Hamburg/Kiel. ... und wo Schleswig-Holstein noch lernen kann. Ein Kommentar zur Bildungslandschaft im Norden und zu den Konsequenzen aus Pisa.

Will man die Gefühlslage, die Deutschland im Jahr 2001 erschütterte, in nur einem Wort beschreiben, dann ist es „Schock“. Oder auch: „Pisa-Schock“. Die erste weltweite Studie zum Leistungsstand von 15 Jahre alten Schülern offenbarte in einer Klarheit, was kaum jemand zuvor erwartet oder auch befürchtet hatte: Deutschland – das Land von Goethe und Schiller, von Robert Koch und Max Planck – stand am Ende. Jedenfalls am Ende der Bildungsskala.

Blickt man auf die jüngste Pisa-Studie aus dem vergangenen Herbst und auf den aktuellen IQB-Bildungstrend, also den nationalen Vergleich der Neuntklässler, macht das Wort vom „Schock“ erneut die Runde. Nachdem sich die Leistungen in den Jahren zwischen den Vergleichstests zum Teil deutlich verbessert hatten, war es im Herbst 2023 beinahe ein Rückfall in vergessen geglaubte Zeiten. Landesweit hatten sich im IQB-Test die Leistungen in Deutsch und Englisch wieder verschlechtert. Einen Grund sehen Bildungsexperten in den monatelangen Schulschließungen während der Pandemie.

Kita, Schule – welche Konsequenzen Hamburg gezogen hat

Das Studienergebnis für Schleswig-Holstein war besonders niederschmetternd: Die Mädchen und Jungen aus neunten Klassen schnitten nicht nur unterdurchschnittlich ab – sie verschlechterten sich auch beim Lesen, Zuhören und in der Rechtschreibung in Deutsch. Und die Gleichaltrigen in Hamburg? Sie haben sich leicht verbessert und gegen den Trend im Ranking der Bundesländer zugelegt.

Das hat mehrere Gründe. Hamburg hat aus dem ersten Pisa-Debakel die richtigen Konsequenzen gezogen – für Kitas und für Schulen. Das Ganztagsangebot an Schulen ist vorbildlich. Fast 90 Prozent der Grundschüler profitieren von Unterricht, Betreuung (und Verpflegung) bis in den Nachmittag. Die Stadt bietet allen Kindern auf Wunsch einen Ganztagsplatz an. Und Schleswig-Holstein? Nach den Zahlen der Bertelsmann Stiftung ist es gerade einmal ein Drittel der Kinder.

Wo Hamburg es einfacher hat als Schleswig-Holstein

Was Hamburg sonst noch anders – und besser – macht? Der Kitabesuch ist zumindest in den ersten fünf Stunden am Tag kostenlos, Eltern in Schleswig-Holstein müssen von Stunde 1 an zahlen, wenn auch deutlich weniger als früher. Hamburg bietet über das Kita-Gutschein-System allen Eltern, die es wollen, einen Kitaplatz. Beim nördlichen Nachbarn fehlen laut Studie 15.600 Kitaplätze. Hamburg überprüft seit Jahren konsequent die Kompetenzen aller Schüler in Deutsch, Mathematik und Englisch mit standardisierten wissenschaftlichen Tests. Alle Daten fließen ein in den Ausbau der Bildungssysteme. Und nicht zuletzt überprüft die Stadt – anders als das Nachbarland – konsequent den Sprachschatz aller Viereinhalbjährigen. Wer den verpflichtenden Test nicht besteht, wird, ob es den Eltern passt oder nicht, in Deutschkursen fit gemacht für die Einschulung.

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Hamburg, das gehört auch zur Wahrheit, hat es an vielen Stellen des Bildungssystems deutlich einfacher. Hier der Stadtstaat, der Schule und Kita aus einer Hand steuert, da das Flächenland mit selbstbewussten Kommunen als Schulträger. Auch ist in Hamburg die Lage weit vom Optimalzustand entfernt: In den Kitas fehlt es an Erzieherinnen und Erziehern, an den Schulen fällt zu viel Unterricht aus, Corona hat auch hier Wissenslücken und soziale Defizite hinterlassen.

Aber die Unterschiede zwischen beiden sind gewaltig. Um es in Schuldeutsch auszudrücken: In Hamburgs Zeugnis dürfte eine ordentliche Note stehen, in Schleswig-Holsteins Zeugnis könnte von einer Versetzung die Rede sein, die gefährdet ist.