Hamburg. Jetzt müssten Friedrich Merz und die CDU helfen, ein Gesundheitsgesetz zu verabschieden. In Hamburg drohen Praxensterben und Aufnahmestopp.
- Ein lange bersprochenes Gesetz für höhere Arzt-Honorare droht zu scheitern
- Hamburger Hausärzte: überaltert und unterbezahlt
- Aufnahmestopp und Termin-Not in Praxen sind die Folgen
Das Ampel-Aus in Berlin und der Rauswurf von Christian Lindner und der FDP-Minister (außer Volker Wissing, der die Partei verließ) wirkt sich dramatisch aus auf die Praxen Hamburger Hausärzte. Und das hat weitreichende Folgen für die Patientinnen und Patienten. Denn jetzt ist unklar, ob das in drei Jahren umkämpft zusammengeklöppelte Gesetz mit dem sperrigen Namen Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) überhaupt noch verabschiedet werden kann. Nur wenn das zum Beispiel noch mit den Stimmen der CDU und Friedrich Merz‘ Segen gelingt, haben einige Hamburger Hausarztpraxen mittelfristig noch eine Zukunft.
Denn die Ampel hatte zwar im Koalitionsvertrag stehen, aber nie beschlossen, dass die Honorare der Hausärzte entbudgetiert werden. Das bedeutet: Es gibt dann nicht mehr den einen Finanztopf mit Deckel – und wenn der leer ist, werden die Behandlungen der Hausärzte nicht mehr bezahlt. Sondern in Zukunft sollten alle Leistungen der Hausärzte eins zu eins abgerechnet werden können. Hamburger Hausärzte haben im bundesweiten Vergleich eine der schlechtesten Auszahlungsquoten, bekommen also zumeist deutlich weniger als 80 Prozent dessen bezahlt, was sie „am Patienten“ leisten.
Hamburger Hausärzte: Dramatische Entwicklung nach dem Ampel-Aus
Drei Gründe sprechen dafür, dass ohne diese versprochene Entbudgetierung sich die Lage für Patienten erheblich verschärfen wird: Erstens sind die Fixkosten wie Miete, Energie und Gehälter für Mitarbeiter in Praxen erheblich gestiegen. Und so können sich zweitens viele der Hausärzte, von denen jeder dritte über 60 Jahre alt ist, nicht vorstellen, ihre Praxis weiter zu betreiben. Was viele sogar über das Rentenalter hinaus tun. Drittens wird es immer mehr Großpraxen mit angestellten Ärzten in Investorenhand geben, die keine Hausbesuche machen, nicht am Notdienst teilnehmen und auch nicht Pflegebedürftige in Heimen versorgen.
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So warnt auch die Vorsitzende des Hamburger Hausärzteverbands, Dr. Jana Husemann: „Sollte das Gesetz nicht zeitnah verabschiedet werden, werden immer mehr Hausarztpraxen dauerhaft schließen müssen, mit verheerenden Folgen für die wohnortnahe Versorgung der Menschen.“ Außerdem müsse dringend der „bereits angedachte Bonus“ für Versicherte kommen, die an der sogenannten Hausarztzentrierten Versorgung teilnehmen. Darin verpflichten sich Patienten, immer zuerst (außer im Notfall) zu ihrem festen Hausarzt zu gehen. Der oder die Medizinerin klärt die Diagnose ab und überweist dann gegebenenfalls weiter zu einem Facharzt oder ins Krankenhaus.
Wenn die Hausärzte wackeln, können die Teile des Gesundheitswesens wie Dominosteine fallen
Dadurch werden „Ärzte-Hopping“ und daraus resultierende Kosten gespart. Manche Hausärzte in Hamburg machen diese vertragliche Bindung überhaupt zur Bedingung, um in ihrer Praxis aufgenommen zu werden. Denn tatsächlich haben Tausende Hamburger keinen Hausarzt. „In vielen Stadtteilen gibt es einen Aufnahmestopp“, erklärte der Hausarztverband. „Wenn die hausärztliche Versorgung weiterhin geschwächt wird, werden die weiteren Bereiche des Gesundheitswesens – von den Krankenhäusern bis zur ambulanten Pflege – wie Dominosteine fallen.“
Das fürchtet auch Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD), die auffallend dringlich mahnte: „Die angedachte Entbudgetierung der Hausärzte wäre für den Gesundheitsstandort Hamburg deshalb ein Meilenstein zur nachhaltigen Stärkung der lokalen gesundheitlichen Versorgung.“ Die aktuellen Bedingungen erschwerten es, eine Praxis wirtschaftlich zu betreiben. Sie erwarte in der „aktuellen Gemengelage“ in Berlin einen „kühlen Kopf“ von allen Beteiligten.
Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg sprach von einer „Katastrophe“, wenn die versprochene Honorarsteigerung für die Hausärzte nicht komme. KV-Vorstandschef John Afful sagte: „Wenn das nicht umgesetzt wird, nimmt die hausärztliche Versorgung in Hamburg massiven Schaden – und wir müssen konstatieren, dass die Ankündigungen der Politik nichts mehr wert sind, das Vertrauen geht verloren.“ Auch der ärztliche Nachwuchs werde verschreckt.