Hamburg. Für unterschiedliche Szenarien: Leitfaden der Behörde zum Krisenmanagement gibt Schulleitungen und Lehrern genau vor, was sie tun sollen.

Sechs Schulen in Hamburg erhielten am Montagmorgen E-Mails, in denen ein Sprengstoffanschlag angedroht wurde. Der Unterricht konnte nicht wie geplant beginnen. Wenig später rückte die Polizei mit schwer bewaffneten Spezialkräften an der Stadtteilschule Eidelstedt an: Nach einem Streit am Morgen hatte ein 16-jähriger Schüler erst das Schulgelände verlassen und war dann später zurückgekehrt – mit einer Waffe im Hosenbund. 

Die Bedrohungslage war unklar, die Lage vor Ort unübersichtlich. Streifenwagen fuhren die umliegenden Straßen ab, das SEK rückte an, der Polizeihubschrauber Libelle stieg auf. Situationen wie diese, auch wenn sie am Ende zumeist glimpflich ausgehen, bedeuten für Lehrer, Schüler und Schulleitungen an den betroffenen Schulen erst einmal einen Schock. Ist dies der Ernstfall? Was kann, was muss getan werden? In Eidelstedt griff sowohl in der Schule als auch bei der Polizei das Konzept bei Fällen von Amokläufen.

Schulen in Hamburg: Leitfaden für Umgang mit Amoklauf und Bedrohung

Denn die Hamburger Schulbehörde gibt klare Regeln und Empfehlungen vor, wie mit einer solchen Bedrohungslage umgegangen werden soll. Fachkräfte wurden geschult, ein Schulkrisenteam eingerichtet. Ein Leitfaden zum Krisenmanagement soll dafür sorgen, dass die Schulen auch auf das Unerwartete so gut wie möglich vorbereitet sind.

Die Handlungsanweisungen spielen drei unterschiedlich Krisenszenarien durch, abgestuft nach ihrer Schwere und Bedrohlichkeit:

  • In einer sogenannten „einfachen Lage“ wird angenommen, dass es beispielsweise einen Todesfall in der Schulgemeinde gibt, einen Unfall mit Verletzten oder eine Gewalttat im Umfeld der Schule. Hier helfen schulinterne Krisenteams, die seit 2010 an allen Schulen gebildet wurden.
  • In einer „mittleren Lage“ geht es um schwere Gewalttaten, Bedrohungen, Suizid, Mord- oder Amokdrohungen. Hier kann die Schulleitung das Bereitschaftsteam der Beratungsstelle Gewaltprävention zur Unterstützung anfordern.
  • In einer „Großschadenslage“ wird angenommen, dass es Vorfälle mit Toten mit vielen Verletzten gibt, Großschadensereignisse wie Amokläufe, Geiselnahme oder Großbrände, Großeinsatz von Polizei und/oder Rettungskräfte. Hier leistet das Hamburger Schulkrisenteam psychosoziale Hilfe, das sind 37 Fachkräfte aus verschiedenen Beratungsstellen der Behörde.

Generell gilt: Schülerinnen und Schüler melden Vorfälle an die nächst erreichbare Lehrperson, idealerweise die Klassen- oder Abteilungsleitung, alternativ auch das Schulbüro oder die Schulleitung, die dann die Situation klären und geeignete Maßnahmen einleiten. Die Schulleitung entscheidet, je nach Art der Bedrohung in Absprache mit der Polizei, über Maßnahmen.

Informationen zu Bedrohung in jeden Unterrichtsraum übertragbar

Alle Hamburger Schulen verfügten über geeignete technische Anlagen, so die Schulbehörde, um von jedem Unterrichtsraum aus und in alle Räume hinein zentral Lagen und Maßnahmen zu kommunizieren. Über die Ernsthaftigkeit einer Bedrohungslage wird in Abstimmung mit der Polizei entschieden. Schülerinnen und Schüler sowie schulisches Personal können bei Bedarf durch die Beratungsstelle Gewaltprävention beraten, unterstützt und psychologisch betreut werden.

Bedrohungslage an Stadtteilschule Eidelstedt. Das SEK überprüft im Anschluss die elterliche Wohnung im Friedrichshuler Weg.
Bedrohungslage an Stadtteilschule Eidelstedt. Das SEK überprüft im Anschluss die elterliche Wohnung im Friedrichshuler Weg. © Michael Arning

Alle Schulen verfügen über den sogenannten „Krisenordner“, der Schulen in ihrem Krisenmanagement unterstützt. Darin finden sich Checklisten für Schulleitungsmitglieder, die entsprechend aus- und fortgebildet sind.

Schule Hamburg: Wie Schulleiter bei Amoklauf vorgehen sollen

Bei einem Großschadensereignis, also einem Amoklauf, Bombenattentat, Geiselnahme oder Gebäudeeinsturz beispielsweise müssen die Schulleitungen laut Checkliste zunächst sicherstellen, dass der Notruf erfolgt ist. Sie sollen die Schulgemeinschaft per Lautsprecherdurchsage oder ein vereinbartes Alarmsignal über die Bedrohung informieren, je nach Sachlage Schüler und Lehrer anweisen, im Klassenraum zu bleiben und die Tür zu verriegeln oder aber so schnell wie möglich die Schulgebäude zu verlassen.

Schulleitungen sollten das Hamburger Schulkrisenteam anfordern, das dann den Krisenstab der Behörde informiert und psychologisches Unterstützungspersonal schickt. Ist die Gefahr gebannt, stellen Lehrer sicher, dass kein Unbefugter das Schulgelände betritt. Eltern werden informiert und die Schulleitung muss gegebenenfalls entscheiden, wie es mit dem Unterricht weitergeht. Die Checklisten sind sehr detailliert, sie betrachten auch die Aufgaben der folgenden Tage sowie die für die Lehrer.

Stadtteilschule Eidelstedt: Schüler hatte Spielzeugwaffe in Bauchtasche

In Eidelstedt ging die Bedrohungslage glimpflich aus. Die Kinder und Jugendlichen waren während des Einsatzes in den Klassenräumen geblieben. Für Eltern gab es eine Anlaufstelle außerhalb der Schule. Da der verdächtigte 16-Jährige namentlich bekannt war, fuhr ein Spezialeinsatzkommando der Polizei Hamburg zu ihm nach Hause.

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Erst war er nicht dort, kam aber später und wurde festgenommen. Seine Schwester hatte ihm geraten, sich zu stellen. Bei seiner Festnahme habe der 16-Jährige eine Bauchtasche mit sich geführt, in der eine Spielzeugwaffe lag.