Hamburg. HHLA-Chefin spricht exklusiv über geplante MSC-Teilübernahme, Proteste der Mitarbeiter und warum sie das Geschäft nun empfiehlt.
Es ist das erste Mal, dass sich Angela Titzrath ausführlich zu der geplanten Teilübernahme der HHLA durch die Schweizer Reederei MSC äußert. Sie kommt zum Abendblatt-Interview am Dienstagvormittag in die HHLA-Zentrale direkt vom Terminal Altenwerder. Am Burchardkai hatten die Beschäftigten aus Protest gegen den Deal die Arbeit niedergelegt. Warum wurde sie von der Stadt nicht vorab über die Gespräche mit MSC informiert? Was konnte Sie nun noch nachverhandeln? Und wie ordnet sie die Proteste der Beschäftigten gegen den Deal ein?
Hamburger Abendblatt: Sie haben als Vorstandsvorsitzende der HHLA lange zu dem geplanten MSC-Deal geschwiegen. Erst seit Montag liegt nun ein Statement von Vorstand und Aufsichtsrat vor. Warum hat das so lange gedauert?
Angela Titzrath: Das Wertpapierübernahmegesetz verpflichtet uns als Vorstand dazu, eine Stellungnahme im besten Unternehmensinteresse abzugeben – und zwar innerhalb von zwei Wochen nachdem das Übernahmeangebot detailliert veröffentlicht wurde. Genau das haben wir gemacht. Allerdings haben wir in den vergangenen Wochen nicht die Hände in den Schoß gelegt. Direkt nach Bekanntwerden der geplanten Teilübernahme am 13. September sind wir als HHLA-Vorstand aktiv geworden. Wir sind früh auf den Mehrheitsaktionär, die Stadt Hamburg, und auf MSC zugegangen. Und nun haben wir einen rechtlich verbindlichen Vorvertrag für eine Zusammenschlussvereinbarung ausgehandelt.
Am 13. September ist Bürgermeister Peter Tschentscher vor die Presse getreten und hat den MSC-Deal angekündigt. Ist es richtig, dass der HHLA-Vorstand vorher nicht in die Gespräche mit MSC involviert war?
Es ist durchaus üblich, dass zunächst die beteiligten Gesellschafter miteinander reden. Und am 13. September sind diese Gespräche öffentlich gemacht worden. Der HHLA-Vorstand war bis zu diesem Zeitpunkt nicht in die Gespräche involviert. Das ist richtig.
Wann sind Sie als HHLA-Vorstandsvorsitzende informiert worden?
Spätabends am 12. September.
Hätten Sie sich gewünscht, dass der Vorstand in die Gespräche mit MSC vorher eingebunden worden wäre?
Das ist eine gute Frage. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass die Expertise des Gesamtvorstandes und des Aufsichtsrates zu einem frühen Zeitpunkt eingeholt worden wäre. Aber ich habe auch Verständnis dafür, dass die Stadt Hamburg als Mehrheitsaktionär, der auch bestimmte rechtliche Rahmenbedingungen beachten muss, einen anderen Weg gewählt hat. Umso wichtiger war es für uns als Vorstand, nach dem 13. September aktiv Verhandlungen einzufordern, die zu dem nun geschlossenen Vorvertrag geführt haben. So konnten wir für uns wichtige Themen nachverhandeln, die zuvor offen waren.
Ist es nicht ein klarer Vertrauensbruch, wenn man als Mehrheitseigner die Vorstandschefin nicht in die Gespräche einer Teilübernahme frühzeitig einweiht?
Noch einmal: Ich hätte es mir gewünscht, aber ich kann den von der Stadt gewählten Weg auch verstehen.
Aber warum hat die Stadt sie nicht eingeweiht?
Die Frage müssen Sie der Stadt stellen. Jetzt ist nicht die Zeit, sich über individuelle Befindlichkeiten zu unterhalten. Wir müssen nach vorne schauen. Mir ist wichtig, dass wir als Vorstand in den Verhandlungen die für das Unternehmen und seine Stakeholder wichtigen Punkte nachverhandeln konnten. Das zeigt mir, dass die Stadt dem Vorstand vertraut und von dessen Kompetenz überzeugt ist.
Ist es aus Ihrer Sicht – mit Blick auf die Geschäftsentwicklung – überhaupt notwendig, dass es zu diesem Teilverkauf an MSC kommt oder hätte die HHLA auch ohne Probleme allein erfolgreich weiterarbeiten können?
Diese Frage müssten Sie den politisch Verantwortlichen stellen …
Sie sind aber die Vorstandschefin, können das operative Geschäft am besten beurteilen …
Operativ arbeiten wir trotz vieler Krisen seit Jahren sehr erfolgreich, finanzieren unsere Investitionen aus eigener Kraft. Wir haben die HHLA in den vergangenen sechs Jahren zu einer Perle gemacht. Wir sind mittlerweile weit mehr als ein Hafenunternehmen in Hamburg. Wir sind zu einem führenden Player in der Transport- und Logistikbranche in Europa geworden. Wir sind den Weg vom Hafen- zum internationalen, innovativen Logistikkonzern konsequent gegangen und werden uns davon auch in Zukunft nicht abbringen lassen.
Das hört sich danach an, als ob die HHLA auch ohne Probleme allein hätte weitermachen können – ohne MSC…
Das kann man nicht allein aus operativer Sicht beantworten. Das ist eine Frage, welche die Gesellschafter beantworten müssen. Nur so viel: Die HHLA ist eine Perle und hat Begehrlichkeiten nicht nur bei MSC, sondern auch bei anderen geweckt. Das macht uns auch ein wenig stolz.
Sie haben herausgestellt, dass es zwei Voraussetzungen für ihre Zustimmung gegeben hat. Die unabhängige Bewertung des Kaufpreises durch die Citigroup Bank sowie die Ergebnisse des Vorvertrags zwischen MSC und der Stadt. Halten Sie den Vertrag für so wertvoll, dass sie zustimmen konnten?
Ja, der Vorvertrag enthält sehr viel mehr als die ursprüngliche Vereinbarung zwischen den Senatsvertretern und dem Käufer. Uns als HHLA-Vorstand waren fünf Punkte wichtig: Das Erste sind maßgebliche Zusagen an die HHLA-Mitarbeitenden. Sie erhalten maximale Sicherheit. Neben dem Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen für mindestens fünf Jahre bleibt die Mitbestimmung im HHLA-Konzern sichergestellt. Ebenso die Pensionsregelung. Das haben wir explizit im Zusammenarbeitsvertrag verankert. Zweitens haben wir die Neutralität unseres Geschäfts abgesichert. Alle Kunden werden gleichbehandelt und haben Zugang zu den Terminals und Dienstleistungen der HHLA. Das Dritte ist die Investition von 450 Millionen Euro in unser Eigenkapital, die wir der Stadt und MSC abgerungen haben. Ich betone: Das ist kein Darlehen, sondern Eigenkapital.
Naja, die Stadt gibt ehrlicherweise keinen Cent dazu, sondern investiert nur ihre Erlöse durch den Verkauf der HHLA-Aktien an MSC. Die Reederei packt vielleicht noch einmal 200 Millionen Euro drauf, hat im vergangenen Jahr aber mehr als 30 Milliarden Euro verdient. So richtig viel Geld ist das also nicht. Können Sie die Kritik daran verstehen?
Wir als HHLA-Vorstand haben nicht die Entscheidung gefällt, 49,9 Prozent der HHLA zu veräußern. Das ist eine politische Entscheidung der Freien und Hansestadt Hamburg. Deshalb müssen Sie diese Frage dort adressieren. Unter den gegebenen Rahmenbedingungen haben wir das Beste erzielt, was in unseren Kräften lag. 450 Millionen Euro Eigenkapital sind für mich eine signifikante Stärkung. Entscheidend ist aus unserer Sicht nämlich der vierte Punkt: Wir entscheiden weiter, wo und wie wir investieren. Wir haben freie Hand, unsere Investitionsplanung weiterzuverfolgen, nämlich die Modernisierung unserer Terminals und den Ausbau unseres Intermodalgeschäfts. Dafür sind mindestens 775 Millionen Euro von 2025 bis 2028 vorgesehen. Dieser Punkt ist eine klare Anerkennung unserer Strategie und ein großes Kompliment an unsere Arbeit. Das stärkt die HHLA.
Nun sehen Ihre HHLA-Mitarbeiter das anders. Sie haben am Burchardkai ihre Arbeit niedergelegt. Was sagen Sie denen?
Es sind nicht alle Mitarbeiter, sondern eine Gruppe
Wie viele?
Das kann ich nicht genau sagen. Ich bin heute mit der Nachtschicht und der Frühschicht unterwegs gewesen, habe mit vielen Mitarbeitenden gesprochen und bin auch auf offene Ohren gestoßen. Wir brauchen jetzt viele direkte Gespräche und Aufklärung. Ich möchte noch einmal die Unterscheidung betonen, zwischen der politisch getroffenen Entscheidung 49,9 Prozent der HHLA zu veräußern und dem nun durch uns vorangebrachten Vertrag der Zusammenarbeit zwischen uns, MSC und der Stadt. Diese Zusatzvereinbarungen waren die Voraussetzung, dass wir zusammen mit dem Aufsichtsrat zugestimmt haben. Dieser Vertrag sichert die Arbeitnehmer ab. Das muss man erklären, aber das wird uns auch gelingen. Eines möchte ich ebenso betonen: Wenn man als Arbeitnehmer eine politische Haltung vertritt, ist das legitim, aber bitte nicht während der Arbeitszeit.
Der Betriebsrat ist anderer Auffassung…
Ich kann die Bedenken, die der Betriebsrat am vergangenen Freitag geäußert hat, nachvollziehen. Diese beziehen sich aber auf das veröffentlichte Übernahmeangebot und berücksichtigen nicht die Vereinbarungen im nun getroffenen Vorvertrag zur Zusammenarbeit. Damit hat sich die Lage völlig gedreht. Dieser Vertrag war dem Betriebsrat am vergangenen Freitag nicht bekannt. Wir haben ja noch bis Sonntagnacht darüber verhandelt und die HHLA-Interessen hart vertreten.
Sie betonen ausdrücklich, dass der Anteilverkauf der HHLA eine politische Entscheidung gewesen ist. Wäre Ihnen eine andere Form der Beteiligung lieber gewesen?
Ach, wissen Sie, Schulnoten vergebe ich nicht. Ich glaube allen ist klar, dass die HHLA ihre Interessen hartnäckig vertreten hat und vertritt. Wir haben unsere eigene Meinung, die auch respektiert wird. Dazu stehen wir auch in einem engen Austausch mit dem Bürgermeister. Wir haben das gemeinsame Interesse, dass die HHLA und der Hamburger Hafen gestärkt werden. So ist zu erklären, dass wir in dieser Dreier-Vertragssituation erhebliche Zusagen erhalten haben.
Haben Sie auch mal überlegt, Ihren Job hinzuschmeißen?
Nein. Wenn die See rau ist, ist der Kapitän an Deck und hält das Steuer in der Hand. Ich glaube, jeder weiß, dass ich entschieden die HHLA-Interessen vertrete.
Ist MSC eigentlich ihr Wunschpartner?
Wir haben bereits Kundenbeziehungen zu MSC. Wir respektieren diese Entscheidung der Stadt, immerhin ist MSC der Weltmarktführer unter den Reedereien, der sein Geschäft erfolgreich führt. Daraus ergeben sich Chancen, von denen wir alle profitieren können.
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Wir fragen, weil MSC nicht den besten Leumund in der Branche hat …
Darauf gebe ich nichts. Wir haben feste Compliance-Regeln und die ändern sich auch künftig nicht.