Hamburg. Bis zu 1500 Kinder sollen hier Platz haben. Kurios: Pläne für Campusschule in Lokstedt wurden erst nach Abendblatt-Bericht veröffentlicht.
- Neben dem NDR in Hamburg-Lokstedt wird eine Campusschule gebaut
- Sie soll das Abitur nach acht oder neun Jahren anbieten (G8 oder G9)
- Der NDR ist angehalten, bestimmte Grundstücke zu verkaufen und Gebäudekonzepte zu überprüfen
- Was für den Neubau geplant ist
Es gibt wohl keine Schule in Hamburg, um die solch ein Geheimnis gemacht wurde wie um diese. Ihr Name fehlte auf Listen und Karten der Schul- und Finanzbehörde, als zuletzt die großen Bauprojekte der kommenden Jahre im Schulbau Hamburg vorgestellt wurden. Dabei wäre dieses Megaprojekt mehr als eine Randnotiz. Oder liegt die bisherige Geheimhaltung daran, dass erst einem prominenten Eigentümer an nicht minder prominenter Stelle ein Grundstück abgekauft werden musste? Oder daran, dass möglicherweise einige Kleingärten verlegt werden müssen, damit hier in Zukunft Kinder lernen, spielen und Sport machen können?
Wer sehr genau im Haushaltausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft zugehört und sich durch Drucksachen gewühlt hat und wer zusätzlich im Bezirksamt Eimsbüttel seine Ohren aufsperrte, der erfuhr, was selbst Anwohnern und Nachbarn neu ist: Hamburg plant in Lokstedt auf bisherigem Gelände des Norddeutschen Rundfunks (NDR) in der Nähe des Tierparks Hagenbeck und der U-Bahn-Station der U2 einen großen Schulcampus, genannt „Campusschule“.
Schule Hamburg: Neuer Campus neben NDR in Lokstedt geplant
Neben „Tagesschau“ und den Verantwortlichen für die „Sesamstraße“ mit Ernie und Bert (wird in Tonndorf produziert) entsteht am Hugh-Greene-Weg in den kommenden Jahren ein modernes Lernzentrum für bis zu 1500 Schülerinnen und Schüler. Hier kann das Abitur wahlweise nach acht oder neun Jahren (G8 und G9) erlangt werden. Die Campusschule Lokstedt wird auf 2,6 Hektar Fläche siebenzügig sein, also stattliche Dimensionen haben. Eine Sporthalle soll zudem gebaut werden.
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All das ist der Schülerentwicklung geschuldet, die hier im wachsenden Lokstedt und dem gleichfalls boomenden Stellingen mit seinem Neubauquartier am Sportplatzring erwartet wird. In einem Beschluss der Bezirksversammlung Eimsbüttel aus dem September 2023 heißt es bereits, dass das große Bevölkerungswachstum in Lokstedt den Bau einer „Campus-Stadtteilschule“ erfordere. Im Zusammenhang mit dem Bebauungsplan „Lokstedt 70“ habe man den Standort am Hugh-Greene-Weg bereits erörtert.
Abitur: G8 und G9 an Campusschule Lokstedt
DIe neue Schule solle die Stadtteilschulen und Gymnasien „der Region“ entlasten. Sie solle „Schülerfirmen/Werkstätten und andere Stadtteilkooperationen“ möglich machen. Die vier Sporthallenfelder sollen die Engpässe im Stadtteil am Abend und an den Wochenenden entlasten.
Der Bürgerschaftsabgeordnete Milan Pein (SPD), selbst Lokstedter, bestätigte dem Abendblatt die Pläne. Wann Baubeginn sein kann und wann die ersten Schülerinnen und Schüler neben den NDR- und ARD-Studios durchs Schultor gehen, ist noch nicht ausgemacht. Auch Peins Fraktionskollege Marc Schemmel hat das Projekt bereits auf seiner Liste fest eingeplant.
Die Schulbehörde bestätigte nach der Abendblatt-Veröffentlichung am Dienstag die Pläne für Lokstedt. Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD) sagte: „Ich freue mich sehr, dass wir in unmittelbarer Nähe zu Hagenbecks Tierpark und damit verkehrstechnisch sehr gut gelegen eine neue Campus-Stadtteilschule bauen können. In einer sehr verdichteten Stadt wie Hamburg ist das ein großes Glück.“
NDR muss in Hamburg Immobilien und Grundstücke verkaufen
Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) sprach von „vertrauensvollen Verhandlungen mit dem NDR“. Der öffentlich-rechtliche Sender nennt mehrere Grundstücke und Immobilien in Hamburg sein Eigen, die Interessenten angeboten werden. Wie der NDR dem Abendblatt mitteilte, komme man einer Aufforderung nach, die die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten an den Sender gestellt habe. Die KEF forderte den NDR auf, sich von „nicht betrieblich genutzten Flächen und Gebäuden zu trennen und Standortkonzepte zu prüfen“. Ein Haus an der Oberstraße in Rotherbaum hatte der Sender zuletzt verkauft. Ihm gehören weitere, zum Teil besonders wertstarke Immobilien rund um den Stammsitz Rothenbaumchaussee.
Noch nicht eingeschlossen war das Projekt in den bisher veröffentlichten Senatsplänen zum Schulneu- und umbau. Seit dem Jahr 2011 sind unter anderem mit Mitteln des Bundes rund fünf Milliarden Euro in den Bau von Schulen, Hochschulen und dazugehörigen Sportanlagen geflossen. Bis 2028 sollen es weitere 2,6 Milliarden für die Schulen sein. In Hamburg gibt es derzeit rund 273.000 Schüler.
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Hamburger Senat braucht 80 Millionen Euro zusätzlich für die Schulen
In einer langen Drucksache „versteckte“ der Senat zuletzt die Pläne für Lokstedt und die Ausgaben, die zusätzlich für den Schulbau notwendig sind. Die Bürgerschaft hat das bereits abgesegnet. Der Bedarf ist einfach gewaltig. „Im aktuellen Doppelhaushalt 2023/2024“, heißt es, „wurden und werden abweichend zur Planung (pauschal 20.000 Tsd. Euro p.a.) insgesamt Grundstücksankäufe in einem Volumen von rund 120.000 Tsd. Euro vom SoV Schulimmobilien realisiert.“ Heißt: Es geht um 120 Millionen Euro.
In diesem Jahr seien „weitere großvolumige Ankäufe für den Schulcampus Lokstedt sowie die künftige Stadtteilschule Ottensen“ geplant. „Der überplanmäßige Finanzierungsbedarf“, so der Bericht, „beläuft sich nach aktuellen Schätzungen bis zum Jahresende auf rund 80.000 Tsd. Euro.“ Der Wirtschaftsplan für das Haushaltsjahr sei angepasst worden, heißt es in der Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft. Und in Lokstedt heißt es: Selbst wenn Kleingärten betroffen sein sollten, könnten die wie bereits andere aus der Umgebung in der Nähe an der Kollau neu angesiedelt werden.