Hamburg. 200 Sozialwohnungen entstehen an einer zentralen Kreuzung. Doch daran gibt es Kritik: Bürger wurden nicht informiert und Baurecht umgangen.

  • In Sasel wurde die „Kreuzung Kratzmann“ lange Zeit vom Baumarkt KWP und der Shell-Tankstelle geprägt
  • Jetzt wird in dem Hamburger Stadtteil ein Quartier mit 200 Sozialwohnungen errichtet
  • Eigentlich sollten nur die Nachbarn von dem Projekt erfahren, doch jetzt machte die Linke alle Pläne öffentlich

Jahrzehntelang prägten KWP, der erste Baumarkt Hamburgs, und die Shell-Tankstelle daneben das Stadtbild an der sogenannten Kreuzung Kratzmann in Sasel, wo Saseler Chaussee und Ring 3 aufeinandertreffen. Hier, ganz in der Nähe des 2022 umgestalteten Saseler Markts, werden künftig fünfstöckige Neubauten mit Sozialwohnungen stehen. Der Baumarkt wurde bereits abgerissen, der Bau der ersten Häuser hat begonnen. Spätestens nach Auslaufen des Pachtvertrages soll auch das Tankstellen-Grundstück bebaut werden.

Insgesamt sind hier knapp 200 Wohnungen geplant. Um die auf der Fläche unterbringen zu können, ist die Stadt Wege gegangen, die bei vielen Saselern schlecht ankamen. So wurde eine Befreiung vom Baustufenplan erteilt, der hier eigentlich eine ein- bis zweistöckige Bebauung vorsieht. Und statt zu 45 Prozent darf das ehemalige KWP-Grundstück zu 70 Prozent bebaut werden. Trotz der Abweichungen von geltendem Recht war keine Bürgerbeteiligung geplant. Nur die unmittelbaren Nachbarn wurden informiert.

Auf einem Baustellen-Plakat ist zu sehen, wie hoch die Neubauten in Sasel werden: nämlich drei Geschosse höher als die hier übliche Bebauung.
Auf einem Baustellen-Plakat ist zu sehen, wie hoch die Neubauten in Sasel werden: nämlich drei Geschosse höher als die hier übliche Bebauung. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Wohnungen in Hamburg: Linksfraktion machte geheimes Projekt in Sasel öffentlich

Im Herbst 2023 begann die Gerüchteküche über eine viel zu hohe und viel zu dichte Bebauung zu brodeln. „Auch die Bezirkspolitiker wussten bis dahin nur, dass es Anträge zum KWP-Grundstück und der Tankstelle gibt sowie die Absicht, darüber nichtöffentlich zu bescheiden. Offenbar wollte die Stadt hier Fakten schaffen, ohne die Menschen vor Ort anzuhören“, sagt Rainer Behrens von der Wandsbeker Linksfraktion, der Fachsprecher für Stadtplanung ist und im Bauprüfausschuss sitzt.

Als dort beschlossen wurde, in einer Sitzung Ende November eine bis zu fünfgeschossige Blockbebauung auf den Grundstücken von KWP, Shell und der (mittlerweile abgerissenen) Druckerei Krüper ohne neuen Bebauungsplan zu genehmigen, habe er die Öffentlichkeit informiert, so Behrens. Das brachte ihm Ärger ein, denn der Bauprüfausschuss tagt geheim.

Wohnungen an Saseler Kreuzung werden von Hamburger Familienunternehmen gebaut

Mitte November 2023 fand zunächst im Sasel-Haus auf Initiative der Linken eine Veranstaltung über die Planungen für das KWP-Gelände statt. Und die Bauausschuss-Sitzung Ende November geriet zur zweistündigen Bürgerfragestunde – allerdings im Bezirksamt Wandsbek, wohin wegen der langen Anfahrt und des extrem schlechten Wetters an dem Abend nur wenige Bürger kamen.

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Vor Ort präsentiert nun ein Vertreter der Projektgesellschaft Holzbau (PGH) die Pläne für die Bebauung. Das Hamburger Familienunternehmen ist seit 1980 auf die nachhaltige Entwicklung von Wohn- und Gewerbeimmobilien spezialisiert und hat in Hamburg unter anderem an der A23 das Quartier Hörgensweg mit 850 Wohnungen gebaut.

Immobilien Hamburg: Bau von Sozialwohnungen in hoher Zahl „grundsätzlich positiv“

An der Kreuzung Kratzmann in Sasel entstehen jetzt im ersten Bauabschnitt 150 Wohnungen mit einer Tiefgarage für 53 Autos und 160 Fahrrädern. Voraussetzung, hier einziehen zu dürfen, ist ein Wohnberechtigungsschein (Paragraf-5-Schein). Die Häuser werden klimafreundlich im KfW-40-Standard mit Vollklinker errichtet und sind barrierefrei.

Auf dieser Baustelle an der Saseler Chaussee werden 150 Sozialwohnungen gebaut. Im Hintergrund ist die Shell-Tankstelle zu sehen, die nach dem Auslaufen des Pachtvertrages zugunsten von rund 40 weiteren Wohnungen abgerissen werden soll.
Auf dieser Baustelle an der Saseler Chaussee werden 150 Sozialwohnungen gebaut. Im Hintergrund ist die Shell-Tankstelle zu sehen, die nach dem Auslaufen des Pachtvertrages zugunsten von rund 40 weiteren Wohnungen abgerissen werden soll. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

„Wir sehen es grundsätzlich als positiv an, dass an einer exponierten Stelle in Sasel geförderte Wohnungen in großer Anzahl gebaut werden“, so Behrens. Aber das Vorhaben hätte sich besser in die Umgebung einfügen und die Forderung aus dem Stadtteil nach sozialen Einrichtungen wie etwa einem Senioren-Treff aufgreifen müssen.

Wohnungen in Sasel: Wie Stadt den fünfgeschossigen Neubau rechtfertigt

Zudem übertreffe die fünfstöckige Bebauung die im Magistralenkonzept für diese Stelle vorgeschlagene drei- bis viergeschossige Nachverdichtung. Ein weiterer Widerspruch sei, dass Bausenatorin Karin Pein wörtlich gesagt habe, dass „die Bürger im Quartier am besten beurteilen, was passt“. In Sasel seien sie überhaupt nicht gefragt worden.

Bei den Befreiungen und Ausnahmen (drei zusätzliche Geschosse zum geltenden Baurecht) beruft sich die Stadt auf das Baulandmobilisierungsgesetz, das in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt im Einzelfall Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans zulässt, sowie auf das Magistralenkonzept, mit der sie die Stadtentwicklung an zwölf Hamburger Ausfallstraßen forcieren will.

Immobilien Hamburg: Wohnungen wie in Sasel werden dringend gebraucht

„Das städtebauliche Konzept einer höheren Bebauung entlang der Magistrale (Saseler Chaussee) als Abschirmung des Blockinnenbereichs sowie einer niedrigeren rückwärtigen Bebauung wird positiv bewertet“, so eine Sprecherin des Bezirksamts Wandsbek. Das Baulandmobilisierungsgesetz ermögliche, durch die zusätzlichen Geschosse dringend benötigten Wohnraum zu schaffen.

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Xavier Wasner, Stadtplanungssprecher und Fraktionsvize der SPD Wandsbek, verweist darauf, dass Grundstückseigentümer Anträge auf die Baugenehmigungen bei der Bezirksverwaltung stellten und die Bezirkspolitik am Entscheidungsprozess lediglich beratend teilnehme. „Auf Baugenehmigungsverfahren haben wir nur einen geringen und regelhaft keinen öffentlichkeitswirksamen Einfluss.“ Bürgerinformationen zu Bauvorhaben könnte es nur geben, wenn – wie in Sasel geschehen – der Bauherr einwillige.

Linken-Politiker Rainer Behrens begrüßt trotz der Kritik am Verfahren, dass PGH an der Kreuzung Kratzmann ausschließlich Sozialwohnungen baut. „Damit wird das von der Wohnungswirtschaft genutzte Argument, nur ein Drittelmix (Sozialwohnungen, frei finanzierte Mietwohnungen und Eigentumswohnungen) sei wirtschaftlich realisierbar, widerlegt.“