Hamburg. Hamburger Top-Kriminalist ermittelt weiter. Beging Serienkiller noch mehr Taten? Live-Veranstaltung mit Experten. „Es war unheimlich!“

  • „Er war es!“ Zum Serienmörder Wichmann gibt es immer weitere Hinweise von Frauen.
  • Live-Veranstaltung mit Hamburger Top-Kriminalist Reinhard Chedor und Rechtsmediziner Klaus Püschel
  • „Totenwald“ Göhrde: Jetzt führt die Spur auch zu den „Disco-Morden“ in Cuxhaven

Er hat ein Paar aus nächster Nähe ermordet. Er hat zwei anderen Menschen aufgelauert und sie umgebracht. Und er hat eine weitere Frau auf dem Gewissen. Mit diesen fünf Verbrechen, die Killer Kurt-Werner Wichmann zugeschrieben werden, ist die Mordserie des Friedhofsgärtners wohl noch lange nicht beendet. Er ist vermutlich verantwortlich für mehr als 20 Frauenmorde in Deutschland – und damit die spektakulärste Verbrechensserie des Landes. Wichmanns Spur führt nicht nur in den Großraum Hamburg und zu den Göhrde-Morden, sondern unter anderem auch durch Niedersachsen sowie nach Süddeutschland.

Wichmann hat dafür gesorgt, dass er sich für seine Taten nicht mehr vor Gericht verantworten muss. Er beging, nachdem er festgenommen worden und in Untersuchungshaft gekommen war, im April 1993 in einer Gefängniszelle im baden-württembergischen Heimsheim Suizid.

True Crime Hamburg: Das war die wohl schlimmste Mordserie von Deutschland

Doch wenn ein mutmaßlicher Mörder tot ist, sind seine Taten noch lange nicht vergessen. Ein Team von Spezialisten, allen voran der Top-Kriminalist Reinhard Chedor und der bundesweit bekannte Hamburger Rechtsmediziner Klaus Püschel, sind ihm weiter auf der Spur.

Sie wollen ermitteln, wie viele weitere Morde Wichmann begangen hat. Es geht um die Aufklärung von ruchlosen Verbrechen. Und es geht darum, den Angehörigen von Opfern und seit Jahrzehnten Vermissten endlich Gewissheit zu geben, welches Schicksal ihren Liebsten widerfahren ist. Mittlerweile hat Netflix verfilmt, wie sich Wichmanns blutige Spur durch Deutschland zieht und was Chedor und Püschel mit hartnäckigen Ermittlungen und bedeutsamen Erkenntnissen aus der Rechtsmedizin aufgedeckt haben.

Kurt-Werner Wichmann gilt als ein Mann, der mindestens fünf Morde, sehr wahrscheinlich aber viele weitere, begangen hat.
Kurt-Werner Wichmann gilt als ein Mann, der mindestens fünf Morde, sehr wahrscheinlich aber viele weitere, begangen hat. © Landeszeitung

Nun können Interessierte in Hamburg bei einer True Crime Veranstaltung auf großer Bühne miterleben, wie die Experten Chedor und Püschel neueste Ermittlungsergebnisse liefern und Hintergründe brutaler Taten darstellen. Auch weitere spektakuläre Verbrechen mit engem Bezug zu Hamburg stehen im Fokus dieses Abends am 10. Oktober.

Frauen erzählen von bedrohlichen Situationen, aus denen sie nur knapp entkommen konnten

„Es gibt mehrere Hinweise von Frauen, die mir berichtet haben, dass sie genötigt werden sollten, in ein Auto zu steigen“, erzählt Chedor im Zusammenhang mit dem Fall Kurt-Werner Wichmann. „Sie erzählen von höchst bedrohlichen Situationen, aus denen sie einem Mann gerade eben noch so entkommen konnten.“ Manche dieser Zeuginnen seien sich sicher, dass es Wichmann war, der sie angesprochen, bedrängt und verfolgt hatte. „Andere halten es für sehr wahrscheinlich, dass es sich bei dem Täter um Wichmann handelte.“

Diese Aussagen sprechen dafür, dass Wichmann hinter einer Serie von Verbrechen stecken könnte, die in den 1970er- und 1980er-Jahren die Region um Cuxhaven erschüttert hat: die sogenannten „Discomorde“. Erstmals war in der Nacht vom 7. auf den 8. Oktober 1977 eine 16-Jährige spurlos verschwunden, nachdem sie eine Diskothek besucht hatte. Mehrere weitere ähnliche Fälle mit vermissten jungen Frauen ereigneten sich in der Folgezeit – bis die Serie 1987 plötzlich abreißt. Das Schicksal der sieben jungen Frauen ist bis heute nicht geklärt.

Begebenheiten würden ins „Beuteschema“ von Wichmann passen

Die neuen Hinweise, die Chedor in jüngster Zeit von Zeuginnen erhalten hat, sind sehr ernst zu nehmen – und würden ins „Beuteschema“ von Wichmann passen. Von dem Mann, der als Friedhofsgärtner im Raum Lüneburg arbeitete, weiß man, dass er sehr viel mit dem Auto unterwegs war und dabei offenbar häufig auf der Suche nach potenziellen Opfern. Auch die Begebenheiten, die die Frauen jetzt Chedor schilderten, spielten sich auf der Straße ab – und zwar genau entlang jener Route, auf der im Zusammenhang mit den „Disco-Morden“ die jungen Frauen spurlos verschwanden: die B6 beziehungsweise die A27.

Einige der Frauen, mit denen der Kriminalist gesprochen hat, waren seinerzeit als Anhalterinnen unterwegs, andere schlicht auf dem Weg nach Hause. „Eine Frau berichtete mir beispielsweise, dass sie mit dem Rad von einer Freundin nach Hause fahren wollte, als neben ihr ein Mercedes hielt und der Fahrer sie aufforderte, einzusteigen“, erzählt Chedor.

Die Frau sei nach ihrer Darstellung voller Angst und so schnell, wie es eben ging, weitergefahren, wobei sie der Wagen weiter verfolgt habe. Schneller und schneller trat sie in die Pedale, ohne den Verfolger abschütteln zu können. Doch als sie schließlich in einen Feldweg zu ihrem Elternhaus abbog, fuhr der Wagen geradeaus weiter. „Es war extrem unheimlich“, beschreibt sie noch heute die Minuten, in denen sie vor dem Mann im Auto floh.

Ist Kurt-Werner Wichmann auch der „Disco-Mörder“?

Eine andere Zeugin berichtete Chedor, dass sie seinerzeit auf einem landwirtschaftlichen Weg mit dem Rad fuhr, als ein Mercedesfahrer aus seinem Kofferraum ein Beil holte und sich ihr in den Weg stellen wollte. Doch in diesem Augenblick kommt ein Trecker vorbei. Der Mann steigt wieder ein und fährt weg. Als die Frau vor einiger Zeit im Zusammenhang mit einem Fernsehbericht ein Foto von Wichmann sah, lief es ihr kalt über den Rücken. „Ach du Schande!“ Sie glaubt, es könnte der Mann von damals gewesen sein.

Nach Ansicht von Kriminalist Chedor erhärten solche Schilderungen deutlich den Verdacht, dass Wichmann hinter den Disco-Morden stecken könnte. So ereigneten sich die Erlebnisse der Frauen genau zu der Zeit, als die Verbrechensserie den Raum Cuxhaven erschütterte. Zudem habe Wichmann gerade in dieser Region Ortskenntnisse gehabt, weil er damals in dem Kreis als Lieferant gearbeitet habe.

Unter anderem spreche weiterhin dafür, dass nach Darstellung der Frauen ihr jeweiliger Verfolger in einem Mercedes unterwegs war. „Und Wichmann, auf den 26 Autos legal zugelassen waren, der aber Zugang zu weiteren Wagen hatte, bevorzugte eindeutig die Marke Mercedes“, erzählt Chedor.

Friedhofsgärtner ermordete zwei Paare in der Göhrde

Dafür, dass Wichmann jedenfalls für die sogenannten Göhrde-Morde aus dem Jahr 1989 verantwortlich ist sowie für einen weiteren Mord in der Nähe von Lüneburg, gibt es so viele Hinweise, dass die Fälle als aufgeklärt gelten. In der Göhrde, einem riesigen Forstgebiet im nordöstlichen Niedersachsen, wurde am 21. Mai 1989 ein Ehepaar aus Hamburg-Bergedorf, das dort einen Spaziergang hatte machen wollen, erschossen.

Aus einer Senke, dem wahrscheinlichen Tatort, wurden die Opfer dann vom Mörder zu einem Ort in der Nähe verbracht und versteckt. Dann flüchtete der Täter mit dem Wagen des Paares und stellte ihn am Bahnhof im niedersächsischen Winsen ab. Sieben Wochen blieb das Schicksal der Eheleute, die von ihren Töchtern nach ihrem Verschwinden als vermisst gemeldet wurden, zunächst ungewiss. Erst am 12. Juli 1989 entdeckten drei Blaubeersammler die Leichen der Opfer.

Und noch während die Kriminalpolizei den Fundort inspizierte und die Ermittlungen aufnahm, wurden ganz in der Nähe die nächsten zwei Menschen ermordet. Es handelte sich um ein Liebespaar, das offenbar einen Ausflug in die Göhrde gemacht hatte und dort auf seinen Mörder getroffen war. Der Täter hatte die Opfer sehr wahrscheinlich mit einer Schusswaffe bedroht, sie gefesselt und dann getötet. Beide Opfer wiesen Kopfschüsse auf sowie weitere schwere Verletzungen.

So bekam die Göhrde den Beinamen „Totenwald“

Unterdessen konnte bei den zuerst getöteten Eheleuten wegen der langen Dauer, bis die Leichen gefunden wurden, eine Todesursache nicht genau festgestellt werden. Allerdings ist eindeutig, dass sie gewaltsam ums Leben gekommen waren.

Lange blieb unklar, wer für diesen Doppelmord sowie für die Tötung des zweiten Paares verantwortlich ist. Doch schließlich gab es mehrere Ermittlungsansätze, unter anderem in den Autos der Opfer sichergestellte DNA, die zu einer heißen Spur führte. Der ehemalige Friedhofsgärtner Kurt-Werner Wichmann geriet in den Fokus der Ermittlungen.

Im Dezember 2017, 28 Jahre nach den Verbrechen, die der Göhrde eine Zeit lang den Beinamen „Totenwald“ eingebracht hatten, gab die Polizei Niedersachsen bekannt, dass Wichmann sehr wahrscheinlich der Täter ist. Gegen einen weiteren Mann, der im Verdacht steht, Wichmann bei den Morden geholfen zu haben, gibt es noch keine ausreichenden Beweise.

Erst 28 Jahre nach dem Verschwinden wird das Schicksal eines Opfers geklärt

Der fünfte Mord aus dem Jahr 1989, der sehr wahrscheinlich von Wichmann begangen wurde, ist die Tötung von Birgit Meier, der Schwester des damaligen Hamburger LKA-Chefs und späteren Polizei-Vizepräsidenten Wolfgang Sielaff. Zunächst galt der Fall Meier, die in der Nacht vom 14. auf den 15. August spurlos aus ihrem Haus in Brietlingen verschwunden war, für die Lüneburger Polizei als Vermisstenfall. Doch für Sielaff war immer klar, dass seine Schwester nicht einfach so untergetaucht wäre. Er war überzeugt, dass sie Opfer eines Verbrechens wurde.

Birgit Meier, die Schwester des Hamburger Polizei-Vizepräsidenten Wolfgang Sielaff, verschwand 1989 spurlos.
Birgit Meier, die Schwester des Hamburger Polizei-Vizepräsidenten Wolfgang Sielaff, verschwand 1989 spurlos. © Landeszeitung

Nach seiner Pensionierung im Jahr 2002 hatte Sielaff endlich Zeit, sich systematisch und akribisch dem Fall seiner Schwester zu widmen. Er schart ein Team aus hochkarätigen Experten um sich – unter anderem Kriminalist Chedor und Rechtsmediziner Püschel. Gemeinsam finden sie eine Vielzahl von Beweismitteln, die für Wichmann als Mörder sprechen. Unter anderem entdecken sie in einem „geheimen Zimmer“ im früheren Wohnhaus des Friedhofsgärtners Hinweise.

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Weitere Indizien liefert eine Blutspur an einer Handfessel aus dem Besitz Wichmanns, an der die DNA von Birgit Meier nachgewiesen werden kann. Und schließlich, im Jahr 2017 wird der Leichnam der Frau entdeckt. Die Tote war in einer geheimen Grube unter einer Garage vergraben. Es ist die frühere Garage Wichmanns. Birgit Meier war von ihm erschossen worden. 28 Jahre nach ihrem Verschwinden ist das Schicksal der damals 41-Jährigen endlich geklärt.

Polizei durchsucht Haus von mutmaßlichem Serienmörder
Lüneburg: Polizisten suchen nach Spuren auf dem Grundstück des mutmaßlichen Serienmörders Wichmann. © picture alliance / Philipp Schulze/dpa | Philipp Schulze

True Crime in Hamburg: Hier gibt es Tickets

„World of Crime – Spuren eines Serienkillers“ heißt die True-Crime-Veranstaltung, in der die Morde Wichmanns von den Insidern Chedor und Püschel aufgeschlüsselt und präsentiert werden. Neben dem Kriminalisten und dem Rechtsmediziner ist außerdem Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher mit von der Partie, die gemeinsam mit Püschel zwei besonders spannende Fälle darstellen wird. Moderiert wird die Veranstaltung von True-Crime-Talker Tino Grosche.

Los geht es am Donnerstag, 10. Oktober, um 18.30 Uhr (Einlass ab 17.30 ) in der Medical School Hamburg (MSH), Auditorium Golden Eye, Großer Grasbrook 17, 20457 Hamburg. Tickets für die zweieinhalbstündige Veranstaltung (29,99 Euro) gibt es online unter blutspuren-event.de und bei tivents.de unter dem Stichwort „World of Crime“ sowie an allen Vorverkaufsstellen.