein Umsatz leicht über dem Niveau von 2022.
Mit den eingeleiteten Sparmaßnahmen sowie der erwarteten Verbesserung der Geschäftslage im zweiten Halbjahr will Tchibo wieder zurück in die Gewinnzone. „Wir werden 2023 wieder Geld verdienen“, so Weber. Für das Unternehmen und seinen Chef eine wichtige Marke: Im nächsten Jahr feiert Tchibo 75. Geburtstag.