Hamburg. Frachtraten haben sich mehr als halbiert. Die Folge ist ein deutlich rückläufiges Ergebnis. Wie der Vorstandschef darauf reagiert.
Noch vor zwölf Monaten befand sich Hapag-Lloyd quasi im Schlaraffenland. Infolge von Corona waren die Kapazitäten der Frachter auf den Weltmeeren knapp, und die Schifffahrtsbranche konnte die Transportpreise diktieren. Die Gewinne sprudelten so kräftig, dass Hamburgs Traditionsreederei sich mit dem Zukauf von Hafenterminals einen weiteren Geschäftszweig aufbauen konnte. Allein im dritten Quartal 2022 strich der Konzern mit Sitz am Ballindamm ein Betriebsergebnis vor Steuern von 5,2 Millionen Euro ein. Das war das 25-Fache dessen, was Vorstandschef Rolf Habben Jansen im gleichen Zeitraum 2023 in der Kasse zählen konnte. Denn die Lage für die Schifffahrtsbranche hat sich dramatisch verschlechtert.
Das zeigen jedenfalls die Neunmonatszahlen, die die Reederei am Donnerstag präsentierte. Zwar sind die Transportmengen im Vergleich zu 2022 nicht gesunken, aber die Frachtraten, also die Transportpreise, haben sich allein im dritten Quartal im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum mehr als halbiert. Exakt 1312 Dollar konnte Hapag-Lloyd für jeden transportierten Standardcontainer (TEU) im Durchschnitt noch einnehmen. Im dritten Quartal 2022 waren es zum Vergleich 3106 Dollar gewesen.
Gewinneinbruch bei Hapag-Lloyd: Die Reederei will nun sparen
Das hat Einfluss auf Umsatz und Gewinn. Die Umsatzerlöse lagen nach neun Monaten bei 14,13 Milliarden Euro – und damit knapp 12,6 Milliarden Euro unter dem Vorjahreszeitraum. Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) sank im Vergleich zu den ersten neun Monaten 2022 um knapp 11,5 Milliarden auf 4,17 Milliarden Euro. Unterm Strich ist der Jahresüberschuss von 13,77 Milliarden Euro auf 3,16 Milliarden Euro zurückgegangen – ein Einbruch von 77 Prozent.
Das klingt alarmierend, doch zur Wahrheit gehört auch: Hapag-Lloyd schreibt weiterhin einen Milliardengewinn, keinen Verlust. Tatsächlich wird Hapag-Lloyd das Jahr 2023 voraussichtlich mit dem drittbesten Ergebnis in der langen Unternehmensgeschichte abschließen. In der Branche redet man allenthalben trotzdem von einer Krise – und auch Habben Jansen spricht von schwierigen Zeiten.
Hapag-Lloyd-Vorstand: „Wir rutschen in eine schwierige Phase“
„Die Lage am Markt ist schon besorgniserregend. Wir haben ja schon vor einem Jahr gesagt, dass es zu einer Abschwächung kommen wird. Die Frachtraten sind aber inzwischen auf einem Niveau gelandet, bei dem die Kosten die Einnahmen übersteigen“, sagte der Manager am Donnerstag dem Abendblatt. Das sei in der Branche nicht ungewöhnlich. „Sie kennt das Rauf und Runter, jetzt rutschen wir tatsächlich in eine schwierige Phase hinein, wenn auch nicht unerwartet.“
Wie zum Beweis hat Konkurrent Maersk erst vor wenigen Tagen in der Schifffahrtssparte ein operatives Minus von 27 Millionen Dollar (etwa 25 Millionen Euro) verkünden müssen. Einigen anderen Reedereien dürfte es ähnlich ergehen, mutmaßt Habben Jansen. „Wenn wir auf das kommende Vierteljahr schauen, sind wir selbst auch nicht besonders optimistisch. Denn die Frachtraten befinden sich insbesondere in den Fernost-Diensten und auf dem Atlantik im Keller. Und das sind zwei Fahrtgebiete, in denen Hapag-Lloyd stark vertreten ist.“
Hapag-Lloyd streicht Liniendienste zusammen
Seine Prognose: „2024 könnte ein schwieriges Jahr werden.“ Seine Reaktion darauf: „Wir arbeiten konsequent daran, unsere Kosten weiter zu senken – beispielsweise durch Einsparungen auf der Beschaffungsseite und Anpassungen in unserem Servicenetzwerk.“ Letzteres bedeutet nichts anderes, als dass Hapag-Lloyd insbesondere Liniendienste zusammenstreichen wird.
Einen massiven Personalabbau, wie bei Konkurrent Maersk, der weitere 3500 Stellen streichen wird, gibt es bei Hapag-Lloyd vorerst nicht. „Wir planen aktuell keinen größeren Personalabbau oder Standortschließungen. Natürlich möchten wir effizienter werden. Ein aktiver Personalabbau ist jedoch zurzeit nicht vorgesehen. Wenn es zu Veränderungen kommt, dann insbesondere über Fluktuation“, sagte Habben Jansen.
Reedereien haben zu viele neue Schiffe bestellt
Dass es mit der Feierlaune in der Branche zunächst einmal vorbei ist, hat verschiedene Gründe. Sicher spielt der lahmende Welthandel eine Rolle, auch die Kaufzurückhaltung der Europäer und die stark abgekühlte Wirtschaft in China trage ihren Teil zu den Problemen bei. Doch die Reedereien sind auch selbst an der Branchenflaute schuld. Schließlich haben sie in den Corona-Zeiten mit Blick auf die geringen Transportkapazitäten viele neue Schiffe bestellt.
Ob das tatsächlich sinnvoll gewesen ist, darüber könne man lange diskutieren, räumt selbst Habben Jansen ein. Im Vergleich zur Schifffahrtskrise 2009 sei die Lage heute aber eine andere. „Das Orderbuch ist zwar groß, aber in etwa nur halb so groß wie damals – und das Tonnageangebot übersteigt die Nachfrage nicht so stark. Zudem ist die Flotte heute älter. Wir müssen also auch mehr Schiffe verschrotten. Zudem verlangen die neuen Umweltregeln eine Modernisierung der Flotte.“ Aber Habben Jansen räumt ein: „Ein etwas kleineres Orderbuch wäre sicher besser“.
Zum geplanten Einstieg von Maersk möchte sich der Vorstandschef derzeit nicht äußern: „Die Sache ist eigentlich durch. Ich habe in einem Abendblatt-Interview nach der Ankündigung durch den Senat gesagt, was ich von dem Deal halte. Viel mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“ Konkrete Pläne, Liniendienste aus Hamburg abzuziehen, hat Hapag-Lloyd seinen Worten zufolge auch nicht. „Für uns ändert sich im Moment nicht besonderes viel. Unser Vertrag mit der HHLA läuft im kommenden Jahr aus, und dann wird man darüber sprechen, zu welchen Konditionen man ihn verlängern kann.“ Das Containerterminal Altenwerder wolle die Reederei nutzen wie bisher. .„Und vielleicht bleiben wir auch am Containerterminal Burchardkai.“
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Die Aktionäre beeindruckte der drastische Gewinnrückgang am Donnerstag kaum: Nachdem das Wertpapier am frühen Morgen noch vier Prozent verloren hatte, legte es am Nachmittag um mehr als acht Prozent gegenüber dem Vortag zu und kostete 128,20 Euro. Allerdings haben die Anteilsscheine von Hapag-Lloyd in den vergangenen Wochen auch einen erheblichen Wertverfall erfahren: Am 20. September hatte die Aktie noch 192 Euro gekostet. Christian Cohrs, Analyst bei Warburg Research, hält diese Schwankungen für normal.
Ärgern dürften sich die Aktionäre über den Gewinnrückgang dennoch – vor allem die Stadt, die knapp 14 Prozent an Hapag-Lloyd hält. Denn Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) wird wohl zumindest auf einen Teil der jüngst sehr hohen Dividendeneinnahmen verzichten müssen.