Hamburg. Prognose zeigt Minus von einer Viertelmilliarde Euro. Hochbahn-Chef über 5-Minuten-Service für mehr Hamburger und sinnvolle Apps.

Das 49-Euro-Ticket hat seinen Preis. Was selbstverständlich klingt, ist es bei Weitem nicht. Denn obwohl 38 Prozent aller Hamburgerinnen und Hamburger ein Deutschlandticket haben (ein Spitzenwert bundesweit) und der HVVmehr als 912.000 verkaufte, bleibt es ein Zuschussgeschäft. Das wird jetzt bei der Hamburger Hochbahn deutlich, wo das 49-Euro-Ticket praktisch alle anderen Abos abgelöst hat. Das städtische Unternehmen für U-Bahnen, Busse und Fähren wird im Jahr 2023 nach derzeitiger Prognose einen Verlust von rund 250 Millionen Euro gemacht haben, so der neue Hochbahn-Vorstandsvorsitzende Robert Henrich am Freitag. 2022 waren es noch 162 Millionen, die Hamburg zum Betrieb zuschießen musste.

Das 49-Euro-Ticket wird zur Hälfte vom Bund und den Ländern finanziert (je 1,5 Milliarden Euro). Wie Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) zuletzt dem Abendblatt sagte, sei aus 2023 noch eine Milliarde davon übrig, die in den Aufwand für 2024 fließe. Auf das Ergebnis der Hochbahn drücken jedoch ebenso hohe Energiepreise (Strom ist ein gewaltiger Kostenfaktor), Bau- und Personalaufwendungen sowie Zinsen. Henrich, erst sechs Wochen im Amt, versprüht dennoch einen Optimismus, der auf zwei Trends beruht: Erstens prognostiziert er ein erhebliches Fahrgastwachstum für die Hochbahn. Und zweitens setzt er voll auf die Digitalisierung. „In Hamburg sehe ich einen großen Rückhalt für den ÖPNV. Dennoch sollten wir noch transparenter machen: Was kostet das?“, sagte Henrich.

Hochbahn Hamburg: 250 Millionen Verlust in 2023 prognostiziert

Da Hamburg nach wie vor in der Bevölkerungszahl wachse, gelte dasselbe für den öffentlichen Nahverkehr. Zudem habe sich die Stadt eine Mobilitätswende auf die Fahnen geschrieben. Henrich hat sein eigenes Auto bereits abgeschafft. Aber er zeigt Verständnis: „Am Stadtrand und auf dem Land kann ich verstehen, wenn man sich vom Auto nicht trennt.“ Im dichter besiedelten Bereich sieht er das anders: „Ich bin ein Verfechter von Busspuren. Autofahren ist in der Innenstadt nicht sinnvoll.“

Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), Hochbahnchef Robert Henrich und Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne)
Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), Hochbahnchef Robert Henrich und Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) © Jürgen Joost | Juergen Joost

Der neue Hochbahn-Chef hat für Daimler gearbeitet, für Moia, in den USA und Japan gelebt und überall genutzt, was es an Mobilitätsangeboten gab. Er kennt alle gängigen Simulationen, Prognosen, aktuelle Technologie und vor allem die Kundensicht aufs Handy. „Schon heute haben etwa 70 Prozent der Hamburger einen Fünfminutentakt. Sie gehen fünf Minuten zu einer Haltestelle und warten höchstens fünf Minuten. Das wollen wir in Zukunft für 80 Prozent der Hamburger anbieten. Die letzten 20 Prozent werden teuer. Dort werden On-Demand-Angebote ins Spiel kommen.“

Das werden Kleinbusse sein, die man anfordert, wo keine Linien fahren. Und sie kommen rasch. „Ab 2025 sollen 20 autonome Kleinbusse durch Hamburg fahren. Das sind vorerst geschlossene Nutzergruppen. Wir müssen lernen, wie das funktioniert und ab 2026 sehen, wie das bei den Fahrgästen ankommt, wenn sie im richtigen Einsatz sind. Ob es bis 2030 wirklich 10.000 autonom fahrende Shuttle sind, kann niemand genau sagen.“

20 autonome Kleinbusse ab 2025 in Hamburg

Dieses ambitionierte Ziel hat sich Verkehrssenator Tjarks gegeben. Zum Beispiel über die HVV-App lassen sich bereits heute Angebote von Carsharing-Unternehmen nutzen. Auf dem Weg zu einer klimaschonenderen Fortbewegung und neuem Denken beim Besitzen und Befahren in der Auto-Welt hat Henrich seine Ideen überall eingesammelt. „Der Schlüssel liegt in der Vernetzung. Für die Kunden geht es darum, von A nach B zu kommen, da sollen sie aus einer Hand mehrere Vorschläge erhalten, die U-Bahn und Bus, aber eben auch Carsharing oder zukünftig autonom fahrende Kleinbusse einschließen.“

In vielen Ländern zeigen Unternehmen wie Uber, Apps für Live-Infos und mehr Komfort, wie es gehen kann. Über die schleppende Entwicklung bei Hamburger Bussen und Bahnen ist sich Henrich bewusst. „Wir müssen die Kundenzufriedenheit über die Apps messen und neue Services bereitstellen. Wenn Sie ein Taxi rufen, sehen Sie auf einer Karte in Echtzeit, wo es sich auf dem Weg zu Ihnen befindet. Bei unseren Bussen weiß man das nicht. Da kann man ziemlich viel besser machen.“ Vor Feedback hat er keine Angst, weil es helfe, das Angebot besser zu machen.

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Allerdings: Der allseits beklagte raue Ton, der mitunter in Bussen herrsche, sei vor allem für die Fahrerinnen und Fahrer nicht schön. Henrich, 54, könnte ein Prototyp für Nutzerinnen und Nutzer der Hochbahn der Zukunft sein. Zumindest für den Teil, der seine Dauer auf Straße und Schiene so einplant, dass es nicht allzu viel Lebenszeit kostet. Er sagt von sich: „Ich bin ein Sekunden-Optimierer. Ich würde am liebsten auf einer App an einem Balken sehen, wie viele Sekunden ich noch habe, um loszugehen und an der Haltestelle die U-Bahn zu erreichen. Wenn man eine App hat, die lernt, wie ich die Hochbahn benutze, sagt sie mir auch beim Umsteigen in komplizierten Haltestellen, ob es sich lohnt, noch zu rennen, um den Anschluss zu kriegen, oder ob ich trödeln kann.“

Das klingt so plastisch, als hätte man Menschen an der Hoheluftbrücke befragt, die von Hamburgs meistgenutzter Buslinie 5 in die Ringlinie U3 umsteigen wollen. Da wird viel gerannt. Diese App-Vision braucht mehr als eine durchdachte Handy-Anwendung. Henrich weiß, dass persönliche Nutzungsinformationen das Gold der Digitalwelt sind. „Das hat viel mit der Datenbereitstellung zu tun – also, ob ich bereit bin, meinen Standort zu teilen.“