Hamburg. Immer wieder kommt es zu tragischen Unglücken wie dem Crash, bei dem ein Zweijähriger starb. Folgen für Unfallfahrer sind unterschiedlich.

  • Innerhalb weniger Wochen wurden in Hamburg mehrere Menschen im Straßenverkehr tödlich verletzt
  • Immer wieder Abbiegeunfälle. Häufig handelt es sich um „Augenblicksversagen“ der Fahrer
  • Für einen der Verursacher gab es sogar schon „lebenslänglich“

Überall Splitter und Trümmer. Und irgendwo dazwischen ein Mensch. Das Gesicht ist bleich, und aus etlichen Wunden sickert das Blut. Rettungskräfte eilen zum Unfallort, bemühen sich um das Leben des Opfers, transportieren es ins Krankenhaus. Doch dann stellt sich heraus: Der Schwerverletzte war nicht mehr zu retten. Ein Mensch ist gestorben, unverhofft – und unverschuldet. Die Person war schlicht zur falschen Zeit am falschen Ort.

Es sind tragische Unglücke, die riesiges Leid verursachen – mit Opfern, die nichts getan haben, um eine Tat zu provozieren, aber trotzdem mit dem Leben bezahlen mussten. Und ihre Angehörigen haben lebenslänglich unendliche Trauer, dauerhaften Verlust. Was aber geschieht mit den Tätern, die das Leid verursacht haben? In vielen Fällen enden Prozesse gegen Menschen, die im Straßenverkehr in Hamburg einen tödlichen Unfall verursacht haben, mit Geldstrafen oder Bewährung für den Angeklagten. Das sind in der Regel Autofahrer, denen ein „Augenblicksversagen“ vorgeworfen wurde. Doch in einzelnen Fällen werden hohe Haftstrafen verhängt, unter Umständen sogar lebenslänglich wegen Mordes.

Polizei Hamburg: Zweijähriger starb bei Verkehrsunfall – gab es ein Fahrzeugrennen?

In den vergangenen Monaten haben unterschiedlichste Unglücke die Menschen in Hamburg erschüttert. Da war Ende August der Verkehrsunfall am Schiffbeker Weg, bei dem ein Auto in den Van einer Familie krachte und ein Zweijähriger auf dem Rücksitz des Fahrzeugs tödlich verletzt wurde. Hintergrund ist möglicherweise ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen. Im Juli starb ein Familienvater bei einem Verkehrsunglück am Jungfernstieg, als ein Fahranfänger mit seinem Wagen von der Straße abkam und gegen einen Transporter geschleudert wurde. Dieser erfasste den 39-jährigen Familienvater, der tödliche Verletzungen erlitt. In beiden Fällen dauern die Ermittlungen noch an. Doch es spricht viel dafür, dass sich die Unfallverursacher vor Gericht werden verantworten müssen.

An der Osdorfer Landstraße wurde im August vergangenen Jahres ein 15 Jahre alter Radfahrer von einem Lkw erfasst und getötet.
An der Osdorfer Landstraße wurde im August vergangenen Jahres ein 15 Jahre alter Radfahrer von einem Lkw erfasst und getötet. © Hinnerk Blombach | Hinnerk Blombach

Ein anderer Fall, der ebenfalls Hamburg erschüttert hatte, war der Tod eines 15-Jährigen im August vergangenen Jahres, der bei einem sogenannten Abbiegeunfall an der Osdorfer Landstraße von einem Lkw erfasst worden war und unter das tonnenschwere Fahrzeug geriet. Der Lkw-Fahrer wurde jüngst vor Gericht zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Außerdem muss er 2500 Euro bezahlen und darf zwei Monate lang nicht Auto fahren. 

15-Jähriger wurde Opfer eines „Abbiegeunfalls“. Bewährung für Autofahrer

Fast 19 Meter war der Lkw mit seinem Anhänger lang. Mit diesem großen Gespann wollte der Fahrer eine Abkürzung nehmen – quer über den Parkplatz eines Discounters, auf dem Lkw sogar verboten sind. Der 68-Jährige erfasste beim Abbiegen das Fahrrad des 15-Jährigen, der auf dem Radweg geradeausfuhr. Ein Verkehrssachverständiger hatte im Prozess dargelegt, dass der Fahrer den 15-Jährigen bis zwei Sekunden vor dem Abbiegen im Spiegel hätte sehen können. Zudem war der Lkw-Fahrer auch noch zu schnell gefahren.

Häufig kam es für die Unfallfahrer in weiteren Abbiegeunfällen zu Geldstrafen wegen fahrlässiger Tötung – so wie beispielsweise nach einem Unglück in Barmbek-Nord, bei dem eine 88-jährige Fußgängerin von einem Lkw-Fahrer erfasst wurde. Der 50-Jährige erhielt schließlich im April vergangenen Jahres im Prozess vor dem Amtsgericht eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 25 Euro. Genau dieses Strafmaß hatte auch die Staatsanwaltschaft beantragt. Im Plädoyer der Staatsanwältin nannte diese das Verhalten des Unfallfahrers ein „Augenblicksversagen“. Die Richterin sprach von einem „tragischen Sachverhalt“.

Richter spricht von „tragischer Geschichte“

Und im Juni vergangenen Jahres wurde gegen einen Unfallfahrer eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu 75 Euro, also 9000 Euro, verhängt. Der 54-Jährige hatte mit seinem Kieslaster in Hamburg-Poppenbüttel eine 19-jährige Radfahrerin erfasst. Beide, der Lkw und die Radfahrerin, hatten an einer roten Ampel gewartet und waren losgefahren, als die Ampel auf Grün sprang. Beim Rechtsabbiegen missachtete der Fahrer des 30-Tonnen-Lkw die Vorfahrt der jungen Frau, die auf ihrem Rad von dem Kieslaster erfasst wurde. Die Hamburgerin, die auf dem Rad telefoniert hatte, verstarb noch am Unfallort.

„Einen Ausgleich für eine solche Tragödie“ könne ein Strafprozess nicht leisten. „Nichts kann dies ungeschehen machen“, sagte der Richter in der Urteilsbegründung. Aber Prozesse wie dieser zeigten, dass der Rechtsstaat auf Fahrlässigkeitsdelikte reagiert. Wenn der Angeklagte umsichtiger gefahren wäre oder sogar angehalten hätte, hätte er durch den Frontspiegel die Radfahrerin „sehr wohl sehen können“, so der Richter. „Es ist der Bruchteil einer Sekunde, der über ein Schicksal entscheidet. Das ist das Tragische an der Geschichte.“ Hier sei das Leben einer jungen Frau zerstört worden.

„Unfallfahrer von Eppendorf“ erhielt dreieinhalb Jahre Freiheitsstrafe

Ein anderer Unfall, der sich vor nunmehr 13 Jahren ereignete, ist wegen seiner dramatischen Folgen noch in Hamburgs kollektivem Gedächtnis. Ein Wagen war am 12. März 2011 in Eppendorf nach einer Kollision mit einem anderen Auto durch die Luft geflogen und dann auf den Bürgersteig gekracht. Vier Menschen, die an einer Ampel gewartet hatten, starben, drei weitere wurden schwer verletzt. Es war eines der schwersten Verkehrsunglücke in der Hamburger Geschichte – und es wäre nach Überzeugung des Gerichts, das später über den Fall verhandelte, für den Fahrer des Unfallautos „vorhersehbar und vermeidbar“ gewesen.

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Wenn Lkw rechts abbiegen – und Radler totgefahren werden

Dem Tod auf der Spur - der True-Crime-Podcast

Denn der damals 38-Jährige war an Epilepsie erkrankt und hatte immer wieder deutlich Hinweise bekommen, wie gefährlich es ist, sich trotz seiner Erkrankung ans Steuer zu setzen. Drei vorangegangene Unfälle waren belegt. Außerdem war ihm von seinem Arbeitgeber bereits das Fahren zu dienstlichen Zwecken verboten worden. Schließlich verhängte die zuständige Kammer des Landgerichts gegen den 38-Jährigen wegen fahrlässiger Tötung eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten – und fünf Jahre Führerscheinentzug. Der Hamburger hätte erkennen müssen, so das Gericht in der Urteilsbegründung, dass jederzeit mit einem epileptischen Anfall zu rechnen war.

Raser mit AMG unterwegs. Ihm wurde „rücksichtsloses Fahrverhalten“ attestiert

Auch ein weiterer Unfall zeigt, dass durchaus auch mit Gefängnisstrafen für die Autofahrer reagiert wird, wenn es sich eben nicht um ein Augenblicksversagen handelt, sondern sich der Fahrer weitere Versäumnisse zuschulden kommen lässt. In diesem Fall wurde der Fahrer eines Mercedes AMG zu 20 Monaten Haft verurteilt – ohne Bewährung. Der 29-Jährige hatte am 2. Weihnachtsfeiertag 2019 die Kontrolle über seinen hochmotorisierten Wagen verloren und war mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit auf der Ortsumgehung Finkenwerder ungebremst in einen Aufprallschutz an der Straße gekracht.

Eine 20-Jährige starb, ihre Schwester und der Unfallfahrer wurden schwer verletzt. Der Mann war eindeutig zu schnell gefahren, hatte bereits zuvor mehrere Verstöße gegen das Tempolimit begangen. Ihm wurde ein rücksichtsloses Fahrverhalten attestiert.

Polizei Hamburg: „Raser vom Ballindamm“ erhielt lebenslange Haft wegen Mordes

Lebenslänglich wegen Mordes: So lautete das Urteil nach einem anderen Unfall, bei dem ein junger Mann starb und zwei weitere Menschen schwer verletzt wurden. Der Unfallfahrer, der als „Taxi-Raser vom Ballindamm“ bekannt wurde, war alkoholisiert in einem gestohlenen Taxi unterwegs und auf der Flucht vor der Polizei, als er am Morgen des 4. Mai 2017 am Ballindamm mit einem weiteren Taxi kollidierte. Bei dem Zusammenstoß starb einer der beiden Fahrgäste, ein junger Barkeeper. Sein Kollege verletzte sich lebensgefährlich. Auch der Taxifahrer, der sich zahlreiche Brüche zugezogen hatte, kämpfte noch lange mit den gesundheitlichen Folgen des Unfalls.

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Nach der Beweisaufnahme sah es das Gericht als erwiesen an, dass der damals 25 Jahre alte Unfallfahrer teilweise mit Tempo 130 durch die Stadt gerast war, sogar zwischenzeitlich auf 145 km/h beschleunigt hatte und auf die Gegenfahrbahn gewechselt war. Das Landgericht hatte in seinem Urteil einen „bedingten Tötungsvorsatz“ angenommen. Spätestens mit dem Wechsel auf die Gegenfahrbahn sei dem Täter das Leben anderer wie das eigene Leben gleichgültig gewesen. Ricardas D. habe bewusst, rücksichtslos und billigend den Tod von Menschen in Kauf genommen, so die Begründung des Richter.

Gegen das Urteil war die Verteidigung, die auf fahrlässige Tötung und Körperverletzung plädiert hatte, in Revision gegangen. Doch der Bundesgerichtshof hatte das Urteil bestätigt. Es war das erste Mal in der Bundesrepublik, dass jemand nach einem tödlichen Unfall rechtskräftig zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt wurde.