Hamburg. Hochbahn-App könnte funktionieren wie beim Taxidienst Uber. Verkehrssenator Anjes Tjarks Pläne für Hamburgs digitale Mobilität.
Natürlich ist Google das Vorbild, das Silicon Valley, die Digitalisierung in der Weltstadt San Francisco und der viel diskutierte Taxidienst namens Uber. In Deutschlands Google-Hauptstadt Hamburg mit seinen 400 behördlichen Faxgeräten, der Bus-Entschleunigung und dem Moia, das auf Volkswagen-Basis schnurrt, ist bei der Modernisierung noch ein Spalt Luft nach oben. Mobilitätswendesenator Anjes Tjarks (Grüne) will jetzt aufschließen zu den Besten. Er kündigte am Dienstag im Rathaus an, dass sowohl das Fahren im HVV als auch das mit privaten Pkw derart digital werden soll, dass Hamburg in zehn Jahren nicht mehr wiederzuerkennen sein dürfte.
Dabei bekannte sich der passionierte Fahrradfahrer Tjarks ausdrücklich zu den Segnungen, die beispielsweise grüne Wellen und künftige digitale Helferlein an 600 Ampeln für den Autoverkehr bringen sollen. Es gehe darum, sagte Tjarks, auch für Autos ein besseres Durchkommen in der Stadt zu ermöglichen. Moderne Ampelsysteme ermöglichen auch eine intelligente Steuerung des Busverkehrs, für den automatisch auf Grün geschaltet wird, ebenso wie für Einsatzfahrzeuge von Rettungskräften. An der Ludwig-Erhard-Straße gebe es schon heute eine Vorfahrtregelung mithilfe digitaler Technik, die die Löschfahrzeuge der nahen Feuerwehrwache nicht im Stau stehen lasse.
HVV Hamburg: Warum die Busbeschleunigung hakt
Die jüngst bekannt gewordenen Zahlen zur Busbeschleunigung, die eher eine Verlangsamung des Fortbewegungstempos belegt hatten, kommentierte Tjarks so: Die Geschwindigkeit der Busse habe sich tatsächlich verringert, wenn man die vergangenen 20 Jahre betrachte. Schaue man zehn Jahre zurück, sei sie gleich geblieben. Das Tempo werde durch die stark gestiegene Zahl an Fahrgästen in den vergangenen Jahren reduziert. Corona – deutlich weniger Fahrgäste – habe gezeigt, wie stark die Beschleunigung der Fahrzeiten von der Zahl der Passagiere abhänge.
CDU-Verkehrspolitiker Richard Seelmaecker erklärte postwendend: „Für eine heute angesprochene intelligente Ampelschaltung setzt sich die CDU-Fraktion bereits seit Jahren ein, diese wurde von Rot-Grün allerdings aktiv verhindert.“ Der Individualverkehr werde „weiterhin eingeschränkt und erstickt im Stau, Busbeschleunigung gibt es faktisch nicht“. Es war klar, wen Seelmaecker dafür verantwortlich machte.
CDU: Nebulöse Versprechungen des Verkehrssenators
„Die Digitalisierung im Verkehrsbereich ist richtig und wichtig. Außer nebulösen Versprechungen hat der Verkehrssenator jedoch erneut wenig mitgebracht. Auch die Finanzierungen zukünftiger Projekte ist völlig unklar und ohne massive Subventionen durch den Bund nicht zu erreichen.“
Tatsächlich bündelte Tjarks bei seiner Präsentation mehrere Stränge der Digitalstrategie. Ein enorm wichtiger ist, wie vom Abendblatt bereits berichtet, die App-Modernisierung bei der Hochbahn für Busse und U-Bahnen. Es kommt nicht selten vor, dass Fahrpläne oder aktuelle Ankünfte in der App komplett anderes anzeigen als an den Haltestellen, vor allem der citynahen Buslinien. Außerdem verschwinden angekündigte Busse mitunter plötzlich von den Ankunftstafeln gänzlich.
Uber-App als Vorbild für die Hamburger Hochbahn
Hier kommt, und darauf wies Tjarks am Dienstag hin, ein System ins Spiel, das man vom US-Taxidienst Uber gewohnt ist. Wer dort mit dem Smartphone eine Fahrt bucht, sieht auf dem Display à la Google Maps, „wie sich das Auto auf einen zubewegt“, so Tjarks. Es geht also um Echtzeit-Informationen, wo sich Busse oder Bahnen gerade befinden, und die alte Frage: Muss ich zur Haltestelle oder beim Umsteigen rennen? Hochbahn-Vorstandschef Robert Henrich hatte zuletzt sogar eine intelligente Handy-Anwendung ins Gespräch gebracht: „Wenn man eine App hat, die lernt, wie ich die Hochbahn benutze, sagt sie mir auch beim Umsteigen in komplizierten Haltestellen, ob es sich lohnt, noch zu rennen, um den Anschluss zu kriegen, oder ob ich trödeln kann.“
Das Trödeln ist für Tjarks vorbei. Er hat entdeckt, wie sich die gesamte Digitalisierung beschleunigen lässt: die User mitnehmen. Das Deutschlandticket, berichtete er, habe den Anteil von 18 Prozent papierlosen Tickets in Hamburg im Jahr 2022 auf 62 Prozent heute hochgejagt. „Das ist eine gigantische Leistung.“ An der künftigen U4 von der Horner Geest in die City und HafenCity und bald weiter Richtung Veddel werde man sehen, wie man mehr Fahrzeuge auf dieselbe Strecke bekomme: „Wenn sie digital miteinander kommunizieren.“ Alle 100 Sekunden rauscht dann eine U-Bahn aus dem Osten Richtung Hauptbahnhof.
HVV: S-Bahn Hamburg lässt Züge miteinander kommunizieren
Analog, Pardon: digital wird es auch bei der S-Bahn sein. 186 Fahrzeuge gibt es dort bislang, 256 sollen es bis 2030 sein. Die S4 nach Ahrensburg sowie Bad Oldesloe soll die Schienenachse Richtung Ostsee und geplantem Fehmarnbelttunnel entlasten. Der Zuwachs werden digitale Züge sein, die vorhandenen werden nachgerüstet. Auch hier werden die Züge miteinander kommunizieren, um zu unterschiedlichen Zeitpunkten (Stromlast-Management) anzufahren und die Abstände zueinander zu optimieren. Tjarks glaubt, dass dann trotz 30 Prozent mehr Zügen sich die Pünktlichkeit erhöhen werde.
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Das alles hängt von einem S-Bahn-Stellwerk ab, das als digitales Wunderwerk ohne die übliche Signal- und Leitungstechnik in Zukunft die Züge miteinander kommunizieren lässt. Zuletzt hieß es jedoch, wegen der angespannten Lage im Bundeshaushalt seien die Neubauprojekte der Bahn vorerst auf „Stopp“ gestuft. Es gehe zunächst um die Sanierung der bestehenden Infrastruktur. Davon könnte unter Umständen auch die Planung des Digitalen Stellwerks betroffen sein. Tjarks jedoch sagte, Bahn und Verkehrsministerium hätten „ein großes Interesse, das Stellwerk umzusetzen“. Wie immer streiten sich Bund und Länder um die Finanzierung. Pointe hier: Der Bund muss die Infrastruktur bezahlen, die Länder die Züge. Nun wird die neue Technik, ein Teil der Infrastruktur, direkt in den Zügen verbaut. Wer zahlt nun die Zeche? Verhandlungssache.