Hamburg. Die Bezirkswahlen liegen lange zurück, und die Sondierungsgespräche verlaufen schleppend. Was SPD, CDU und Grüne dazu sagen.

  • Fast drei Monate nach den Bezirkswahlen in Hamburg gibt es noch keine Regierung in Eimsbüttel.
  • Trotz hoher Verluste bleiben die Grünen in Eimsbüttel stärkste Kraft.
  • Sowohl CDU als auch SPD sind von der Zusammenarbeit mit den Grünen enttäuscht.

Fast drei Monate nach den Bezirkswahlen in Hamburg steht immer noch nicht fest, wie es in Eimsbüttel weitergeht. Was aber deutlich wird: Die Sondierungsgespräche über mögliche Koalitionen sind schwierig – auch, weil viel Vertrauen unter den Parteien in den vergangenen Jahren verloren gegangen ist. Wer regiert mit wem? Mehrheiten zu bilden, das ist in Eimsbüttel nach dem Ausgang der Bezirkswahlen nicht so leicht. Die Möglichkeiten sind vielfältig.

Eimsbüttel: Trotz herber Verluste bleiben die Grünen stärkste Kraft im Bezirk

Auch wenn die Grünen Verluste zu verzeichnen haben, sind sie immer noch die stärkste Kraft: In diesem Jahr haben 29,6 Prozent der Eimsbüttelerinnen und Eimsbütteler für die Grünen gestimmt, 23,4 Prozent machten ihr Kreuz bei der SPD. Die CDU erreichte 19,5 Prozent. Die Zustimmung für die Linken lag bei 9,1 Prozent. Die FDP erreichte 6,1 Prozent und die AfD 6,2 Prozent. Die Kleinpartei Volt schaffte es in Eimsbüttel auf 5,3 Prozent.

Das sind rein rechnerisch die möglichen Regierungsoptionen: Grün-Rot könnte eine Koalition bilden, die Grünen könnten sich auch mit der CDU zusammentun, bräuchten dann aber noch eine weitere kleine Fraktion dazu (Linke, FDP oder Volt). Die dritte Möglichkeit wäre eine Koalition aus SPD, CDU und zwei der kleineren Fraktionen.

Eimsbüttel: SPD aus mehreren Gründen immer noch sauer auf die Grünen

Die Sozialdemokraten sind derzeit allerdings nicht gut auf die Grünen zu sprechen. Zu viel Vertrauen wurde in den vergangenen Jahren zerstört. Da ist zum Beispiel die Sache mit der Bezirksamtsleitung. Bezirksamtsleiter Kay Gätgens (SPD) musste gehen, weil die Grünen-Fraktion in der Bezirksversammlung eine bereits fertig ausgehandelte Kooperation mit der SPD in letzter Minute abgelehnt hatte. Die Grünen wollten eine eigene Kandidatin. Doch ihre Kandidatin, die frühere Bürgerschaftsabgeordnete Katja Husen, fiel durch. 

Die Zusammenarbeit mit den Grünen war zuletzt immer wieder schwierig, so der SPD-Fraktionschef in Eimsbüttel, Gabor Gottlieb. In Gesprächen werde immer das eine abgesprochen, aber die Basis sei dann damit gar nicht einverstanden. Das mache es so schwer, Vertrauen zu fassen.

SPD: „Unter den Grünen hat ein Stimmungswandel stattgefunden“

Weitere Schwierigkeit in der vergangenen Wahlperiode: „Viele neue Abgeordnete bei den Grünen sind sehr ambitioniert, was grundsätzlich gut ist“, so der Bezirkspolitiker. „Aber zur Politik gehört nicht nur Durchsetzungsfähigkeit und Abteilung Attacke, sondern auch Kompromissbereitschaft und Akzeptanz.

Ein anderer SPD-Abgeordneter sagt: „Es ist nicht so honeymoonmäßig, wie es der grüne Fraktionschef Ali Mir Agha, der ja Bezirksamtsleiter werden möchte, gerne hätte.“ Insgesamt hat unter den Grünen ein Stimmungswandel stattgefunden, vor allem nach dem Aus mit der CDU.“  Zum Hintergrund: Vor drei Jahren hatten die Grünen im Bezirk Eimsbüttel die Koalition mit der CDU aufgekündigt.

Sedanstraße
Gabor Gottlieb, SPD-Fraktionsvorsitzender in Eimsbüttel, zeigt sich enttäuscht von den Grünen, viel Vertrauen ist in den vergangenen Jahren zerstört worden. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Das erste grün-schwarze Bündnis in Hamburg, 2019 auch als Blaupause für die Bürgerschaftswahl 2020 gestartet und bis zur Bundestagswahl im September ein kleines Modell für mögliche Bündnisse im Bund, war damit gescheitert.

CDU in Eimsbüttel: Grüne „viel zu ideologisch, zu wenig pragmatisch“

Auch die Eimsbütteler Christdemokraten sind vergrätzt und enttäuscht von der Koalition, die sie mit den Grünen eingegangen waren. „Die Grünen haben uns für dumm verkauft“, sagt ein CDU-Abgeordneter. „Wir haben alle ihre Entscheidungen unterstützt, auch wenn es um weitere Fahrradbügel ging. Aber als wir mit unseren Themen mal durchkommen wollten, haben sie die Koalition gekündigt.“

Aus der CDU Eimsbüttel heißt es: „Wir sind gebrannte Kinder, es lief nicht alles glatt in unserer Zeit mit den Grünen.“ Sie seien viel zu ideologisch, zu wenig pragmatisch. Jamaika wäre für die CDU theoretisch eine Möglichkeit im Eimsbüttel. Auch mit den Sozialdemokraten sei eine Koalition denkbar, dann müssten aber zwei kleinere Fraktionen dazukommen. Das wäre dann eine Konstellation wie im Bezirk Nord.

Trotz mancher Enttäuschung in der Vergangenheit sprechen die Politiker natürlich durchaus über eine mögliche Zusammenarbeit. Rüdiger Kuhn, Fraktionsvorsitzender der CDU, sagt gegenüber dem Abendblatt: „Die Gespräche mit den Grünen laufen gut.“ Größter Knackpunkt aber bleibt das Thema Verkehr.

CDU schlägt eine Regierung unter dem Motto „Eimsbüttel der Vernunft“ vor

Kuhn hat einen innovativen Vorschlag unter dem Titel „Ein Eimsbüttel der Vernunft“. „Statt einer klassischen Koalition könnten sich die großen Parteien – CDU, Grüne und SPD – zusammentun und sich auf ihre jeweilige drei Top-Themen festlegen“, so der CDU-Mann. „So kann man dafür Sorge tragen, dass es keinen Streit beim Thema Synagoge oder bei Großprojekten wie der U5 gibt.“

Rüdiger Kuhn
Rüdiger Kuhn, CDU-Fraktionschef im Bezirk Eimsbüttel, könnte sich ein Regierungsmodell vorstellen, bei dem sich die drei großen Parteien untereinander darauf einigen, bei wichtigen Themen Einigkeit zu zeigen. © CDU Hamburg | CDU Hamburg

Seiner Ansicht nach würde es pragmatisch zugehen: „Wir bekommen dann einen zweiten Handwerkerhof, dafür können sich die Grünen zum Beispiel mit einem autofreien Eppendorfer Weg durchsetzen und die SPD mit einem Anbau für den ETV.“ Ja, das sei etwas langweiliger, aber vielleicht auch konstruktiver, so Kuhn.

Lange Zeit war in Eimsbüttel Rot-Grün selbstverständlich. Doch diese Zeiten sind mit dem zunehmenden Erfolg der Grünen im Bezirk vorbei. Die Partei hat längst an Selbstvertrauen gewonnen, befindet sich schon lange auf Augenhöhe mit den anderen großen Volksparteien. Damit hatte die SPD am Anfang wohl ihre Probleme. „Die SPD konnte nicht immer gut damit umgehen, dass wir inzwischen auf Augenhöhe mit ihnen waren“, sagt der Grünen-Bezirksfraktionschef Ali Mir Agha und fügt selbstkritisch hinzu: „Uns dagegen hätte 2019 deutlich mehr Demut gut zu Gesicht gestanden.“

Grüne in Eimsbüttel: „Die Beziehung zur SPD hat die letzten Jahre gelitten“

Und auch die Absetzung von Kay Gätgens, sagt Ali Mir Agha, „ist nicht so glücklich gelaufen, was ich persönlich sehr bedauere. Aber eine Einigung war leider nicht möglich. Die Beziehung zur SPD hat die letzten Jahre gelitten.“

Pressefoto Umbau der Frohmestraße – ein attraktives Zentrum für Schnelsen
Ali Mir Agha, Fraktionsvorsitzender der Grünen in Eimsbüttel, gibt selbstkritisch Fehler zu: „Uns hätte 2019 deutlich mehr Demut gut zu Gesicht gestanden.“ © Gruene Eimsbuettel / Henning Angerer | Gruene Eimsbuettel / Henning Angerer

In den derzeitigen Sondierungsgesprächen sei die SPD „emotional angefasst gewesen“, heißt es aus Kreisen der Grünen. Dennoch sympathisiert die „Ökopartei“ durchaus mit den Sozialdemokraten. Denn mit der CDU laufe es nicht rund. „Eine Koalition mit den Christdemokraten ist nicht tragfähig“, heißt es aus der Partei. „Viele Teile der CDU sind rechts-konservativ eingestellt und sabotieren viele Ideen.“

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Die Grünen haben mit allen demokratischen Parteien Sondierungsgespräche geführt (ausgenommen die AfD), mit der SPD steht ein weiteres, zweites Gespräch an. Ein Signal. „Die SPD wird offiziell mit uns verhandeln, das ist ein positives Zeichen“, sagt Ali Mir Agha. Die konstruktiven Gespräche mit der CDU werde man trotzdem weiterführen. „Die Situation ist herausfordernd. Aber jetzt gilt es jenseits von Befindlichkeiten Verantwortung für diesen Bezirk zu tragen. Das wäre auch mein Appell an alle anderen.“