Hamburg. Was für eine oberirdische Strecke der U-Bahn-Verlängerung spricht. Verkehrssenator Tjarks nennt bereits einen möglichen Baubeginn.
Die U4 ist eine seltsame U-Bahn im Hamburger Streckennetz. Sie fährt im Prinzip weitgehend auf einer bestehenden Linie (U2) und wurde vom Jungfernstieg aufwendig und kurvig unterirdisch in die HafenCity gebohrt. An der Elbe ist Schluss mit der Station Elbbrücken und dem modernsten Hochbahn-Halt überhaupt. In den kommenden Jahren jedoch ergibt die U4 für deutlich mehr Fahrgäste im HVV-Netz erheblich mehr Sinn: Die Ost-Verlängerung in die Horner Geest läuft bereits – und nun beginnt der Anlauf zum „Sprung über die Elbe“ Richtung Wilhelmsburg und möglicherweise Harburg.
Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) bestätigte dem Abendblatt: „Bei der U4 über die Elbbrücken hinaus Richtung Süden wird es immer konkreter. Die Hochbahn hat in der Elbe schon bis zu 60 Meter tief gebohrt, um zu gucken, wie das funktionieren kann und die Untergrundbeschaffenheit ist. In der zweiten Hälfte der 2020-er Jahre können wir mit dem Bau der U-Bahn-Verlängerung beginnen, vielleicht 2027.“ In 2024 müsse man entscheiden, wie es am Moldauhafen Richtung Süden weitergehe. Bis zur Georg-Wilhelm-Straße gebe es eine Machbarkeitsstudie mit drei Varianten. Tjarks sagte: „Wenn man oberirdisch hinter dem Moldauhafen ankommt, ist die Frage, ob man oberirdisch mit der Strecke weitergeht oder einen Tunnel in die Erde bohrt. Das ist noch nicht entschieden.“
Hochbahn Hamburg: U4 als Stelzenbahn bis nach Wilhelmsburg?
Die U4 kann den neuen Stadtteil Grasbrook anschließen, der hier mit 3000 Wohnungen, bis zu 16.000 Arbeitsplätzen, einem Park, einer Schule und Sportanlagen entstehen soll. Wie üblich, ist rund ein Drittel der Wohnungen öffentlich gefördert. Weiter Richtung Süden wäre entlang einer noch nicht festgelegten Trasse das Reiherstiegviertel nicht weit. Zudem entstehen auf der Elbinsel in drei bereits beschriebenen Quartieren in den nächsten Jahren Tausende Wohnungen neu. Sie haben bislang keine gute Schienenanbindung. Der Platz wurde geschaffen, indem die Wilhelmsburger Reichsstraße verlegt wurde.
Für die U4 wäre möglicherweise auch am Rathaus Wilhelmsburg noch nicht der finale Stopp südwärts. Tjarks sagte dem Abendblatt: „Südlich der Georg-Wilhelm-Straße in Wilhelmsburg kommt eine Trassierungsstudie, denn die U4 könnte weiterlaufen bis nach Kirchdorf und eventuell Harburg.“ Das klingt nach Utopie. Auch die Gretchenfrage heutiger Verkehrsplanung harrt noch einer Antwort: Wer bezahlt das alles? Hierbei sollte man jedoch im Auge behalten, dass die geplante U5, die sich von Bramfeld über die City Nord, den Hauptbahnhof und das UKE zum Volksparkstadion schlängeln soll, ebenso eine Realisierungsperspektive bis 2040 hat. Die dafür erforderlichen (bis zu) 16,5 Milliarden Euro werden zu einem Großteil vom Bund aufgebracht.
Verkehr Hamburg: Was den Ausbau behindern könnte
Die Ampel-Regierung in Berlin ist aktuell extrem klamm. Aufgrund der Haushaltslage sollen unter anderem bei der Bahn Neubauprojekte zusammengestrichen werden, die auch Hamburg betreffen könnten. Hier ist nach Abendblatt-Informationen aus höchsten Bahnkreisen die Lage jedoch alles andere als so schlimm wie zuletzt dargestellt. Außerdem: Wie die U5 würde eine südwärts gerichtete U4 nicht am selben Tropf und Topf hängen wie gesamtdeutsche Bahn- und S-Bahn-Projekte, sondern vom Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz profitieren.
Tjarks gibt sich nicht euphorisch, sondern als Englischlehrer, der den Taschenrechner zu nutzen weiß. Zu den Chancen einer verlängerten U4 sagte er: „Diese Idee wird am Ende des Tages real und glaubwürdig, wenn man das Nutzen-Kosten-Verhältnis über 1 erreichen und damit auch Bundesfinanzierung beantragen kann. Für den Nutzenfaktor ist es besonders wichtig, wie viele Menschen tatsächlich neu an eine U-Bahn angeschlossen werden. Da ist die finanzielle Unterstützung vom Bund sehr wichtig.“
Was für eine oberirdische U4 nach Wilhelmsburg spricht
Beim Nutzen kann Wilhelmsburg die Neubaugebiete in die Waagschale werfen. Bei den Kosten gibt es ebenfalls eine Variante als Trumpf. Ein oberirdischer Bau der U4 wäre erheblich günstiger, schneller umsetzbar und möglicherweise für Nutzer attraktiver. Tunnelbohrungen sind im Inseluntergrund riskanter. Eine Stelzenbahn – siehe Isestraße – ist so ungewöhnlich nicht für die Hamburger Hochbahn (nomen est omen). Ein erheblicher Teil der Linien U1, U2 und U3 verläuft oberirdisch. Auch wenn es hier noch keine Festlegung geben kann, so entfaltet diese Variante sogar für kritische Beobachter der Hamburger Verkehrspolitik ihren Charme.
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Manuel Humburg vom Verein Zukunft Elbinsel Wilhelmsburg sagte dem Abendblatt, man habe einiges dazu beigetragen, dass die U4 Richtung Süden nun auf der Agenda sei. Eine echte Hochbahn mit Hafenpanorama, kombiniert mit einer Veloroute aus der HafenCity gen Süden, könne „zur vielleicht schönsten Strecke Hamburgs“ werden. Oberirdische Stationen seien zudem besser für die Fahrgäste zu erreichen, als wenn man „100 Stufen in eine U-Bahnstation hinunterlaufen muss“.
Ausbau der U-Bahn Richtung Osten: Schienenersatzverkehr endet Anfang Mai
Anders als bei vielen verzögerten und verteuerten Bauprojekten Hamburgs glaubt Tjarks fest an die Planer der Hochbahn. Das sehe man am anderen Ende der U4 im Osten: „Die U4 auf die Horner Geest liegt im Zeitplan und kann 2026 eröffnet werden.“ Er bedanke sich bei den Menschen in Horn, die das aufwendige Bauen und Bohren sowie den Schienenersatzverkehr mitgetragen hätten. Ende April, Anfang Mai sollen U2 und U4 wieder auf der angestammten Strecke fahren. Die Mega-Baugrube an der Horner Rennbahn am viel befahrenen Ring 2 hat laut Tjarks für weniger Beeinträchtigungen gesorgt als befürchtet. „Die Fahrbahn des Ring 2 wandert praktisch mit dem Baufortschritt mit. Auch die Verkehrsführungen für Fußgänger und Radfahrer werden entsprechend angepasst, sodass sie die Baustelle queren können.“