Hamburg. Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) über Fachkräfte, gerechte Bezahlung – und eine neue Strategie für Hamburgs Kindertagesstätten.

Fehlende Erzieherinnen und Erzieher, verkürzte Öffnungszeiten oder gar der Wegfall ganzer Kindertagesstätten: Mütter und Väter in Hamburg geraten zunehmend unter Druck, manche sind regelrecht auf Zinne, wenn es in der Kita hakt. Sie zweifeln an der Zuverlässigkeit der Kitas – und das, obwohl Hamburg den Eltern über Kita-Gutscheine einen Rechtsanspruch auf die Betreuung der Kinder garantiert. Im Interview mit dem Abendblatt erklärt Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) ihre neue Kita-Strategie.

In Hamburg machen sich aktuell viele Eltern Sorgen um die Betreuung ihrer Kinder. Sie berichten von hohen Krankenständen bei Kita-Beschäftigten, von wachsenden oder zusammengelegten Kindergruppen und wechselnden Betreuern sowie Springer-Diensten. Das kann der zuständigen Senatorin nicht gefallen.

Die Situation ist sehr unterschiedlich – sowohl von Kita zu Kita als auch von Träger zu Träger. Das erfahre ich aus vielen Gesprächen mit Eltern, den Kita-Verbänden und Kita-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Auch meine Position als Aufsichtsratsvorsitzende bei den Elbkindern verschafft mir einen direkten Einblick in die aktuelle Lage. Ich kann gut nachvollziehen, dass eine wechselnde oder teils fehlende Betreuung für die Eltern ein großer Stressfaktor ist — ich bin ja auch berufstätig gewesen, als meine Kinder klein waren. Trotzdem: Wenn ein Träger in der Lage ist, einen Springer-Pool aufzubauen, bedeutet das ja, dass er sich professionell vorbereitet hat für den Fall eines Personalausfalls.

Sie betonen immer wieder: Für alle Kinder in Hamburg gibt es einen Kita-Platz. Wie will die Stadt das auch in Zukunft garantieren?

Das Hamburger Kita-Gutschein-System ist bundesweit seit 2012 in einer Vorreiterrolle. Jedes Hamburger Kind hat bis zur Einschulung einen Rechtsanspruch auf eine beitragsfreie fünfstündige Betreuung, ein warmes Mittagessen inklusive. Bei Berufstätigkeit der Eltern kann bedarfsgerecht aufgestockt werden. Über die Hälfte der Eltern in Hamburg erhält mehr als die von uns garantierten fünf Stunden Betreuungszeit plus Mittagessen. Zusätzliche Unterstützung gibt es etwa für Eltern von Kindern mit Behinderung. Hier erhalten die Kinder zum Beispiel ergänzend heilpädagogische oder therapeutische Leistungen. Wenn Eltern für ihre Kinder – mit oder ohne Behinderung – keinen Platz finden, können sie sich an das Bezirksamt wenden, und dann wird ihnen im Rahmen unseres eingeübten Kita-Platz-Nachweisverfahrens geholfen. Aktuell ist das für weniger als 50 Kinder in der gesamten Stadt der Fall.

Kitas in Hamburg: Wie Eltern und Kinder noch immer unter den Folgen der Corona-Pandemie leiden

Die Garantie auf dem Papier ist das eine. Aber geht es nicht auch darum, den Kindern eine dauerhafte, bleibende Betreuungsperson zu ermöglichen?

Natürlich wird frühkindliche Bildung auch durch eine konstante Betreuung erleichtert. Wir haben aber kein System, das die Kinder bestimmten Erzieherinnen und Erziehern direkt zuweisen würde. Träger müssen darauf reagieren können, wenn sie Personalfluktuation haben – im Interesse sowohl der Kinder als auch der Eltern. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können erkranken oder den Beruf oder Arbeitgeber wechseln. Wir können nicht garantieren, dass ein Kind immer dieselbe Betreuungsperson hat – schon gar nicht als Stadt. Kita-Träger sind für ihre Personalmaßnahmen selbst verantwortlich. Viel wichtiger für ein gutes Aufwachsen ist, dass Kinder eine frühkindliche Bildung erhalten und andere Kinder um sich haben – und dies garantieren wir durch unseren Rechtsanspruch auf Betreuung.

Die Sorgen der Eltern deuten auf einen Mangel an Kita-Beschäftigten hin. Wo sehen Sie den in Hamburg?

Wir haben in den letzten zehn Jahren 75 Prozent Personal zusätzlich aufgebaut. Heute haben wir mehr als 18.000 pädagogische Fachkräfte in der Kindertagesbetreuung. Gleichzeitig sind 200 Kitas dazugekommen und rund 20.000 weitere Kinder, die betreut werden. Über 81.000 Kinder sind heute in insgesamt rund 1200 Kitas. Das bedeutet, dass heute mehr pädagogische Fachkräfte pro Kind zur Verfügung stehen als vor zehn Jahren. Hamburg hat den Ausbau der Kindertagesbetreuung mit großer Dynamik erfolgreich bewältigt. Gleichzeitig sehe aber auch ich, dass nach der Corona-Zeit die Krankenstände deutlich erhöht sind. Eine gegenüber den Vorjahren deutlich höhere Fluktuation belastet das Personal in Kitas und die Träger sehr. Diese Effekte wirken sich auf die Zuverlässigkeit von Betreuungszeiten aus. Und auch die Eltern haben einen viel größeren Druck als vorher, ihre Berufstätigkeit und die Familie unter einen Hut zu bekommen. Aber nochmals: Wir kommen von einem sehr hohen Niveau.

Fachkräfte in Hamburg: Neue Strategie für die Kitas

Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer
Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) arbeitet derzeit an einer Strategie, um neue Fachkräfte für soziale Berufe anzuwerben. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Fachkräfte fehlen überall, junge Leute können sich heute ihre Traumjobs aussuchen.

Das Thema steht schon lange auf der Agenda. Seit Jahren werden in den Fachschulen systematisch Erzieherinnen und Erzieher und sozialpädagogische Fachkräfte ausgebildet. Außerdem erleichtern wir den Quereinstieg in das Berufsfeld. All das wird aber nicht reichen, deshalb arbeiten wir derzeit an einer neuen Fachkräftestrategie für den gesamten Bereich sozialer Berufe.

Wie soll diese Strategie aussehen?

Einfach mehr Geld ins System zu geben bringt uns nicht mehr Erzieherinnen und Erzieher. Denn wir reden hier über einen Beruf bei dem der Fachkräftemangel – der ja auch viele andere Branchen betrifft – bereits sehr spürbar ist. Deshalb geht es uns vor allem um attraktive Arbeitsbedingungen und die Stärkung der Ausbildung. Schon heute bekommt jede oder jeder, der oder die sich für die Ausbildung als Erzieherin oder Erzieher interessiert, einen Schulplatz. Wir wollen aber die jungen Leute bei der Berufsorientierung noch mehr bestärken, was für ein toller Beruf es ist, in einer Kita zu arbeiten. Die potenziellen Fachkräfte von morgen sollen das Arbeitsfeld attraktiv finden. Zeit für Pädagogik, Entlastung von Bürokratie und sichere Vertretungssituationen sind sicherlich Elemente, die dabei helfen können.

Die Pflege scheint attraktiver, seit man an einer Hochschule studieren kann. Ein Vorbild für die Kitas?

Zu der Ausrichtung der neuen Strategie gehört auch die Frage nach der Integration ausländischer Fachkräfte. Wie können wir diese am besten in den Kitas einsetzen? Weiterhin wollen wir uns die Möglichkeiten zum Quereinstieg und zur Weiterbildung sehr genau anschauen. Welche alternativen Aus- und Weiterbildungs-Settings gibt es? Geht das berufsbegleitend? Mein persönlicher Wunsch wäre hier, Modelle der dualen Ausbildung auszuprobieren – auch wenn das bundesweit leider noch nicht durchsetzbar ist. All das sind Themen, die wir gerade intern diskutieren und nach der Sommerpause mit den Verbänden, dem Landeselternausschuss, den Gewerkschaften und auch mit dem Kita-Netzwerk besprechen werden.

Die Elbkinder als größter Kita-Träger haben angekündigt, 80 Stellen zu streichen. Sie begründen das mit dem Kostendruck aufgrund des Kita-Gutschein-Systems, durch das sie pro betreutem Kind Geld erhalten. Die Elbkinder argumentieren, dass die Einnahmen nicht auskömmlich sind — auch weil sie im Gegensatz zu anderen Trägern nach Tarif bezahlen. Werden Kitas dafür abgestraft, wenn sie nach Tarif bezahlen?

Das ist sehr verkürzt dargestellt. Die Fortschreibungsraten für die Finanzierung der Kindertagesbetreuung werden jährlich neu ausgehandelt. Sie bemessen sich dabei an der Kostenentwicklung des Vorjahres. Bei den Preissprüngen, die wir – erstmals – 2022 und 2023 hatten, brauchen wir ein bis zwei Jahre, um diesen Effekt wieder auszugleichen. Aktuell laufen hierzu die Verhandlungen zwischen der Sozialbehörde und den Kita-Verbänden. Was die Elbkinder angeht: Sie werden trotz der zurzeit erforderlichen geringfügigen Stabilisierungsmaßnahmen weiter zu den Trägern von Kindertagesstätten in Hamburg gehören, die in hohem Umfang die Betreuung in guter Qualität sicherstellen – gerade auch, was den Umfang der Betreuung in Tagesrandzeiten angeht.

Mehr zum Thema Kita und Schule in Hamburg

Kitas in Hamburg: Zahl der Kinder wird vermutlich zurückgehen

Morgens müssen Eltern zuweilen das Mittagessen für ihre Kinder vorbereiten, obwohl dafür die Kita sorgen sollte. Mehr als sechs Wochen haben 900 Hauswirtschaftsbeschäftigte der Service-Gesellschaft der Elbkinder gestreikt, die in den Kitas kochen, putzen und waschen. Wie kann es hier zu einer Einigung kommen?

Ich habe sehr darum geworben, dass man an den Verhandlungstisch zurückkehrt. Die Elbkinder haben sich jetzt noch einmal sehr gestreckt. Nun müssen wir das Ergebnis der Urabstimmung abwarten.

Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Wie entwickelt sich die Zahl der betreuungsbedürftigen Kinder in Hamburg, und welche Rolle spielt Migration dabei?

Wir wissen, dass die Anzahl der Kinder in Hamburg in den nächsten Jahren nach aktuellen Prognosen zurückgeht, im Elementarbereich bis 2026 um ungefähr 3800 Kinder. Der Zuzug von Asyl- und Schutzsuchenden bleibt hier aber eine schwer kalkulierbare Größe. Im vergangenen Jahr haben wir rund 2000 Kinder von Asyl- und Schutzsuchenden in unseren Kitas aufgenommen. Das verlief sehr geräuschlos, was ein weiteres Beispiel dafür ist, wie leistungsfähig unser Kita-System ist.

Kinder mit Migrationshintergrund können für die Kitas zu einer besonderen Herausforderung werden, einfach weil die Erzieher hier noch mehr Wert auf den Spracherwerb legen müssen. Wie unterstützt die Sozialbehörde die Träger dabei?

Hamburg ist eine vielfältige Stadt in der ein hoher Prozentsatz an Kindern einen Migrationshintergrund hat. Für eine gelingende Integration ist Spracherwerb ein zentrales Element. Dafür haben wir unser Programm Kita-Plus verstetigt, mit dem wir die Kitas bedarfsgerecht mit zusätzlichen Personalmittel stützen wollen. Hamburg investiert hier jährlich bis zu 30 Millionen Euro. Und hat im letzten Jahr den Ausfall der Bundesfinanzierung kompensiert. Zentrales Ziel ist es, dass die Kinder von Anfang an die deutsche Sprache lernen, um in der Schule und in der weiteren Bildungsbiografie erfolgreich zu sein.