Hamburg. Kay Uwe Arnecke geht in den Ruhestand – mit einer erleichternden Botschaft für Fahrgäste. Peter Tschentscher erhebt brisante Forderung.
Die Hamburger S-Bahn kann dank einer finanziellen Zusage der Bundesregierung in den kommenden Jahren so stark wachsen wie geplant. Für die rund 750.000 täglichen Fahrgäste bedeutet das: erheblich mehr Züge, eine höhere Pünktlichkeit, ein schnelleres Abbauen von Verspätungen und Beeinträchtigungen im Bahnverkehr. Der Ausbau der Problemstrecke auf den Linien S3 und S5 zwischen dem Alten Land, Harburg und der Hamburger City sowie die Neubauvorhaben S4 und S6 dürften in besonderem Maße profitieren.
Wie der scheidende Hamburger S-Bahnchef Kay Uwe Arnecke bei seiner offiziellen Verabschiedung am Freitag im Hafenklub beinahe beiläufig sagte, habe das Finanzministerium von Christian Lindner (FDP) einen Sperrvermerk zur Finanzierung eines digitalen Stellwerks in Hamburg aufgehoben. Die Millionen-Mittel aus dem Verkehrsministerium von Volker Wissing (FDP) können nun Richtung Hamburg fließen. Arnecke übergibt den Vorsitz der Geschäftsführung bei der Hamburger S-Bahn – einer Tochter der Deutschen Bahn – Anfang August an Jan Schröder.
S-Bahn Hamburg: Digitales Stellwerk bringt 400 Züge mehr pro Tag
Monatelang hatten S-Bahn und Hamburger Senat um die Millionen aus Berlin gebangt. Auf einem internen Streichpapier für den Bahn-Aufsichtsrat soll das Digitale Stellwerk gestanden haben. Doch nur mit dieser neuen Einrichtung sind mehr Züge ohne einen aufwendigen Bau von Gleisen und Signalen überhaupt möglich. Der Bund fördert die Planung des Digitalen Stellwerks zunächst mit 31,5 Millionen Euro, die Kosten für den Bau und die Inbetriebnahme dürften bei mehreren Hundert Millionen Euro liegen.
Ende der 2020er-Jahre könnten pro Tag 400 Züge mehr über die S-Bahn-Gleise in Hamburg rollen. Das entspräche einer Kapazitätserweiterung von rund 30 Prozent, sagte Arnecke. Das ist durch die digitale Technik deshalb möglich, weil die Züge über das neue Stellwerk miteinander kommunizierten, in höherer Taktung fahren können und so mehr Platz für noch mehr Fahrgäste wäre. Statt zwei könnten binnen zehn Minuten nun drei Züge fahren. Außerdem macht es die digitale Technik möglich, dass Züge zu unterschiedlichen Zeiten von ihrer jeweiligen Haltestelle anfahren, sodass die Spitzenlasten beim Strombedarf reduziert werden können.
Deutsche Bahn: Peter Tschentscher fordert ein Sondervermögen
Für den scheidenden S-Bahnchef Arnecke ist dieses scheinbar kleine Detail extrem wichtig. Er war es, der die Hamburger S-Bahn schon vor Jahren auf 100 Prozent Ökostrom getrimmt hat. „Heute“, sagte Bahnchef Richard Lutz in Hamburg bei Arneckes Verabschiedung, „gilt das für die Deutsche Bahn als wegweisend.“
Und ganz im Sinne des „Doppel-Wumms“, den Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als sprachliche Metapher für stabile Energiepreise und eine Entlastung der Bürger durch die Inflation wählte, äußerte sich auch Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) klar wie selten zur Verkehrs- und Haushaltspolitik der Ampel-Regierung in Berlin.
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Mit Blick auf marode Schienen und die gewaltigen Probleme der Deutschen Bahn und eine dennoch notwendige Mobilitätswende sprach sich Tschentscher bei Arneckes Verabschiedung für ein Sondervermögen für die Bahn aus. In Anwesenheit von Bahnchef Lutz sagte Tschentscher, die Bahn brauche etliche Milliarden Euro, und die könnten nicht mehr aus einem „kameralen Haushalt“ finanziert werden.
Mitten in den Debatten um Schuldenbremsen und eine Verringerung des Bahn-Angebots, das CDU-Chef Friedrich Merz ins Gespräch gebracht hatte, war das Tschentschers Bekenntnis zu außergewöhnlichen Maßnahmen, um die Bahn und ihr Angebot auszubauen.