Hamburg. Opposition spricht von „Misstrauensvotum“ gegen Teilverkauf an Schweizer Reederei. Hafenarbeiter sind sauer auf Gewerkschaft Ver.di.
Eigentlich ist die Sache klar: In der vergangenen Woche haben Aufsichtsrat und Vorstand des Hafenkonzerns HHLA in einer gemeinsamen Stellungnahme ihren Aktionären empfohlen, ihre Unternehmensanteile an die Schweizer Reederei MSC zu verkaufen. Damit hat die Führung der HHLA dem Plan des Hamburger Senats, MSC 49,9 Prozent des Unternehmens zu überlassen, den Weg geebnet „Ein Problem weniger“, dürften Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard und Finanzsenator Andreas Dressel (beide SPD) denken, die das Geschäft mit den Schweizern eingefädelt haben.
Doch so einfach und klar ist die Sache dann offenbar doch nicht. Denn wer die Stellungnahme aufmerksam liest, wird feststellen, dass selbst ein Mitglied des Vorstands der HHLA seine Aktien MSC nicht überlassen will. So heißt es auf Seite 51 des Papiers: „Von den Mitgliedern des Vorstands hält zum Zeitpunkt des Angebots Herr Jens Hansen 52 A-Aktien. Herr Jens Hansen beabsichtigt derzeit nicht, das Angebot bezüglich der von ihm gehaltenen A-Aktien anzunehmen.“
Hamburger Hafen: HHLA-Vorstand will Aktien nicht an MSC verkaufen
Warum er nicht verkaufen will, bleibt offiziell im Nebulösen: „Bei der Entscheidung zum Aktienkauf oder -verkauf handelt es sich um die private Angelegenheit von Jens Hansen. Bitte haben Sie daher Verständnis, dass wir Ihre Frage nicht näher beantworten werden“, teilte eine HHLA-Sprecherin auf Anfrage des Abendblatts mit.
Dass aber ausgerechnet ein Vorstandsmitglied offensichtlich nicht bereit ist, seine privaten Aktien für den Deal zur Verfügung zu stellen, sorgt dann doch für Aufregung. „Die Arbeitnehmer werten das als klares Zeichen, dass Herr Hansen mit dem MSC-Deal auch nicht einverstanden ist“, sagt der Konzernbetriebsrat der HHLA, Chirstian Baranowski.
CDU: Misstrauensvotum gegen MSC-Deal aus den eigenen Reihen
Auch CDU und Linke, die das Geschäft mit MSC ablehnen, sind mehr als irritiert. Der Hafenexperte der CDU-Bürgerschaftsfraktion, Götz Wiese, spricht gar von einem „Misstrauensvotum“ aus den eigenen Reihen. „Zwar hatte die Stadt den Vorstand der HHLA in die Pflicht nehmen wollen, den MSC-Deal gut zu finden, und entsprechend empfiehlt der Vorstand auch die Annahme des Angebots. Gleichwohl will der Betriebs- und Technikvorstand, der die HHLA wie kein Zweiter kennt, seine eigenen Aktien nicht verkaufen.“ Das sei ein deutliches Zeichen: „Kein guter Deal.“
Jens Hansen ist Betriebs- und Technikvorstand der HHLA. Er ist für die zwingend notwendige Modernisierung und Automatisierung der Containerterminals verantwortlich. Hansen ist seit 20 Jahren bei der HHLA und kennt den Zustand und die Leistungsfähigkeit der Terminals im dreiköpfigen Vorstandsgremium am besten. Vorstandschefin Angela Titzrath kommt aus der Automobilindustrie und ist seit sieben Jahren bei der HHLA. Arbeitsdirektor Torben Seebold ist seit vier Jahren bei der HHLA. Der Arbeitsrechtler arbeitete früher für die Gewerkschaft Ver.di.
HHLA-Vorstandsposten fällt an MSC
„Hansen gilt im Vorstand der HHLA als Mensch mit der meisten Schifffahrtsexpertise“, sagt Norbert Hackbusch von der Linksfraktion in der Bürgerschaft. Er verhandelt mit den verschiedenen Reedereien. Die Ankündigung von ihm, seine HHLA-Aktien nicht zu verkaufen, drückt eine hohe Distanz zur Verkaufsoption aus.“
Auf der anderen Seite heißt es, dass der Vorstand und der Übernahmeausschuss des Aufsichtsrats den Inhalt der Stellungnahme einstimmig beschlossen hätten. Könnte es also auch andere Gründe geben, warum Hansen nicht an MSC verkaufen will?
Klar ist, dass er seinen Posten wohl räumen muss, wenn MSC bei der HHLA einsteigt. Denn die Reederei und der Hamburger Senat haben sich schon auf die Postenverteilung in dem künftigen Gemeinschaftsunternehmen geeinigt. In der Vereinbarung heißt es, dass die Stadt den Vorstandsvorsitzenden (CEO) sowie den Arbeitsdirektor vorschlagen darf und MSC den Finanz- (CFO) und Technikvorstand – diesen Posten bekleidet derzeit noch Hansen. Warum die Stadt ausgerechnet seinen Posten zur Disposition stellt, obgleich sie immer wieder betont, sie wolle die Terminals stärken, bleibt ein Rätsel.
Hamburgs Hafenarbeiter sind sauer auf Ver.di
Unterdessen bereitet sich die Gewerkschaft Ver.di auf die Kundgebung an diesem Sonnabend auf dem Rathausmarkt vor. Hier wollen die Hafenarbeiter noch einmal gegen den MSC-Deal kämpfen. Überschattet werden die Vorbereitungen von einer erheblichen Verärgerung der Hafenarbeiter über aus ihrer Sicht mangelnde Unterstützung durch die Gewerkschaft.
In einem Schreiben greifen Hafenarbeiter den Bundesvorstand von Ver.di an, sprechen von „undurchsichtigen Verhandlungen“ und Entscheidungen. „Wir fühlen uns massiv übergangen und nicht ausreichend in den Prozess eingebunden, obwohl es um unsere berufliche Zukunft und Arbeitsbedingungen geht“, heißt es in dem Brief.
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Auslöser war ein Schreiben der stellvertretenden Ver.di-Bundesvorsitzenden Christine Behle, in dem sie den HHLA-Arbeitsdirektor Seebold dazu aufruft, umgehend Gespräche für einen Überleitungstarifvertrag für die MSC-Übernahme aufzunehmen. Offenbar ist Behle damit ohne ausreichende Rücksprache mit der Konzerntarifkommission vorgeprescht.
„Es ist für uns unverständlich und frustrierend, dass die Gewerkschaftsvertreter scheinbar ohne ausreichende Absprache mit den Arbeitnehmern handeln und wichtige Entscheidungen treffen. Wir fühlen uns nicht ernst genommen und missachtet, insbesondere wenn die eigene Gewerkschaft nicht ausreichend für unsere Interessen eintritt“, heißt es in dem Schreiben der Hafenarbeiter weiter.
Der Unmut über den MSC-Deal bleibt groß. Und die Kundgebung am Sonnabend auf dem Rathausmarkt ist nur ein Zwischenschritt auf einem womöglich langen Weg des Protests. Denn am 22. November ist schon die nächste große Hafen-Demonstration in der Hamburger Innenstadt geplant.