Hamburg. Personalmangel im Hamburger Hafen: Hadag und Co brauchen mehr Hafenschiffer, sonst drohen Ausfälle. Doch die Lösung ist kompliziert.
- Bei Personalmangel drohen Ausfälle der ÖPNV-Fähren der Hadag.
- Hamburger Senat soll nun Vereinfachung der Ausbildung prüfen.
- Azubis lieben vor allem Vielfalt im Hamburger Hafen und Fahrgastkontakt.
Die Wellen plätschern sanft gegen die „Reeperbahn“, und ein erfrischender Wind zieht durch die geöffneten Fenster der Schiffsbrücke. Hinter dem Fahrpult, einige Meter über den Köpfen der Fahrgäste der Hadag-Fähre, hat Luca Ihrke (17) den Blick auf die Elbe und den sonnigen Hamburger Hafen gerichtet. Während das Boot unter seinen Füßen leise brummt, lauscht er Funksprüchen und überprüft, ob mit den Maschinen der „Reeperbahn“ alles rundläuft.
Mit dabei ist sein Ausbilder Lars Juhre (36), der sichergeht, dass sein Auszubildender das Schiff sicher und vorschriftsgemäß fährt. Seit neun Monaten ist Ihrke in der Ausbildung zum Hafenschiffer bei der Hadag und damit Teil des Personal-Nachwuchses, den das Unternehmen dringend braucht. Denn mit dem Personalmangel sank in der Vergangenheit auch die Zuverlässigkeit der ÖPNV-Fähren, auf die viele Hamburgerinnen und Hamburger für ihren Arbeitsweg angewiesen sind.
Hamburger Hafenrundfahrten in Gefahr? Nachwuchs dringend gesucht
Laut Angaben des Hamburger Senates kam es im Jahr 2023 bei der Hadag zu einer Ausfallquote von 7,98 Prozent. Diese Ausfälle führt Vorstand Martin Lobmeyer auf die starke Abwanderung von Personal zurück. „Im vergangenen Jahr haben uns einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlassen“, erklärt er. Unter anderem die Wiederaufnahme des Regelbetriebs der Hafenrundfahrunternehmen nach der Corona-Pandemie habe dazu geführt, dass diese Unternehmen im vergangenen Jahr mehr Personal brauchten. Das sei, so Lobmeyer, auch aus dem Hadag-Personal „eingeworben“ worden.
Einen zentralen Grund für die Unternehmenswechsel gibt es laut dem Vorstand nicht, allerdings habe die Hadag in Sachen Entgelt und Mitarbeiter-Benefits nicht so schnell reagieren können wie manche privaten Unternehmen. Jetzt habe das Unternehmen „massiv nachgezogen“, berichtet Lobmeyer. „Wir haben einen attraktiven Tarifvertrag und sind im Gehalt konkurrenzfähig. Nichtsdestotrotz ist das Wiedergewinnen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein langer Prozess.“ Eine Taktverdichtung sei aufgrund des Personaldeckels voraussichtlich erst ab 2025 möglich. Aktuell liegt der Fokus der Hadag laut Lobmeyer darauf, die Stabilität und Verlässlichkeit des Betriebs zu sichern.
Nur knapp einen Kilometer entfernt trifft eine kleine Welle die angedockte Barkasse mit dem Namen „Nordsee“, und die Fahrgäste des Hafenrundfahrtboots, aneinandergereiht auf ausgeblichenen Holzbänken, lachen über die plötzliche Bewegung. Es ist ein unverhofft sonniger Tag, und auf den Anlegern am Hamburger Hafen drängen sich Touristen aneinander vorbei. Während sich die „Nordsee“ weiter füllt, scherzen Paul Strese (35) und Christian Schlüter (36) miteinander.
Ausbildung in Hamburg: Bei Kapitän Prüsse gibt es viel Kontakt mit den Fahrgästen
Wenn das Boot der Kapitän Prüsse Schifffahrtsgesellschaft gleich ablegt, wird Schlüter als Schiffsführer und Ausbilder das Kommando übernehmen, denn Kollege Strese ist noch in der Ausbildung. In rund zweieinhalb Jahren ist er ausgelernter Hafenschiffer und soll dann auch alleine die Hafenrundfahrtboote fahren. Im Gegensatz zu seinem Hadag-Pendant Ihrke hat Strese viel Kontakt mit den Fahrgästen.
Als die „Nordsee“ sich in Bewegung setzt, beginnt er mit dem Programm. Während die Barkasse und ihre Fahrgäste die Kehrwiederspitze passieren und in Richtung Speicherstadt fahren, erzählt der Auszubildende Fun Facts rund um Hamburgs Sehenswürdigkeiten. Immer wieder lachen die Touristen über seine Witze und drehen sich von Steuerbord nach Backbord, um die Hafenhighlights zu fotografieren. „Dafür muss man gemacht sein“, sind sich Ausbilder und Auszubildender einig.
Pünktlichkeit und Belastbarkeit: wichtigste Eigenschaften der Hafenschiffer
„Belastbarkeit ist das A und O“, meint Ausbilder Schlüter von dem Hafenrundfahrtunternehmen Kapitän Prüsse. Sowohl körperlich als auch psychisch sei der Job des Hafenschiffers anstrengend. Auszubildender Strese fühlt sich im Hafen wohl, berichtet er, und mag den „bunten Mix“ an Menschen, mit denen er jeden Tag zu tun hat – auch bei schlechtem Wetter. „Wenn du draußen minus zehn Grad hast und es stürmt ohne Ende, dann drehst du dich gern im Bett noch mal um“, erzählt Strese, „aber am Ende des Tages kommst du trotzdem gerne her.“
Aus Sicht von Schlüter ist besonders die Wochenendarbeit für junge Leute ein „rotes Tuch“. „Die wollen was erleben und am Wochenende raus“, berichtet der Ausbilder. „Hier in der Branche verdient man halt sein Geld hauptsächlich dann, wenn andere freihaben.“ Seiner Meinung nach fehlt den jungen Leuten die Disziplin für den Job. Eine Vier-Tage-Woche, Homeoffice oder eine gute Work-Life-Balance seien nicht drin in ihrem Beruf. Er selbst kann sich nicht mehr aus dem Hafen wegdenken. „Ich sag immer: Beruf kommt von Berufung. Und: Finde einen Job, den du liebst, und du musst nicht mehr arbeiten.“
Bei der Hadag sollten Auszubildende zum Hafenschiffer oder zur Hafenschifferin neben Zuverlässigkeit, Belastbarkeit und dem souveränen Umgang mit Stresssituationen auch das Verständnis für den gesellschaftlichen Auftrag der Hadag mitbringen, findet Hadag-Betriebsleiter Marco Schmitt. „Wir bringen die Leute morgens zur Arbeit und abends wieder nach Hause“, so Schmitt. Auch Ausbilder Juhre von der Hadag sieht in der Zuverlässigkeit der Auszubildenden eine der wichtigsten Qualitäten. Gerade weil die Hadag-Fähren Teil des öffentlichen Personennahverkehrs sind, sei es wichtig, dass die Schiffe pünktlich ablegen können. Nicht nur bei Kapitän Prüsse, sondern auch bei der Hadag müssen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Früh- und Wochenendschichten einstellen.
Ausbildung zum Hafenschiffer im Hamburger Hafen: zu viele Schritte und zu kompliziert?
Die dreijährige duale Ausbildung zum Hafenschiffer oder zur Hafenschifferin kann nur bedingt verkürzt werden. Bei der Hadag ist dies zum Beispiel mit einem Abitur und einschlägigen Schulnoten möglich. Nach der Ausbildung können das Hafenpatent und der Personenbeförderungsschein erlangt werden, für den man mindestens 21 Jahre alt sein und drei Monate Fahrzeit gesammelt haben muss. Erst dann können die ehemaligen Auszubildenden eigenständig als Hafenschiffer oder Hafenschifferin Fahrten machen.
Zu kompliziert findet Ausbilder Schlüter aus dem Hafenrundfahrtbetrieb das nicht: „Wir fahren ja keinen Sand durch den Hafen“, erklärt er ernst. Für die Aufgabe, Menschen durch den Hafen zu fahren, brauche es eine gewisse geistige und körperliche Eignung. Den Umfang der Ausbildung zum Hafenschiffer und zur Hafenschifferin findet er legitim.
Auch Hadag-Betriebsleiter Schmitt und -Vorstand Lobmeyer finden, dass die Ausbildung nicht maßgeblich verkürzt werden sollte. Besonders aufgrund der Verantwortung, dass Personen befördert werden, müsse im Arbeitsablauf eine gewisse Routine drin sein: „Wir haben den Anspruch, unsere Fahrgäste sicher von A nach B zu befördern, und dazu gehören sichere Schiffe, aber auch entsprechend hoch qualifiziertes Personal“, so Lobmeyer.
Personalmangel im Hamburger Hafen: CDU will Ausbildung flexibler machen
Die Hamburger CDU hat sich des Themas angenommen und fordert den Senat in einem Antrag an die Bürgerschaft auf, bis Ende September zu prüfen, ob die Berufsausbildung zur Hafenschifferin und zum Hafenschiffer flexibler gestaltet oder verkürzt werden kann. „Die Voraussetzungen, die aktuell gelten, stammen aus einer Zeit, als es keine Personalengpässe gab“, erklären die CDU-Abgeordneten Anke Frieling, David Erkalp, Sandro Kappe, Richard Seelmaecker und Götz Wiese in ihrem Antrag. Auch solle sich der Senat damit auseinandersetzten, ob der Quereinstieg in die Tätigkeit als Schiffsführerin und Schiffsführer vereinfacht und der Beruf attraktiver gestaltet werden kann.
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Weibliche Auszubildende zur Hafenschifferin gibt es aktuell weder bei der Hadag noch bei Kapitän Prüsse. Beide Unternehmen wünschen sich jedoch, dass sich dies in Zukunft ändert. „Hauptsache, die Person macht gute Arbeit“, meint Schlüter aus dem Hafenrundfahrtunternehmen. „Mensch ist Mensch.“
Auch Hadag Vorstand Lobmeyer appelliert an Bewerberinnen. „Wir freuen uns auch über weibliches Personal. Das bereichert unser Unternehmen, und das bereichert auch allgemein den Hafen ganz besonders“, meint er. „Gerade fürs nächste Jahr würden wir uns freuen, wenn wir weibliche Auszubildende dabeihätten.“