Hamburg. Schulstart für knapp 20.000 Kinder in Hamburg. Warum Frida ein Kleid vom Flohmarkt trägt und welche Bedeutung ihr blaues Armband hat.
- Frida ist eines von knapp 20.000 Kindern, die in diesem Jahr in Hamburg eingeschult werden.
- Ein Familienmitglied fehlt ihr besonders an diesem großen Tag.
- In ihrer Schultüte gab es eine kleine Überraschung für sie.
Es ist 6.23 Uhr am Morgen, als Frida plötzlich hellwach in ihrem Hochbett liegt. Heute braucht sie keine Zeit zum „Richtig-Wach-werden“, sie klettert mit ihren nackten Füßen die Holztreppe nach unten. Durch das offene Fenster hört man so früh nur das monotone Brummen von Autos und Lkw der angrenzenden Straße.
Als sie den Vorhang ein Stück zur Seite zieht und aus dem Fenster sieht, flüstert sie: „Der Himmel ist so schön.“ Es ist noch keine Wolke zu sehen, nur ein strahlendes Blau, durchzogen von rosa Streifen. Heute ist ihr großer Tag. Einschulung in Hamburg! „Oh, komme ich heute wirklich schon in die Schule?“, fragt sie, noch etwas ungläubig, aber mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen. Die Sechsjährige wird in diesem Jahr wie rund 20.000 weitere Kinder in Hamburg eingeschult.
Schule Hamburg: Frida vermisst einen Menschen ganz besonders an ihrem ersten Schultag
Und für diesen besonderen Tag hat Frida auch ein besonderes Outfit geplant: ein frisch gebügeltes, auf dem Flohmarkt erstandenes, dunkelblaues Matrosenkleid mit weißer Schleife. Auch ihre zwei Jahre ältere Cousine Emma trug dieses schon bei ihrer Einschulung. Ihre Haare sind mit einer Glitzer-Haarklammer halb zurückgesteckt.
In der 130 Quadratmeter großen Altbauwohnung ist es noch ruhig, Frühstück wird leise vorbereitet, Brötchen werden geholt, als Frida in die Zimmer ihrer Brüder stürzt, um die beiden Langschläfer zu wecken. Heute ist schließlich kein Tag wie jeder andere.
Beim Frühstück sitzt die Familie gemeinsam am Tisch: Mama, Papa, Oma und ihre zwei großen Brüder. Ein Hauch von Melancholie liegt in der Luft. Frida sitzt auf ihrem hellgrünen Tripp Trapp, in ihren Augen sammeln sich Tränen. „Ich bin traurig, dass Opa Ingo heute nicht da ist“, sagt Frida leise. Oma Gabi schaut sie über den Tisch an, lächelt sanft und sagt: „Er ist immer dabei, du siehst ihn nur nicht.“ An diesem Tag trägt die Sechsjährige deshalb auch ihr blaues Opa-Ingo-Armband, das alle nach seiner Beerdigung erhielten.
Einschulung in Hamburg: Frida kommt in die erste Klasse – nicht nur die Sechsjährige ist aufgeregt
Und dann kann sie es gar nicht mehr abwarten: „Können wir endlich los?“, fragt sie, als der Rest der Familie noch am ersten Brötchen kaut. Frida schnappt sich ihren rosa, mit Patches verzierten Schulranzen, prall gefüllt mit Sammelmappe, Schnellheftern, Federtasche, Tuschkasten und Hausschuhen – auch wenn heute noch kein Unterricht auf dem Plan steht.
Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht und einem Hüpfen in den Schritten verlässt sie das Haus. Eine ältere Dame steht mit ihrem Rollator vor dem eisernen Gartentor. „Der erste Schultag, da kommen Erinnerungen hoch“, sagt sie, erzählt von ihrer eigenen Einschulung, nachdem sie geflüchtet war. Sie erinnert sich noch genau an ihre erste Schultüte. Die beiden kennen sich nicht, sehen sich hin und wieder in der Nachbarschaft und grüßen sich.
Fridas eigene Schultüte ist fast so groß wie sie selbst. Sie ist selbst gebastelt, mit Schmetterlingen, Libellen und Bienen geschmückt, sie ist schwer und prall gefüllt mit allerlei Schätzen. Die Hamburgerin trägt die Tüte stolz den mehr als 500 Meter langen Weg zur Schule. Kurz vorm Schulhof trifft die Familie auf Fridas zweite Oma. „Mein letztes Enkelkind wird eingeschult“, bemerkt Oma Gudrun, selbst ehemalige Lehrerin, sichtlich gerührt. „Da bin ich ein bisschen aufgeregt.“
Einschulung in Hamburg: Am ersten Schultag dürfen die Erstklässler auf die Stühle steigen
An der Grundschule Thadenstraße angekommen, herrscht geschäftiges Treiben. Kinder spielen auf dem großen Pausenhof, andere betreten mit Schultüten das Gelände. Schulleiter Thomas Niklas begrüßt in der Turnhalle die neuen Erstklässler mit einer Frage: „Wer war heute früher wach als seine Eltern?“ Nur zwei Hände schnellen in die Luft – die von Frida und Samu, ihrem Kita-Freund.
Niklas fordert die Kinder auf, auf die Stühle zu steigen und ihre Schultüten stolz zu präsentieren. Die Kinder winken in Richtung der Eltern, Großeltern, Geschwister und Freunde der Familien. Ein emotionaler Moment – besonders für Fridas Mutter, die mit den Tränen kämpft.
Zweitklässler singen für die Neuankömmlinge ein Lied: „Wir sind anders als ihr. Ihr seid anders als wir. Na und? Das macht das Leben eben bunt!“ Ein Gänsehautmoment breitet sich in der Turnhalle aus. „Wir sind alle unterschiedlich, aber jeder von euch bringt etwas Einzigartiges mit, kann etwas ganz besonders gut“, erklärt der Schulleiter. „Ich kann gut malen“, ruft Frida stolz, und alle klatschen. Andere Kinder erzählen von ihren Talenten: Tanzen, Fahrradfahren, Capoeira, Reiten.
Als der Schulleiter den Namen eines Kindes falsch vorliest, ruft es selbstbewusst: „Ich kann gut lesen!“ „Ich bin begeistert, was ihr alles schon könnt. Ihr seid wie ein großer, bunter Blumenstrauß. Es kommt darauf an, dass jeder etwas kann und es dem anderen zeigen kann“, so Niklas.
Fridas Klassenlehrerin hat ebenfalls, nach der Elternzeit, ihren ersten Tag an der Ganztagsschule. „Sie wird euch Lesen und Schreiben beibringen, aber daneben gibt es noch viele andere wichtige Dinge“, erklärt der Schulleiter. Tom Hillebrand, der Erzieher, den alle als „das Herz der Schule“ kennen, sieht Frida und ihre Klassenkameraden vormittags, in der Mittagsfreizeit und einmal die Woche auf dem Baui, einem Bauspielplatz. „Ein tolles Team, oder?“, fragt Niklas. Frida sagt es später in ihren eigenen Worten: „Totalo netto.“
Erster Tag an der Grundschule: Erstklässler lernen ihren neuen Klassenraum kennen
Alle 22 Erstklässler werden einzeln aufgerufen, mit ihnen betritt Frida gemeinsam das Schulgebäude. Der Geruch des Flurs erinnert wohl auch viele der Eltern an ihre eigene Schulzeit. Der Klassenraum im ersten Stock ist hell, mit großen Fenstern, durch die das Grün der Bäume leuchtet. An der Decke hängt eine Affengirlande und die Gruppentische laden zum Malen und Entdecken ein. Die Kinder zeigen einander stolz ihre neuen Stifte, füllen bereits das erste Arbeitsblatt aus.
„Der erste Schultag ist richtig cool“
„Der erste Schultag ist richtig cool!“, sagt Frida auf dem Rückweg und grüßt dabei die Bewohner des nahe gelegenen Altenheims, hält ihre Schultüte wieder selbst fest in beiden Händen. Ein stolzes, großes Schulkind.
Fridas Wunsch aus dem Urlaub der letzten Kita-Ferien geht in Erfüllung
Und dann hat sich das Tragen auch gelohnt: „Jaaa, ich darf die Schultüte auspacken, juhu“, ruft Frida. Sie reißt das Krepppapier nicht auf, sondern öffnet vorsichtig die Schleife des Seidenbands. Und plötzlich ist ihr Kopf in der Schultüte verschwunden. „Oh, es hüpft“, sagt sie, als sie ihr erstes Geschenk aus der großen gelben Tüte zieht. „Das hast du dir doch seit dem Dänemark- und Schwedenurlaub gewünscht“, sagt Mama Rosa. Frida kann einen Freudenschrei nicht unterdrücken, schlägt die Hand vor den Mund.
Der in den späten 1960er-Jahren von dem dänischen Designer Gustav Ehrenreich entworfene Hoptimist soll Frida beim Denken helfen, bei kniffligen Hausaufgaben. Auch Lakritz-Kaugummi, ein buntes Fadenspielband, ein kleines Glücksschwein, eine Regenbogen-Haarklammer und eine Lego-Disney-Prinzessin findet die Erstklässlerin neben der Wackelfigur in ihrer Tüte.
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Frida ist an diesem besonderen Tag ein Stück gewachsen – in ihrem Mut und Selbstbewusstsein. Wie die fliegenden Insekten auf ihrer Schultüte ist sie von der kleinen Kita-Raupe zu einem flügge gewordenen Schul-Schmetterling geworden. Bereit, die Welt zu erkunden und jeden Tag ein wenig mehr zu lernen. Und schon heute, an ihrem ersten Tag als Schulkind, strahlt Frida heller als die Sonne am rosa-blauen Morgenhimmel.