Hamburg. Seit 30 Jahren leitet Gitta Weiß eine Kita in Eimsbüttel. Doch so eng wie jetzt war es finanziell noch nie. Das sind die Gründe.
Trotz Regens und gerade einmal acht Grad ist der Vorgarten des „Kinderhauses Fledermaus“ nicht leer. Im Gegenteil: In Gummistiefeln und Regenhosen buddelt ein Großteil der Kinder, die Gitta Weiß Tag für Tag bei sich in der Kita in Eimsbüttel an der Lappenbergsallee betreut, im Sand. Nur ein kleiner Junge mit blonden Locken, rot-weiß gestreiftem Oberteil und einer blauen Gummihose steht noch etwas schüchtern im Flur. Doch auch ihn begeistert Weiß in wenigen Minuten mit ihrem Einfühlungsvermögen dafür, sich den anderen Kindern anzuschließen und sich in den nassen Sand zu stürzen.
Das, was hier für aktuell 40 Kinder der Ort ist, an dem sie fürs Leben lernen, toben, weinen und erste Freundschaften schließen, hat Weiß vor 30 Jahren aufgebaut. In der Filiale eines alten Penny-Marktes hat die gelernte Erzieherin gemeinsam mit vier anderen Erzieherinnen das geschaffen, wofür sie ihren Beruf ergriffen hat: eine Kita, in der sich Erzieherinnen Zeit nehmen, um auf die individuellen Bedürfnisse jedes Kindes einzugehen. Eine, in der jede Arbeitskraft wertgeschätzt wird. Einfach ein Ort, an dem sich jeder und jede so geben kann, wie sie ist, und willkommen fühlt – egal ob vier oder 40 Jahre alt.
Kita Hamburg: Kleine Einrichtung in finanzieller Not
Um diesen Ort jedoch so aufrechtzuerhalten, wie er ist, und es vielen weiteren Generationen von Kindern zu ermöglichen, sich sorgenfrei entwickeln zu können, bedarf es neben Mühe, Kraft und dem Engagement aller Erzieherinnen auch vor allem eines: ausreichend Geldes. Wegen der gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreise sowie des „unglaublichen Aufwands an Bürokratie“, den ihre Mitarbeiterinnen Tag für Tag bewältigen müssen, wie Weiß sagt, ist das Geld allerdings momentan knapp. Es ist sogar so knapp, dass Weiß den Beschäftigten in diesem Jahr womöglich kein Weihnachtsgeld auszahlen kann – nach dem vergangenen Jahr, das zweite Mal innerhalb von 30 Jahren Kita-Geschichte.
„Ich finde das wirklich schlimm“, sagt Weiß. Die Erzieherinnen, allesamt langjährige Mitarbeiterinnen, hätten es der 56-Jährigen zufolge verdient, Wertschätzung für ihre Arbeit zu erfahren. Gerade in der aktuellen Situation, in der ein hoher Krankenstand und die emotional aufreibende Weltlage sowohl Kinder als auch Mitarbeiter besonders belasteten. „Wir geben hier wirklich alles, aber alles reicht offenbar nicht mehr“, sagt die Kita-Leiterin. Der finanzielle Puffer, den Weiß und ihre Kolleginnen für Anschaffungen oder Renovierungen über die Jahre hinweg angespart hatten, sei aufgebraucht.
„Wir kaufen hier wirklich nur noch das Nötigste. Wenn aber mal wieder etwas kaputtgeht, wie etwa Spielzeug oder Gebrauchsgegenstände, frage ich mittlerweile oftmals auch zunächst die Eltern, ob nicht jemand zu Hause noch so etwas herumliegen hat.“ Das sei vor Corona nicht so gewesen, sagt Weiß. Auch neue Möbel oder Wandfarbe seien momentan nicht drin. So eng sei es mit dem Geld.
Kita Hamburg: Mitarbeiterinnen alle hoch qualifiziert – das ist teuer
Und das hat unter anderem seinen Grund im sogenannten Landesrahmenvertrag, sagt Weiß. Dort ist nämlich festgeschrieben, wie viel Geld die Stadt jeder Kita zahlt. Vorgabe ist, so sagt es der Vertrag, dass jede Kita eine festgelegte Menge an „Erstkräften“, also staatlich anerkannten Erziehern, Sozial- oder Kindheitspädagoginnen, beschäftigt. Ein bestimmter Prozentsatz hingegen darf auch durch sogenannte „Zweitkräfte“ abgedeckt werden – also Kinderpfleger oder sozialpädagogische Assistenten.
Da Erst- mehr Geld als Zweitkräfte erhalten, die Stadt jedoch jeder Kita – ganz gleich, wie viele Erst- und Zweitkräfte sie tatsächlich beschäftigt – nur den Mindestbedarf für Erstkräfte zahlt, ist das für die verhältnismäßig kleine Kita in Eimsbüttel ein Problem. „Unsere Mitarbeiterinnen sind alle hoch qualifiziert und teilweise Jahrzehnte dabei. Die kann ich ja jetzt nicht kündigen und durch Zweitkräfte ersetzen, damit wir uns wieder einen finanziellen Puffer aufbauen können“, sagt Weiß.
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Durch diese Vorgabe und Festschreibung der Leistungsraten leide am Ende die Qualität der Betreuung, mahnt die Kita-Gründerin. Wolle sich darüber hinaus eine Zweitkraft zur Erzieherin weiterbilden, sei das Weiß zufolge zwar ein Gewinn für die Qualität der Kinderbetreuung und durchaus wünschenswert. Für die finanzielle Situation ihrer Kita hingegen sei das aber ein Problem, da das zusätzliche Geld für das gestiegene Gehalt der Erzieherin dann fehlt.
Bürokratischer Aufwand für Hamburger Kitas deutlich gestiegen
„Hinzu kommt, dass unser Krankenstand seit Corona teilweise so hoch ist, dass wir phasenweise Mitarbeiterinnen über Leiharbeitsfirmen beschäftigen müssen“, sagt Weiß. Diese kosteten doppelt so viel wie ihre eigenen Mitarbeiterinnen. Zudem sind Erzieherinnen, die Leiharbeit leisten, von administrativen Pflichten wie etwa der Entwicklungsdokumentation der Kinder oder von Elterngesprächen befreit. Alles Arbeit, die Weiß und ihre Mitarbeiterinnen also zusätzlich zu ihrer pädagogischen Arbeit leisten müssen.
Und damit kommt die Kita-Leitung auch bereits zum nächsten Punkt: Während der vergangenen Jahre seien die bürokratischen Anforderungen an Kitas deutlich gestiegen. „Für jedes Kind fertigen wir beispielsweise ein eigenes Portfolio mit Bildern und Texten an, das es zum Ende seiner Kita-Zeit mitnehmen kann.“ Prinzipiell fände die Erzieherin diese Idee auch gut, ebenso wie Elterngespräche und die von der Behörde in regelmäßigen Abständen stattfindenden Kontrollen. „Ich weiß jedoch nicht, wo ich die zusätzlichen Stunden dafür hernehmen soll“, so Weiß. Eine Kita-Begehung durch die Kontrollstelle der Stadt koste die Kita beispielsweise zwei Tage Arbeit, da Nachweise hervorgeholt werden müssen und jemand die Behördenmitarbeiter auch durch die Einrichtung führen muss.
Kita Hamburg: Große Träger hätten es in der Hansestadt einfacher
„Am Ende“, fährt die Erzieherin fort, „geht alles zulasten der Betreuungszeit und -qualität der Kinder.“ Gerne würde Weiß auch weniger Kinder, dafür aber noch intensiver, beaufsichtigen. Damit sich ihre kleine Kita jedoch rechnet, müsse die Erzieherin aber mindestens 40 Kinder betreuen.
Große Kitaträger hätten es demnach einfacher, da diese eine Querfinanzierung zwischen den einzelnen Einrichtungen betreiben und Mitarbeiter für administrative Arbeit einstellen könnten. Auch Lebensmittel- und Ausstattungskosten fielen bei größeren Trägern niedriger aus, da diese über die Menge gehen können.
Kitas: Entgeltpauschale ist unabhängig von Qualität
Auch sei es theoretisch gleichgültig, was Weiß ihren Kindern zum Mittag vorsetzt. „Die Leistungspauschale ist dieselbe, ganz gleich ob ich den Kindern – so wie wir es machen – abwechslungsreiches Bio-Essen oder aber trockene Kartoffeln vorsetze.“ Zudem betreue Weiß momentan so viele Allergikerkinder wie noch nie zuvor – alles zusätzliche Kosten, die durch das Entgelt der Stadt nicht gedeckt würden.
Doch auch wenn es momentan schwierig sei und die Kita-Gründerin tatsächlich auf das Weihnachtsgeld für ihre Mitarbeiterinnen verzichten muss: Weiß will ihr „Kinderhaus Fledermaus“ in jedem Fall bis zur Rente in acht Jahren weiterbetreiben.