2500 Polizisten sind rund um den Tag der Arbeit im Einsatz, 5000 Menschen wollen demonstrieren. Bürgermeister Scholz bei DGB-Demo.
Hamburg. Das kommende Wochenende könnte für die Hamburger Polizei zu einer Herkulesaufgabe werden: Rund um den "Tag der Arbeit" am 1. Mai sind in der Hansestadt Kundgebungen und Aufzüge mit mehreren tausend Teilnehmern angemeldet.
Vor allem bei Protesten am Sonnabend werden Ausschreitungen befürchtet, wenn die linke Szene in Hamburg mit erwarteten knapp 2000 Teilnehmern gegen eine Räumung der Roten Flora im Schanzenviertel mobil macht.
Für Sonntag, den 1. Mai, ist zudem unter anderem eine Demonstration unter dem Motto "Heraus zum revolutionären 1. Mai“ am frühen Abend mit etwa 1000 Teilnehmern angemeldet. Bereits am Vormittag ruft der DGB zur traditionellen 1. Mai-Kundgebung mit dem Vorsitzenden der IG Bauen-Agrar-Umwelt, Klaus Wiesehügel, auf. Dabei werden rund 3000 Teilnehmer erwartet. Weitere etwa 2000 Menschen wollen bei einer "Euromayday“-Parade nach Ottensen ziehen.
Da es in den vergangenen Jahren wiederholt zu Straftaten am Vorabend des 1. Mai gekommen war, erklärt die Polizei den Großraum um die Schanze von Sonnabend bis Sonntag sowie von Sonntag bis Montag jeweils von 19 bis 5 Uhr offiziell zur Gefahrenzone. Die Regelung gilt für das Areal zwischen Fruchtallee, Schäferkampsallee und Schröderstiftstraße einschließlich U-Bahnhof Christuskirche im Norden, Karolinenstraße und Glacischaussee im Osten, Millerntorplatz und Simon-von-Utrecht-Straße einschließlich U-Bahnhof St. Pauli im Süden sowie Holstenstraße, Stresemannstraße, Alsenstraße und Doormannsweg im Westen. In dem entsprechenden Bereich ist die Polizei befugt, "lageabhängig" Personen auch ohne Verdachtsmoment zu durchsuchen, Platzverweise zu erteilen, Aufenthaltsverbote auszusprechen und Personen in Gewahrsam zu nehmen.
Polizei erwartet "Störungen" bei Flora-Demo
Im Mittelpunkt des Protests im Schanzenviertel am Sonnabend steht laut Flyer der Erhalt des linksautonomen Zentrums Rote Flora in der jetzigen Form. Bei der Kampagne "Stadt selbst machen“ werden ab 16 Uhr etwa 1900 Teilnehmer erwartet. Die Veranstaltung sei extra um eine Stunde nach hinten verschoben worden, "um das Zeitfenster für die Beteiligung an den antifaschistischen Protesten in Bremen zu vergrößern", wie es auf der Internetseite der Kampagne heißt.
Im Anschluss an die Demonstration rechnet die Polizei rund um den traditionell von Krawallen begleiteten Feiertag mit "Störungen“, wie eine Sprecherin am Mittwoch sagte. "Aber wir sind mit ausreichend Kräften darauf vorbereitet.“
Das bestätigt die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG). "Wir können mit ausreichender Unterstützung der Bundespolizei und Kräften aus Bayern rechnen“, sagte der Hamburger DPolG-Vorsitzende Joachim Lenders am Donnerstag. Vier Hundertschaften der Bereitschaftspolizei aus Bayern sowie eine Hundertschaft der Bundespolizei unterstützten die Hamburger Beamten am Sonnabend und Sonntag. Damit sollen rund 2500 Einsatzkräfte für Ordnung sorgen.
Den Angaben zufolge wird eine weitere Hundertschaft der Polizei aus Uelzen und eine Wasserwerferstaffel aus Ratzeburg mit zwei Fahrzeugen in Hamburg stationiert sein. Darüber hinaus werden fünf Hundertschaften der Hamburger Polizei sowie vier sogenannte Alarmhundertschaften präsent sein. "Wir haben alles in den Stiefeln stehen, was sich in Hamburg bewegen kann“, sagte Lenders. Die Beamten sind am Sonnabend (15.30 Uhr) außerdem beim Heimspiel des Hamburger SV gegen den SC Freiburg im Einsatz.
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Das ehemalige Flora-Theater wird seit 1989 von der linksautonomen Szene besetzt gehalten, nachdem die Bewohner des Viertels erfolgreich gegen den Umbau zu einem Musicaltheater protestiert hatten. Seitdem steht die Flora regelmäßig im Zentrum von Ausschreitungen. 2001 hatte die Stadt Grundstück und Gebäude an Investor Klausmartin Kretschmer verkauft. Angeblich will dieser die umstrittene Immobilie wieder verkaufen.
Die Stadt hat indes kein Interesse an einem Rückkauf der Roten Flora, wie Senatssprecher Christoph Holstein sagte. Der Senat gehe zudem davon aus, dass das Gebäude weiter als Stadtteilkulturzentrum genutzt werden müsse.
GdP-Chef: "Kein Cowboy-und-Indianer-Spiel"
In der Vergangenheit war es rund um den 1. Mai wiederholt zu Ausschreitungen gekommen. Im vergangenen Jahr waren bei Krawallen rund um den 1. Mai nach Polizeiangaben rund 30 Beamte verletzt worden. 78 Randalierer wurden fest- oder in Gewahrsam genommen. Der damalige Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) hatte nach den Ausschreitungen eine "fehlerhafte Prognose“ der Sicherheitsbehörden eingeräumt.
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Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Uwe Koßel, rechnet auch in diesem Jahr mit Krawallen. "Der ein oder andere wird sein Gemüt kühlen wollen.“ Koßel warnte jedoch: "Das Ganze ist kein Cowboy-und-Indianer-Spiel mit der Polizei - hier geht es um massive Rechtsverstöße, um Körperverletzung, Sachbeschädigung, Brandstiftung, möglicherweise sogar um Landfriedensbruch.“ Die Menschen, die im Schanzenviertel wohnen, "können einem leidtun, dass man sich ihr Viertel ausgesucht hat, um dort Gewalttaten zu verüben“. Auch Gewerkschaftsvorsitzender Lenders sagt: "Von Randale und Krawall müssen wir ausgehen.“. Bei Ausschreitungen werde die Polizei mit der gebotenen Härte einschreiten.
Bürgermeister Scholz bei DGB-Demonstration
Ruhiger soll es indes auf der Mai-Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) am Sonntag zugehen. Dabei spricht der Bundesvorsitzende des IG Bauen-Agrar-Umwelt, Klaus Wiesehügel, vor dem Museum der Arbeit (13 Uhr). Auch eine Rede des Vorsitzenden des DGB Hamburg, Uwe Grund, ist geplant.
Die Gewerkschaft fordert unter anderem gleichen Lohn für gleiche Arbeit für Stamm- und Leihbeschäftigte, einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde sowie gute Arbeit und soziale Sicherheit. An einer Demonstration vor der Kundgebung will auch Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) teilnehmen, wie ein Sprecher des DGB Hamburg sagte.
Am Sonntag sind nach Polizeiangaben neben den DGB-Veranstaltungen zwei weitere Aufzüge in Altona geplant. Für 13 Uhr hat Euromayday Hamburg die Parade "Die Stadt ist unsere Fabrik“ mit 2.000 Teilnehmern angemeldet und um 17.30 Uhr ist der Aufzug "Heraus zum revolutionären 1. Mai“ mit 1.000 Teilnehmern vorgesehen.
Krawall-Prognose auch für Berlin
Rund um den 1. Mai wird in diesem Jahr auch in Berlin erneut mit heftigen Krawallen gerechnet. Trotz aller Appelle erwartet die Polizei in der Hauptstadt, dass am Sonntagabend linksextreme Gewalttäter nach den üblichen Demonstrationen mit Steinen und Flaschen werfen. An dem Tag sollen in der Hauptstadt mehr als 5000 Polizisten aus ganz Deutschland im Einsatz sein.
Unter dem Motto "Für die soziale Revolution weltweit“ wollen Demonstranten am Sonntagabend gegen Kapitalismus und die Umstrukturierung einzelner Stadtteile protestieren. In einem linksautonomen Aufruf im Internet heißt es aber: "Doch wir haben das Warten satt und wählen schon heute das Feuer und den Stein.“ Konkrete Angaben zu der Teilnehmerzahl machte die Polizei nicht.
Seit 1987 hat es sowhl in Hamburg als auch Berlin wiederholt Ausschreitungen linksextremer Gruppen gegeben. In manchen Jahren kam es zu offenen Straßenschlachten mit der Polizei.
Mit Material von dpa und dapd