Hamburg. Nach umstrittener Äußerung meldet sich die Grünen-Politikerin zu Wort. Wie sie mit dem Ordnungsruf von Carola Veit umgehen will. Mit Video.

Björn Höcke ist ein Nazi“: Die Frankfurter Staatsanwaltschaft begründete die Zulässigkeit dieser Aussage im vergangenen Jahr damit, dass es sich dabei nicht um eine Beleidigung, sondern um „ein an Tatsachen anknüpfendes Werturteil“ handele. Das Verfahren gegen einen Demonstranten, der sie geäußert hatte, ließ sie fallen. Mittlerweile gehört der Spruch sogar zum festen Inventar von Protestplakat-Parolen auf Demos gegen Rechtsextremismus.

Die Hamburger Grünen-Fraktionsvorsitzende Jennifer Jasberg kassierte für die Aussage, dass Björn Höcke ein Nazi sei, am Mittwoch in der Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft wiederum einen Ordnungsruf, also eine Ermahnung von Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD). Das war unverhältnismäßig, findet Jasberg. Die Aussage habe einen Hintergrund gehabt.

„Björn Höcke ist ein Nazi“, sagt Jenny Jasberg – darf sie das?

Gefallen ist der umstrittene Satz, als Jasberg sich im Rahmen der Debatte „Solingen ist überall“ zu Wort meldete, die die AfD-Fraktion für die Aktuelle Stunde in der Bürgerschaftssitzung anberaumt hatte und in der die AfD einen sofortigen Aufnahmestopp von illegalen Migranten sowie Zurückweisungen an den deutschen Außengrenzen forderte. Gleich zweimal nannte die Grünen-Politikerin Jasberg Höcke einen „Nazi“ – zu Beginn und zum Ende ihrer Rede.

Jasberg - Höcke ist ein Nazi

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    Und just als Jasberg das Pult wieder verließ, bat der AfD-Abgeordnete Krzysztof Walczak um eine Unterbrechung der Sitzung. Fast eine Stunde tagte erst der Ältestenrat, dann die Sitzungsleitung. Anschließend erhielt Jasberg einen Ordnungsruf von Veit. „Werturteile sind selbstverständlich Teil der politischen Debatte und auch bei uns im Plenum zulässig. Sie können aber mit Ordnungsmaßnahmen belegt werden, wenn sie den parlamentarischen Sprachgebrauch missachten“, begründet die Bürgerschaftspräsidentin gegenüber dem Abendblatt. Dabei komme es nicht auf die Strafbarkeit einer Äußerung an.

    „Jemanden ohne Herleitung in der Rede als ,Nazi“‘ zu bezeichnen passt nicht in unseren Umgang, den wir hier im Parlament miteinander pflegen“, so Veit. Ihr zufolge wäre der Ausdruck „Faschist“ passender gewesen.

    Hamburger Grünen-Politikerin nimmt Ordnungsruf „mit Würde“ an

    Den Ordnungsruf nehme sie „mit Würde“ an, schreibt Jasberg auf X (vormals Twitter) und Instagram noch am Mittwochnachmittag. „Warum ich nicht ,Nazi‘, nur ,Faschist‘ sagen darf, werden wir uns noch genauer anschauen“, verkündet sie. Laut der Geschäftsordnung der Hamburgischen Bürgerschaft könnte Jasberg bis zur folgenden Sitzung am 18. September schriftlich Einspruch gegen den Ordnungsruf einlegen – und genau das überlegt die Grünen-Politikerin jetzt zu tun. „Ich habe meine Zweifel daran, dass der Ordnungsruf verhältnismäßig war. Wir werden jetzt Grünen-intern prüfen, ob wir den Weg gehen, Einspruch dagegen zu erheben“, sagt sie dem Abendblatt.

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    „Aus meiner Sicht – ohne das final juristisch beurteilen zu können – ist nicht erklärbar, wieso ich hätte ,Faschist‘ sagen können, aber nicht ,Nazi‘“, so Jasberg. Zumal dem Werturteil ihrer Meinung nach keine Erklärung oder Herleitung mangele. „Mit der Aussage wollte ich die Debatte, die in der Bürgerschaft geführt und von der AfD angemeldet wurde, in den aktuellen Kontext stellen, den es nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen nun mal gibt.“ Sie sagte in ihrem Redebeitrag nicht nur, dass Höcke ein Nazi, sondern betonte auch, dass die AfD-Landesverbände in Sachsen und Thüringen laut Verfassungsschutz gesichert rechtsextremistisch seien.

    Dass ausgerechnet die AfD eine Debatte zum Themenkomplex Migration und Islamismus unter dem Credo „Solingen ist überall“ angemeldet hatte, schmeckte Jasberg gar nicht. „Es ist sinnvoll und richtig, über das Thema zu diskutieren. Aber die Diskussion wird getrieben von Leuten, die sich offen zu rechtsextremen Positionen und Personen bekennen.“ Daher der Hinweis auf das rechtsextremistische Gedankengut innerhalb der Partei und ihres Spitzenpersonals, sagt sie.

    Bürgerschaft Hamburg: Ordnungsruf für Grünen-Politikerin

    „Ich hätte nicht damit gerechnet, dass das so viel Empörung erzeugt“, sagt Jasberg am Donnerstag. Als die Sitzung unterbrochen wurde, habe sie selbst zunächst gar nicht verstanden, dass ihre Aussage der Anlass dafür war. „Eine irritierende Situation“, sei das gewesen. Laut Jasberg sollte insbesondere die Bürgerschaft ein Raum sein, in dem es keine Sprechverbote gebe. Der „parlamentarische Sprachgebrauch“ dürfe nicht reglementierend wirken.

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    Auch Bürgerschaftspräsidentin Veit sagt: „In allen deutschen Parlamenten dürfen Abgeordnete reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.“ Dennoch sei die Redefreiheit der Abgeordneten im Parlament nicht mit der Redefreiheit von Bürgern vergleichbar und unterliege nicht der Meinungsfreiheit. Es gehe bei Ordnungsrufen wegen Verletzung des parlamentarischen Sprachgebrauchs um einen deutlichen Appell, die Regeln des Miteinanders einzuhalten – „auch in hitzigen Situationen“, so Veit.