Hamburg. Arbeitspflicht solle mitunter Schutz vor Radikalisierung dienen. Hamburg müsse Prävention stärken. Terror habe „sehr wohl mit Islam zu tun“.

Nach dem furchtbaren Attentat von Solingen werden auch in Hamburg die Forderungen lauter, härter gegen Islamisten vorzugehen und auch die Prävention gegen Islamismus deutlich zu verstärken, damit sich junge Menschen nicht erst in Deutschland radikalisieren. Helfen könne dabei etwa eine Arbeitspflicht für Flüchtlinge, sagt der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Kazim Abaci. Es müsse endlich auch mit einem Grundirrtum aufgeräumt werden, so der türkeistämmige Politiker, der auch Sprecher für Migration, Integration und Flüchtlinge seiner Fraktion ist – auch wenn er seine aktuellen Forderungen nicht in dieser Funktion erheben will.

Anders als etwa von muslimischen Verbänden nach Anschlägen immer wieder beteuert, habe der Terror sehr wohl etwas mit dem Islam zu tun, sagte Abaci dem Abendblatt. Die Behauptung, der Islam sei durchweg immer friedfertig, sei also falsch. Denn die fundamentalistischen und autoritären Strömungen etwa des Wahhabismus, des Mullah-Regimes im Iran, von IS, Al Kaida oder Boko Haram beriefen sich ja auch alle auf den Islam. „All das hat also sehr wohl etwas mit dem Islam zu tun“, sagte Abaci dem Abendblatt. „Es ist eine fundamentalistische und radikale Auslegung, aber es gehört dazu.“

Nach Solingen: „Die Bekämpfung des Islamismus in Deutschland kommt zu kurz“

Wenn man dies nicht endlich realisiere und benenne, könne „auch keine erfolgreiche und konsequente Auseinandersetzung mit dem Thema stattfinden“. Pauschalisieren wolle er aber nicht, so der SPD-Politiker. „Denn die große Mehrheit der Muslime trägt diese Auslegung des Islam nicht mit, und die meisten Opfer des islamistischen Terrorismus sind selbst Muslime.“

Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft
Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Kazim Abaci (59) fordert eine ehrliche Bestandsaufnahme beim Thema Islamismus in Hamburg. © DPA Images | Marcus Brandt

Bei der Debatte nach Solingen komme ihm „der Aspekt die Bekämpfung des Islamismus bisher zu kurz“, so Abaci. „Es ist richtig, eine Entwaffnungsstrategie (Messerverbote) auf den Weg zu bringen. Es ist auch richtig, die irreguläre Migration zu reduzieren und die Menschen, die hier kein Bleiberecht haben, auch zurückzuführen.“ Viele Menschen aber, die sich radikalisierten, lebten schon länger hier, manche von ihnen hätten einen deutschen Pass.

Islamismus in Deutschland: Der Hass auf westliche Werte trifft auch eigene Familienangehörige

Der Hass auf westliche Werte führe nicht immer gleich zu Attentaten oder Terror, „öfter sogar trifft es die eigene Familie, Partnerinnen, Schwestern und Kinder“, so Abaci. „Wir sollten die Probleme der Einwanderergesellschaft offen und klar benennen. Ansonsten werden es die Populisten und Rechtsextremisten in einer Art und Weise tun, um daraus politisches Kapital zu schlagen.“

Dabei müsse es künftig „viel mehr um die Bekämpfung der Ideologie des Islamismus gehen, und zwar von Anfang an“. Die Zusammenarbeit aller Behörden müsse noch verstärkt und verbessert werden, und alle Beteiligten müssten „stärker als bisher für das Problem sensibilisiert werden“.

„Auch in Hamburg werden Kinder und Jugendliche vom militanten Islamismus indoktriniert“

Mittlerweile würden Kinder und Jugendliche auch in Hamburg „durch den militanten politischen Islamismus indoktriniert“, sagte Abaci. „Islamisten sprechen junge Menschen an, die sich unsicher und abgewertet fühlen, die Halt suchen. Sie vertreten einen Männlichkeitskult und geben ihren Anhängern das Gefühl, überlegen zu sein, die Wahrheit gefunden zu haben.“

Die Maßnahmen im Bereich der Prävention müssten auch in Hamburg verstärkt und besser miteinander verzahnt werden, so der SPD-Abgeordnete. Auch die psychologische Betreuung von Flüchtlingen müsse evaluiert und nötigenfalls verbessert werden.

„Eine Arbeitspflicht für Flüchtlinge könnte Integration nützen und gegen Radikalisierung helfen“

„Eine andere Möglichkeit wäre eine Arbeitspflicht für die Asylbewerberinnen und Asylbewerber“, sagte Abaci. „Aus meiner Sicht hätte eine Verpflichtung zu einer gemeinnützigen Arbeit für einige Stunden pro Woche einen doppelten Effekt. Die Menschen vor Ort würden sehen, dass sich die Geflüchteten in die Gemeinschaft einbringen. Das könnte zu mehr Akzeptanz führen. Die Asylbewerber könnten sich besser integrieren und für das Gemeinwesen ihren Beitrag leisten. Und sie würden auch weniger empfänglich für die Internetradikalisierung.“

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Als sehr positives Beispiel für die Islamismus-Prävention in Hamburg sieht der SPD-Politiker den gemeinsamen Religionsunterricht für alle an den Schulen. „Diese Form des Unterrichts ist eine sehr wichtige Maßnahme bei der Bekämpfung der Radikalisierung“, sagte Abaci, der früher selbst Moslem war und heute keiner Religion mehr angehört. „Er führt auch dazu, dass die Kinder andere Religionen kennenlernen. Das ist ein wichtiger Beitrag zum interkulturellen und interreligiösen Leben in Hamburg.“

SPD Hamburg: Bürgerschaftsabgeordneter Abaci unterstützt Unternehmer mit Migrationshintergrund

Abaci ist auch Geschäftsführer von „Unternehmer ohne Grenzen“, einer gemeinnützigen Organisation, die sich für die Förderung kleinerer und mittlerer Unternehmen in Hamburg einsetzt, mit einem Schwerpunkt auf Gründer mit Migrationshintergrund. Er hat in diesem Jahr in Hamburg Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und gegen Islamismus mit organisiert. Sowohl der Rechtsextremismus als auch der Islamismus seien „eine Gefahr für unser Land und unsere Freiheit“, sagt Abaci.