Kreis Segeberg. Maurer, Lackierer, Elektriker: Das Handwerk ist immer noch eine Männerdomäne. Wie zwei junge Frauen auf Vorurteile pfeifen.
Wenn Jackie Beu mit ihrer schwarzen Arbeitshose und der Werkzeugtasche in der Hand in die Bahn steigt, dann starren viele Fahrgäste sie erst einmal an. Eine Frau im Handwerk? Ungewöhnlich! „Manchmal sprechen mich die Leute sogar an und sagen, dass sie es cool finden, was ich mache“, erzählt die 18-Jährige, die bei der Glaserei Manske in Bad Bramstedt eine Ausbildung zur Glaserin macht.
Beim Besuch des Abendblatts ist sie gerade dabei, die alten Fenster eines Wintergartens in Norderstedt gegen besser isolierte Scheiben auszutauschen. Sie klebt Vorlegeband in die Rahmen, versiegelt die neuen Fenster mit Silikon. Auf der Baustelle ist sie nur von männlichen Kollegen umgeben. Wie sie es findet, in einer Männerdomäne zu arbeiten? Jackie Beu zuckt mit den Schultern und lacht. „Ich arbeite gern mit Männern zusammen, die sind oft viel lockerer als Frauen“, sagt sie.
Frauen im Handwerk: Anteil in kreativen Berufen ist hoch
Für Beu ist es Alltag, unter Männern zu sein. In ihrer rund 20-köpfigen Berufsschulklasse gibt es nur eine weitere Frau. Auch in der Glaserei Manske sind von 15 Mitarbeitenden nur vier weiblich – davon ist Jackie Beu die einzige, die in der Montage arbeitet, die anderen sind im Büro tätig.
Laut Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) lag der Frauenanteil unter den Auszubildenden im Jahr 2022 bei etwa einem Sechstel (16,7 Prozent). Besonders beliebt bei Frauen sind kreative Handwerksberufe wie etwa Maßschneiderin (Frauenanteil 85,7 Prozent), Konditorin (83,9 Prozent) oder Goldschmiedin (73,4 Prozent). Unangefochten auf Platz eins der Top-Jobs der weiblichen Auszubildenden im Handwerk ist immer noch der Friseurberuf. Auch die Kosmetikbranche wird nahezu vollständig von Frauen dominiert.
In den gewerblich-technischen Berufen hingegen bleiben Frauen weiterhin unterrepräsentiert. So ist zum Beispiel nur ein Anteil von 1,1 Prozent der Nachwuchsmaurer und -betonbauer weiblich. Immerhin wird laut ZDH inzwischen jeder vierte Handwerksbetrieb (24,2 Prozent) von einer Frau geführt
„Frauen lernen, dass Handwerk zu gefährlich ist“
„Frauen lernen sehr früh, dass Jobs im Handwerk angeblich zu gefährlich für sie sind. Das hat oft mit der Prägung zu Hause zu tun“, sagt Kim Pack, die für die Glaserei Manske, der Firma ihres Bruders, als Marketing- und Social-Media-Managerin arbeitet. Sie begleitet Jackie Beu an diesem Tag zu ihrem Außentermin beim Kunden, um Videos zu drehen und einen Einblick in die Arbeit der Glaserei zu geben.
Beu wurde auch von ihrem Elternhaus geprägt – nur anders, als es vielleicht das klassische Rollenbild, das immer noch in den Köpfen vieler Menschen spukt, vorgibt. Schon ihre Mutter absolvierte eine Ausbildung zur Malerin und Lackiererin, ist nun bei der Lufthansa Technik angestellt. „Die Begeisterung fürs Handwerk liegt bei uns in der Familie“, sagt die angehende Glaserin, die sich im zweiten von drei Ausbildungsjahren befindet.
Jackie Beu spielt in Musikvideo mit
Jeden Tag erlebt sie etwas anderes, arbeitet ständig für einen neuen Kunden. Das mag sie besonders an ihrem Job. „Es wird nie langweilig. Ich habe immer einen anderen Arbeitsplatz“, sagt Beu. „Ich könnte nicht jeden Tag auf einem Stuhl im Büro sitzen und auf einen Monitor starren.“
Vor Kurzem hat die Kreishandwerkerschaft Nordwestmecklenburg-Wismar eine besondere Aktion zum Weltfrauentag gestartet. Um Frauen im Handwerk zu würdigen und noch mehr für die Branche zu begeistern, wurde am 8. März ein Musikvideo der Berliner Band Böse Fuchs mit dem Titel „Alles Was Ich will“ veröffentlicht. Darin durfte auch Jackie Beu mitspielen und mit weiteren Frauen verschiedene Handwerksberufe repräsentieren. „Es war cool, Gleichgesinnte zu treffen“, sagt die Henstedt-Ulzburgerin.
Handwerkerinnen haben immer noch mit Vorurteilen zu kämpfen
Trotz allem gibt es immer noch zu wenig Weiblichkeit im Handwerk. Das gilt bundesweit genauso wie für den Kreis Segeberg. Wentje Wegner ist erste Vorsitzende des Arbeitskreises Segeberg der Unternehmerfrauen im Handwerk. Vor 28 Jahren haben sich Handwerkerinnen zusammengeschlossen, um sich über gemeinsame Themen und Nöte auszutauschen und zu vernetzen. Der Arbeitskreis besteht heute aus 16 Mitgliedern. Wegner sagt: „Zwar arbeiten relativ viele Frauen im Verwaltungsbereich, aber zu wenig im klassischen Bauhandwerk.“
Für Frauen, die an schwere Maschinen und eine männerdominierte Arbeitswelt denken, mögen Berufe wie Lackiererin oder Elektrikerin einschüchternd wirken, mutmaßt Wegner. Dabei gibt es heute viele Geräte, die genau die körperlich anstrengenden Arbeiten übernehmen. Außerdem braucht das Handwerk, das wie so viele andere Bereiche unter Fachkräftemangel leidet, dringend Nachwuchs. Sowohl männlichen als auch weiblichen.
Die 36-Jährige leitet gemeinsam mit ihrem Mann eine Firma für Gebäudeservice in Norderstedt. Immer noch haben Handwerkerinnen mit Vorurteilen zu kämpfen, berichtet Wegner. „Manche Frauen werden nicht für voll genommen oder unterschätzt. Man braucht schon Selbstbewusstsein“, sagt sie.
„Werde behandelt wie alle anderen auch“
Elin Heinacher sitzt auf einem kleinen Bagger im Garten ihres Kunden. Um sie herum durchziehen Gräben die dunkle Erde. Gemeinsam mit einem Kollegen hat sie den alten Rasen abgeschält und verlegt nun ein neues Bewässerungssystem. Die 21-Jährige aus Aukrug macht eine Ausbildung zur Landschaftsgärtnerin bei der Firma Wandrey in Bad Bramstedt. Negative Erfahrungen in ihrem Beruf, nur, weil sie eine Frau ist, hat sie bisher nicht gemacht. „Mir fehlt es an nichts. Ich werde behandelt wie alle anderen auch“, sagt sie.
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Nach dem Abitur wusste Heinacher nicht, in welche berufliche Richtung sie sich entwickeln möchte. Ihre Freunde fingen an zu studieren oder gingen ins Ausland. Sie entschloss sich schließlich, ihrem Herzen zu folgen und eine Ausbildung im Handwerk zu beginnen. „Ich wollte nach der Schule etwas Praktisches machen und sehen, was ich mit meinen Händen schaffe. Theorie hatte ich vorher genug“, erklärt Heinacher.
Frauen im Handwerk: Nicht von Vorurteilen beeinflussen lassen
Von Vorurteilen hat sie sich bei ihrer Berufswahl nicht beeinflussen lassen. „Dass Frauen nicht ins Handwerk gehören, sind alte Ansichten aus einer vergangenen Zeit. Jeder sollte sein Interesse ausleben und dabei nicht auf andere hören“, sagt die Auszubildende selbstbewusst.
Auch ihre Chefin Petra Wietheger, die die Wandrey Garten- und Landschaftsbau GmbH gemeinsam mit ihrem Mann führt, hält nichts von Klischees. Genauso wie verallgemeinerndes Denken über Frauen nervt sie das Vorurteil, dass Handwerker und Handwerkerinnen angeblich „nicht so viel Grips“ bräuchten. „Mein sehnlicher Wunsch ist es, dass Menschen von diesem Glauben endlich abrücken. Der Beruf ist so umfangreich. Wir sind darauf angewiesen, dass unsere Mitarbeiter mitdenken“, betont sie.
Einen Unterschied zwischen Mann und Frau erkenne sie aber doch. Gerade in der Pflegearbeit der Pflanzen seien Frauen oft umsichtiger und würden auf kleine Blumen mehr Acht geben und sie nicht zertrampeln. Ein weiterer Effekt: „Wenn eine Frau anwesend ist, benehmen sich die männlichen Kollegen besser“, sagt Wietheger.