Hamburg. Wird die Bürgerschaftswahl 2025 von der Bundestagswahl beeinflusst? Töne zwischen SPD, CDU und Grünen werden rauer. Der Abendblatt-Newsblog.

Top-Politiker in Hamburg haben mit teils markigen Worten vor allem den Rauswurf des Bundesfinanzministers aus der Bundesregierung kommentiert: Christian Lindner (FDP) sei eine „personelle Schwachstelle“ gewesen, die Opposition innerhalb der Koalition, unfähig, einen grundgesetzkonformen Haushalt aufzustellen. Das Aus der Ampel in Berlin durch den Bruch zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) wird weitreichende Auswirkungen auf den Bürgerschaftswahlkampf 2025 in Hamburg haben. Plötzlich wird die Bundestagswahl nicht mehr sechs Monate entfernt im Herbst 2025 stattfinden, sondern vermutlich zeitnah kurz nach dem 2. März, dem Tag der Wahl in Hamburg.

Für gewöhnlich haben beide Wahlen von den Umfragen und ihren Ergebnissen her nichts miteinander zu tun. Hamburg – und vor allem das Ergebnis von SPD, CDU und Grünen – ist meist abgekoppelt von Berlin. Doch weil Scholz aus Hamburg kommt und die Wählerinnen und Wähler hier noch viel mit ihm verbinden (Stichworte: Elbtower und Cum-Ex), dürfte sich das ändern.

Außerdem könnte das Hoch der CDU auf Bundesebene mit dem Kanzler-Aspiranten Friedrich Merz das Abschneiden der Union in Hamburg beeinflussen. Auch das Agieren einer möglichen Minderheitsregierung von Rot-Grün in Berlin bis zu einer Neuwahl könnte zuvor auf Hamburg abstrahlen.

Lesen Sie hier im Newsblog die Entwicklungen in Hamburg nach dem Ampel-Aus:

Katharina Fegebank: Enttäuscht und erleichtert

Für Katharina Fegebank changierten die Gefühle zum Ampel-Aus zwischen Enttäuschung und Erleichterung. Das erklärte Hamburgs Zweite Bürgermeisterin und Spitzenkandidatin der Grünen am Donnerstag. „Der Wille und die Fähigkeit zum Kompromiss ist ein entscheidendes Merkmal der Demokratie. Wer das nicht kann – mit dem ist kein Staat zu machen. Und der kann dann auch kein Teil einer Regierung sein.“

Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne).
Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne). © FUNKE Foto Services | Mark Sandten

Sie hält Hamburg für einen „exakten Gegenentwurf zur Ampel in Berlin“. Bei Rot-Grün würden unterschiedliche Positionen intern besprochen. Sie glaube, dass das Vertrauen der Hamburger in den Senat groß sei. „Und deshalb bin ich auch sehr zuversichtlich, dass im März wieder viele Menschen in Hamburg mit ihrem Kreuz bei Grün zeigen: Wir wollen, dass ihr unsere Stadt fit für die Zukunft macht.“

Tschentscher: „Lindner war die personelle Schwachstelle“

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) nannte Olaf Scholz‘ Handeln eine weitreichende, aber „notwendige“ Entscheidung. Christian Lindner sei „schlicht mit der Situation überfordert gewesen“, sagte Tschentscher. „Er war zum Schluss nicht mehr in der Lage, einen Haushalt aufzustellen und auch nur ansatzweise drängende Fragen zu beantworten zur Finanzierung von Investitionen, Wachstumsimpulsen, Entlastung der Industrie und der weiteren Unterstützung der Ukraine gegen die russische Aggression, die auch unser Land bedroht“, so Tschentscher am Donnerstagmittag im Hamburger Rathaus.

Hamburger SPD-Landeschefs sehen Schuld für Eklat bei Lindner
Die Hamburger SPD-Landesvorsitzenden Melanie Leonhard und Nils Weiland stehen hinter dem aktuellen Kurs des Kanzlers und stärken ihm den Rücken – die Schuld für den Eklat trägt ihrer Auffassung nach Lindner. „Mit seiner Entscheidung, den Finanzminister zu entlassen, hat Olaf Scholz dem Streit in der Bundesregierung ein Ende gesetzt. Wer wie Christian Lindner am Tag der Wahl Donald Trumps sich und seine Partei über das Land stellt, handelt unverantwortlich. Gerade jetzt ist es aber mehr denn je geboten, zu vereinen und nicht zu spalten“, teilten sie in einem gemeinsamen Statement mit. Die Sozialdemokratie habe bewiesen, dass sie mit Krisen umgehen könne. „Mit einer vorgezogenen Bundestagswahl kommen auch auf die Parteien in Hamburg in den nächsten Monaten zusätzliche Aufgaben zu.“
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) © dpa | Daniel Bockwoldt

Wer keinen eigenen Plan habe, der sei die „personelle Schwachstelle“ einer Regierung. „Das hat sich gestern sehr krass gezeigt. Das ist eine ganz persönliche Fehlleistung.“ Und: „Das Verhalten von Christian Lindner und der FDP ist illoyal gegenüber dem Bundeskanzler und verantwortungslos gegenüber den nationalen Interessen der Wirtschaft und den Interessen der Bürgerinnen und Bürgern.“ Trotz der angespannten Haushaltslage des Bundes setze Hamburg Investitionsprogramme zur Modernisierung der Infrastruktur, für die Bildung, die Wissenschaft und den Klimaschutz „sowie zur Stärkung der inneren Sicherheit“ fort. Tschentscher sagte, er wünsche sich Neuwahlen im Bund entweder vor der Bürgerschaftswahl am 2. März 2025 oder danach. Es gehe darum, einen „eigenständigen Hamburg-Wahlkampf“ zu haben. „Eine Überlagerung bundespolitischer Themen in einem Hamburg-Wahlkampf wäre mir nicht recht.“

Hamburger CDU-Chef Thering fordert Scholz‘ Vertrauensfrage sofort

Dennis Thering, CDU-Landeschef und Vorsitzender der CDU-Bürgerschaftsfraktion, spießt in seinem Statement die Umstände des Ampel-Aus auf, spricht von einem „neuen Tiefpunkt“ und greift Kanzler Scholz auch persönlich an. Wie der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz plädiert er dafür, die Vertrauensfrage sofort zu stellen. Es nicht zu tun, sei eine „Insolvenzverschleppung mit Ansage“, so Thering. „Es war ein neuer Tiefpunkt, wie gestern mit gegenseitigen Diffamierungen ehemalige Kabinettskollegen aufeinander losgegangen sind. Scholz‘ Auftritt war eines Kanzlers unwürdig.“

Der Hamburger CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende Dennis Thering (Archivbild).
Der Hamburger CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzende Dennis Thering (Archivbild). © dpa | Markus Scholz

„Es gibt keinen Grund, noch weiter zu warten. Deutschland kann sich nicht über mehrere Monate hinweg eine Regierung ohne Mehrheit im Parlament und in der Bevölkerung und einen Dauer-Wahlkampf leisten. Hinzu kommen die Folgen des Wahlsiegs von Trump. Deutschland muss schnell wieder wirtschaftlich wachsen und militärisch stark sein, um ernst genommen zu werden und souverän handeln zu können.“

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Thering sagte, die Bundestagswahl könnte mit der Wahl zur Bürgerschaft am 2. März zusammenfallen. „Das macht es für uns in Hamburg umso spannender.“ Die CDU sei für beide Wahlen „hervorragend aufgestellt“, so stünden die Kandidaten auch für die Bundestagswahl bereits fest.

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD): „FDP hat Sicherheit geschwächt“

Innensenator Andy Grote (SPD) sagte zum Ampel-Aus sogar, die Zusammenarbeit mit der FDP sei in Fragen der inneren Sicherheit „immer wieder sehr schwierig“ gewesen. „Wichtige Gesetzesinitiativen aus dem Bundesinnenministerium wie die Verschärfung des Waffenrechts oder die Ermöglichung der Vorratsdatenspeicherung wurden zum Teil über Jahre blockiert.“ FDP-Justizminister Marco Buschmann habe „ideologisch begründbare Vorhaben vorangetrieben, die unsere Sicherheitsbehörden schwächen und uns in Zeiten großer Bedrohungen durch Terrorismus und organisierte Kriminalität zurückwerfen“.

Fallen Hamburger Bürgerschafts- und vorgezogene Bundestagswahl zusammen?

Die Hamburger Bürgerschaftswahl 2025 findet am 2. März statt - auch die Bundestagswahl? Landeswahlleiter Oliver Rudolf.
Die Hamburger Bürgerschaftswahl 2025 findet am 2. März statt - auch die Bundestagswahl? Landeswahlleiter Oliver Rudolf. © dpa | Jonas Walzberg

Sollte Kanzler Olaf Scholz die Vertrauensfrage stellen und ihm daraufhin das Misstrauen ausgesprochen werden, kann Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) Neuwahlen veranlassen. Ausgehend von einem Votum am 15. Januar, wie Scholz es derzeit plant, müsste eine vorgezogene Bundestagswahl bis spätestens zum 6. April stattfinden – so sehen es gesetzliche Fristen vor. Rein theoretisch ist es deshalb möglich, dass die Neuwahl auf den Tag der Bürgerschaftswahl, den 2. März, fällt. 

Hamburgs Landeswahlleiter Oliver Rudolf hält das aber für unwahrscheinlich: „Sofern es zu Neuwahlen kommt, dürfte die Frist auch ausgeschöpft werden“, sagt er dem Abendblatt. „Ich denke daher mit Blick auf die Fristen nicht, dass schon am 2. März eine Bundestagswahl durchgeführt werden könnte.“  Schließlich seien im Falle von Neuwahlen innerhalb kürzester Zeit enorme Vorbereitungen zu stemmen: Die Parteien haben ihre Wahlvorschläge einzureichen, es muss über die Zulassung der Parteien entschieden werden, die Erstellung des Wählerverzeichnisses steht an, der Druck der Stimmzettel, die Briefwahl. 

Anders stelle sich die Lage natürlich dar, wenn Olaf Scholz die Vertrauensfrage bereits eher als am 15. Januar stellt, wie es beispielsweise die CDU, aber auch der geschasste Christian Lindner fordern. Aber dieses Szenario sei zu diesem Zeitpunkt sehr spekulativ, so Rudolf.

Hamburger SPD-Landeschefs sehen Schuld für Eklat bei Lindner

Die Hamburger SPD-Landesvorsitzenden Melanie Leonhard und Nils Weiland stehen hinter dem aktuellen Kurs des Kanzlers und stärken ihm den Rücken – die Schuld für den Eklat trägt ihrer Auffassung nach Lindner. „Mit seiner Entscheidung, den Finanzminister zu entlassen, hat Olaf Scholz dem Streit in der Bundesregierung ein Ende gesetzt. Wer wie Christian Lindner am Tag der Wahl Donald Trumps sich und seine Partei über das Land stellt, handelt unverantwortlich. Gerade jetzt ist es aber mehr denn je geboten, zu vereinen und nicht zu spalten“, teilten sie in einem gemeinsamen Statement mit. Die Sozialdemokratie habe bewiesen, dass sie mit Krisen umgehen könne. „Mit einer vorgezogenen Bundestagswahl kommen auch auf die Parteien in Hamburg in den nächsten Monaten zusätzliche Aufgaben zu.“

Hamburger Linke froh über Ampel-Aus: Trauerspiel habe „endlich ein Ende gefunden“

Auch Hamburgs Linke äußern sich nun zum überraschenden Aus für die Ampel. Und Cansu Özdemir, Co-Fraktionschefin in der Bürgerschaft, und Co-Landessprecherin Sabine Ritter, sparen dabei nicht mit gepfefferter Kritik. „Das politische Trauerspiel hat nun endlich ein Ende gefunden – dieser tagtägliche öffentliche Schlagabtausch hatte schon längst das Regieren ersetzt. Doch die Ampel ist ja nicht nur an den Sabotage-Aktionen der FDP gescheitert, deren Politik-Verständnis kaum über Sylt hinaus geht. Die Ampel ist auch an der Hilflosigkeit gescheitert, mit der SPD und Grüne versuchten, ihre eigenen Fehlentscheidungen zu kaschieren: Die sparten uns immer weiter in die Krise hinein!“, sagt Özdemir. Die Ampel habe dadurch Zukunftsängste geschürt und „Hass und Hetze am rechten Rand“ befeuert.

Landessprecherin Ritter verbindet in ihrem Statement die Fehler der Bundespolitik mit jüngsten Entwicklungen in Hamburg. „Gerade neulich hat Hamburgs rot-grüne Regierung das Kirchenasyl gebrochen, um einen Menschen loszuwerden. Und ob Kuscheln mit kriminellen CumEx-Bankern, ob Deals mit einem korrupten Elbtower-Investor oder der Ausverkauf unseres Hafens an eine undurchsichtige Riesenreederei: Hamburgs SPD hat längst jeden Kompass verloren – und die mitregierenden Grünen stehen haareraufend daneben und halten das dann für entschiedene Politik.

Prominenter Austritt aus Hamburger FDP

Carl Cevin-Key Coste (FDP) spricht auf dem Hamburger Landesparteitag im September 2022. Kurz nach dem Ampel-Aus hat er die FDP verlassen.
Carl Cevin-Key Coste (FDP) spricht auf dem Hamburger Landesparteitag im September 2022. Kurz nach dem Ampel-Aus hat er die FDP verlassen. © picture alliance/dpa | Jonas Walzberg

Der Hamburger FDP-Mann Carl Coste (früher Chef der Jungliberalen) ist aus der Partei ausgetreten. Er machte die Politik der Ampel dafür verantwortlich und schrieb auf Instagram: „Nach 11 Jahren fällt mir dieser Schritt unglaublich schwer. Aber für diesen Kurs stehe ich nicht mehr zur Verfügung. Die Ampel ist gescheitert. Ein Scheitern, auf das die FDP in diesem Jahr geradezu wahnhaft hingearbeitet hat. Bei keiner politischen Initiative der FDP in den letzten Monaten habe ich den Enthusiasmus und die Beharrlichkeit gespürt, die man bei kritischen Äußerungen gegenüber Grünen und SPD an den Tag gelegt hat.“

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Hamburger Unternehmer: Rosenkrieg nützt nur den Populisten

Der wichtige Hamburger Unternehmensverband AGA nimmt nicht nur die Wirtschaft ins Auge bei der Kommentierung des Ampel-Aus. Es geht dem Präsidenten Hans Fabian Kruse auch um die Verteidigungsfähigkeit innerhalb der Nato, die mit Investitionen aufrechterhalten werden müsse, sowie um eine Migrationspolitik, die geregelt sei und für Arbeitskräftenachwuchs sorge. Kruse sagte: „In einer Zeit, in der Deutschland eine klare und zukunftsorientierte Führung benötigt, ist die Bundesregierung in der Zeitenwende buchstäblich aus der Kurve geflogen. Unser Land muss nun schnellstmöglich wieder in die Spur finden. Neuwahlen bieten die Chance, eine handlungs- und reformfähige Koalition zu formen, die den Herausforderungen unserer Zeit gewachsen ist.“ Der Verband warnte vor einem „langwierigen Wahlkampf“ und anhaltenden Schuldzuweisungen der politischen Akteure. Denn: „Ein solcher ,Rosenkrieg‘ könnte insbesondere die Populisten an den politischen Rändern stärken und unsere Demokratie schwächen.“

Christoph Ploß will Neuwahlen – so schnell es geht

Der Hamburger Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß (CDU) sieht im Ampel-Aus eine Chance für seinen Parteifreund Friedrich Merz: „Olaf Scholz muss jetzt so schnell wie möglich den Weg für Neuwahlen freimachen und die Vertrauensfrage im Deutschen Bundestag spätestens in der nächsten Woche stellen. Eine wochenlange Hängepartie bis ins nächste Jahr aus taktischen Gründen ist inakzeptabel.“

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AfD Hamburg vergleicht in Rundumschlag Ampel mit DDR

Die AfD in Hamburg nannte die Ampel in Berlin die „schlechteste Bundesregierung aller Zeiten“. Diese Formulierung würde auch zukünftige einschließen. In einem Rundumschlag erklärte AfD-Fraktionschef Alexander Wolf am Donnerstag: „Habeck und Scholz leben im Elfenbeinturm, die sich fern der Realität an die Macht klammern – das trägt Züge des DDR-Niedergangs. Immer mehr Bürger lehnen linksgrüne Irrwege ab, die Masseneinwanderung, das Klimagedöns, den Gender-Unsinn. Deutschland braucht rasche Neuwahlen und Deutschland braucht eine Wende, die diesen Namen verdient – zurück zu Vernunft und gesundem Menschenverstand!“

Finanzsenator Dressel nennt Lindners Entlassung „unvermeidlich“.

Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel
Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), der mehrfach inhaltlich mit Lindner über Kreuz lag, nannte dessen Entlassung „unvermeidlich“. Dressel postete bei Facebook ein Foto der Finanzministerkonferenz. Der Liberale habe in dieser Runde mehr als FDP-Parteivorsitzender agiert, plauderte Dressel aus und kritisierte dessen mutmaßlich fehlende Staatsräson. Dressel nannte ihn einen „Dauer-Nein-Sager“.

Hamburger Wirtschaft: „Das ist auch eine Chance“

Auch die Hamburger Wirtschaft sieht das Ampel-Aus kritisch – mit einem Zungenschlag von Optimismus: Hjalmar Stemmann, Präsident der Handwerkskammer, sagte, der Dreierkoalition im Bund sei es nicht gelungen, „der Wirtschaft die nötige Stabilität der Rahmenbedingungen zu geben“. Und: „Das Koalitionsende und ein langer Wahlkampf bis in den März hinein drohen die Lage noch zu verschärfen. Das ist gefährlich für Investitionen, Wachstum und Beschäftigung.“ Er warnte vor einer Hängepartie. Eine neue Regierung dürfe sich nicht nur auf die Industrie konzentrieren, sondern müsse Mittelstand und Handwerk mitdenken.

Ähnlich äußerte sich der Präses der Handelskammer, Norbert Aust: „Wir brauchen jetzt schnell klare Verhältnisse und verantwortungsvolles Handeln aller Beteiligten. Nach zwei Rezessionsjahren hintereinander dürfen dringend nötige Strukturreformen nicht weiter aufgeschoben werden. Bei aller Unsicherheit stellt die Neuaufstellung der Politik auch eine Chance dar, jetzt endlich entschlossen an der Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft zu arbeiten, damit die Unternehmen wieder stärkeres Vertrauen in den Standort Deutschland fassen können.“ 

Wissing-Austritt: Anjes Tjarks kritisiert nur Lindner

Mitten in die Erklärung von Verkehrsminister Volker Wissing, die FDP zu verlassen, twitterte Hamburgs Verkehrssenator Anjes Tjarks (auf X), Lindner habe Projekte mit seinen Finanzvorbehalten blockiert. Interessant: Der Hamburger Grünen-“Running-Mate“ von Katharina Fegebank nannte nicht etwa seinen Kollegen Wissing. Mit dem kam er auf der Verkehrsminister-Ebene offenbar gut aus. Hamburg ist bei seinen Großprojekten unmittelbar auf die Mitfinanzierung des Bundes angewiesen. Das betrifft die U5 und die S4, aber auch das neue digitale Stellwerk der S-Bahn Hamburg, ohne dass der neue Takt nicht möglich wäre.

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Am Nachmittag sagte Tjarks dem Abendblatt sehr deutlich: Christian Lindner habe „in der Regierung permanent die Opposition gespielt“. Lindner habe nicht verstanden, dass es große Investitionen brauche, „um die Bahn und die Autobahnen zu sanieren“. Er sagte, das sei eine Zukunftsaufgabe: „Jeder, der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden will, muss sich damit auseinandersetzen.“ Lindner sei schon daran gescheitert, einen grundgesetzkonformen Haushalt aufzustellen. „Er hat sich aus der Verantwortung gestohlen. Es war richtig, dass der Bundeskanzler ihn vor die Tür gesetzt hat.“ Den Parteiaustritt von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (zuvor FDP) nannte Tjarks „folgerichtig“.

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FDP-Kruse muss um Verlängerung in Berlin zittern

Der Hamburger FDP-Bundestagsabgeordnete Michael Kruse, dessen Ausflug nach Berlin schneller zu Ende sein könnte als gedacht, schrieb: „Schnelle Neuwahlen für ein stabiles Land statt Klammern an Posten.“ Deutschland habe kein Vertrauen in einen Kanzler Scholz mehr. Die FDP kämpft in Hamburg wie im Bund um Plätze im Parlament. Es gab für die Elbliberalen zuletzt Ab- und Zugänge mit Anna Treuenfels-Frowein (CDU) und Joachim Seeler (von der SPD). Kruse erklärte weiter: „Kanzler Olaf Scholz hat fertig. Er hat das Land in eine Sackgasse geführt. In einem feinsäuberlich geplanten Statement hat er heute versucht zu begründen, warum ein Verfassungsbruch jetzt der richtige Weg für das Land wäre. Deutschland braucht statt Verfassungsbrüchen jetzt den Mut zur Veränderung und eine echte Wirtschaftswende.“ Ob Lindner zum Wahlkampf nach Hamburg kommt? Ob das eher nützen oder schaden würde, muss man auch bei Scholz oder Habeck fragen.