Hamburg. Es ist die zentrale Zukunftsfrage für Innenstadt und HafenCity: Wie wandern die Menschen bequem zwischen den Welten, wo ist ungenutztes Potenzial?
Wahrscheinlich ist es die schwierigste Schnitzeljagd der Stadt – es geht darum, den perfekten Weg zu finden zwischen der alten Hamburger Innenstadt und der HafenCity, zwischen Rathaus und Elbphilharmonie, zwischen Mö und Überseequartier. Er soll bequem sein, schnell sein und gut funktionieren. Das Problem: Im Nachkriegshamburg war eine solche Verbindung weder vorgesehen noch benötigt.
Als es um den Wiederaufbau der Stadt ging, hatte Hamburg der Elbe längst den Rücken gekehrt. Dort, wo die HafenCity heute ihrer Vollendung entgegenstrebt, lag der Freihafen, ein Lagerhauskomplex hinter Zäunen. Dorthin verirrte sich kein Passant, kein Flaneur, kein Tourist.
Innenstadt Hamburg: Gleich zwei Verkehrsschneisen trennen die Stadt
Davor durchschnitten zwei Verkehrsschneisen die Stadt: Was ihnen im Wege stand, wurde niedergerissen und zugeschüttet. So trennt heute die 36 Meter breite Ost-West-Straße (ursprünglich sollte sie gar 52 Meter messen) die Viertel; eine weitere Trasse führt entlang des Zollkanals. Die Stadt war allein von Osten nach Westen ausgerichtet, südlich der City begann für manche der Balkan.
Nun wird alles anders. Wer die alte Stadt und ihre junge Erweiterung verbinden will, muss die alten Schneisen und Mauern überwinden, Wegverbindungen schaffen und Passanten geschickt leiten. Aus der HafenCity kommt man auf natürlichem Weg gen Norden – hier ziehen die hohen Kirchtürme die Menschen an. Der Weg aus der anderen Richtung ist ungleich schwieriger. „Man geht durch die Mönckebergstraße, aber kommt bislang nicht auf die Idee, abzubiegen“, sagt Oberbaudirektor Franz-Josef Höing. „Das müssen wir herausarbeiten.“
Da können Hamburgs Hauptkirchen helfen. Ein mögliches Verbindungsstück zum Süden ist St. Jacobi. Der mittelalterliche Bau mit dem ungelenken 125-Meter-Turm steht zwischen Mönckebergstraße und Steinstraße und damit an der schnellsten Verbindung ins Kontorhausviertel. Noch wirkt die Pilgerkirche wie eingemauert: Die Rückseiten der Geschäftshäuser der Mö zeigt sich abweisend, das Hochbahn-Gebäude geradezu verschlossen, Autos stellen den Innenhof zu, und die Steinstraße macht ihrem Namen alle Ehre: Viel Stein, wenig Leben. Höing spricht zu Recht von einer „mentalen Barriere“.
Die Hauptkirche St. Jacobi liegt in Hamburg an einer wichtigen Schnittstelle
Astrid Kleist, Pröpstin und Hauptpastorin von St. Jacobi, will das Kleinod aus seinem steinernen Gefängnis befreien: „Wir wollen uns als Kirche öffnen. Jede Himmelsrichtung soll in Zukunft zum Verweilen einladen.“ So ist ein Pilgercafé geplant, in der Kirche soll eine offene Restaurierungswerkstatt entstehen, in der sakrale Denkmäler restauriert werden. Fallen die Parkplätze und Anlieferungszone weg, könnten dort Bänke und Bäume Platz finden. Das prächtige Portal benötigt ein standesgemäßes Gegenüber. Im Klartext: Die umliegenden Gebäude müssen geöffnet und attraktiver werden. „Noch will hier kein Brautpaar aus der Kirche heraustreten“, sagt Kleist. „Aber das können wir ändern.“
Die fünf Hauptkirchen in Hamburgs Innenstadt sind Frequenzbringer, sie locken Touristen, sind zugleich Orte der Stille und Kulturräume. In St. Jacobi beispielsweise kommen jeden Donnerstag um halb fünf Uhr 200 Menschen zum Orgelkonzert, St. Petri lädt jeden Werktag um 17.15 Uhr zur „HörZeit: Fünfzehn Minuten für Kopf und Herz“. Auch St. Katharinen und der Michel machen regelmäßige offene Angebote. „Die Kirchen sind wichtige Stimmen im Konzert der Stadt“, nennt es Höing.
Weltkulturerbe Kontorhausviertel wird besser an Hamburger Innenstadt angebunden
Bald bekommt die mittelalterliche Hauptkirche St. Jacobi ein attraktiveres Umfeld. An der Mö entsteht auf der alten C&A-Fläche ein neues Kontorhaus mit Hotel und Restaurant; die Steinstraße wird zurückgebaut. Die überdimensionierte Trasse bekommt 2026 einen Fahrradweg und Bäume.
Der erste Trittstein auf dem Weg gen Süden sitzt: Gleich hinter St. Jakobi lockt das Weltkulturerbe Kontorhausviertel. Hier besteht seit Jahrzehnten Veränderungsbedarf: Zwischen den Meisterwerken des Backstein-Expressionismus – dem Chilehaus, dem Mohlenhof und Sprinkenhof – liegt der Burchardplatz. Anderswo wäre dieser Platz längst ein herausgeputztes Postkartenmotiv, ein Ort zum Verweilen und Vorbeischauen, eine Sehenswürdigkeit. In Hamburg ist er ein Parkplatz.
Architektonische Höhepunkte des Burchardplatzes sind bislang bemalte Stromkästen und Fahrradbügel. Doch hier wird sich vieles ändern, sagt Michael Kaschke, geschäftsführender Gesellschafter WES LandschaftsArchitektur. Der Platz wird von den Autos befreit, bekommt ein geschliffenes Kopfsteinpflaster und weitere Bäume, die Bordsteine entfallen. „Wir räumen diesen Platz auf“, verspricht Kaschke, der sich intensiv mit der Geschichte des Burchardplatzes befasst hat. „Er war immer für den Verkehr gestaltet“, sagt er. „Und doch strahlt er inmitten dieser Elefanten im Klinkerkleid eine unheimliche Ruhe aus.“
An den Markttagen dienstags und donnerstags deutet der Burchardplatz schon an, welches Versprechen er für die Zukunft gibt. Dann soll ein filigraner Pavillon dort, wo früher die Tankstelle stand, Besucher mit Kaffee und Kleinigkeiten auf dem Platz halten. Im dritten Quartal 2025, sagt Sebastian Binger, als Geschäftsführer für die sogenannten Business Improvement Districts bei Otto Wulff zuständig könnten die Bauarbeiten beginnen. Die Eigentümer des BID stünden hinter den Umbaumaßnahmen, die Bedenken der Gewerbetreibenden werden aufgegriffen.
Das Kontorhausviertel in der Hamburger Innenstadt putzt sich heraus
Das Areal befindet sich – anders als manche andere Ecken in der City – im Aufwind: Die Erdgeschosse wirken deutlich lebendiger als vor einigen Jahren, in viele kleine Ladenlokale sind Restaurants eingezogen. Kein Zweifel: Das Kontorhausviertel putzt sich heraus – mit dem Johann-Kontor bekommt es nun einen architektonischen Abschluss. Höing freut sich, dass das Deichtor endlich „Gesicht und Rückgrat bekommt“.
Der dort gelegene Peter-Schulz-Platz wird mit einem Wasserspiel neu gestaltet, und auch der Kattrepel, bislang eher eine deformierte Straße, erhält eine Platzstruktur. Hier soll ein weiterer Pavillon entstehen, eine Art Zeitungskiosk, den die „Zeit“ betreiben soll. „Den Messberg müssen wir noch anfassen“, sagt der Oberbaudirektor. Das stellenweise noch unwirtliche Kontorhausviertel soll zu einem echten Weltkulturerbe werden, ein Ort mit Kultur und Weltgewandtheit. „Das wird nicht modisch, sondern schön“, verspricht Höing.
Für den Domplatz im Herzen Hamburgs fehlt seit Jahren die zündende Idee
Das alles dürfte dem benachbarten Domplatz nutzen – diese seltsam kahle Freifläche im Herzen Hamburgs. Nachdem der frühere Kanzler Helmut Schmidt als „Zeit“-Herausgeber allein mit der Macht seines Wortes 2007 die Bebauung des früheren Parkplatzes mit einem zeitgeistigen Glaskristall verhinderte, bleibt der Domplatz ein Provisorium. Ihm fiele die Rolle eines weiteren Trittsteins zwischen Innenstadt und HafenCity zu, aber bis heute fehlt die zündende Idee.
Der Domplatz liegt etwas planlos inmitten eines Sammelsuriums der Stile; kein Haus passt zum nächsten, ein architektonischer Kraut- und Rübenacker, Höing spricht von einem „architektonischen Streichelzoo“. Die Domstraße geht in eine viel zu wuchtige Kurve, Passanten sind Randerscheinungen, und die Gestaltung wirkt nach 16 Jahren so wie sie ist: provisorisch. Die Stahlbleche, die den alten Wallring symbolisieren, erinnern an gestrandete Metallwale, die durchsichtigen Bänke, die bildlichen Säulen des Doms, wirken wenig einladend. Der Platz zerfällt in seiner Struktur, die Seiten haben wenig miteinander zu tun. Auch Höing sagt: „Das ist kein richtiger Platz, kein richtiger Raum.“
SPD-Fraktionschef Kienscherf brachte eine High Line in die Debatte
Er möchte durch Veränderung der Straßenführung und die Aufwertung des Alten Fischmarktes den Domplatz behutsam entwickeln. Das Parkhaus Große Reichenstraße kann durch eine innovative Nachnutzung helfen, das „städtebauliche Aschenputtel“ zu verwandeln. „Wir benötigen eine kluge Nutzung und kleine Akzente, um das Vakuum zu füllen“, sagt Höing.
Es gibt die Idee, dem Platz eine grüne Kontur zu verleihen und an der Westseite einen Boulevard zu schaffen – aber mindestens bis dahin bleibt der Domplatz das Missing Link, das fehlende Glied zwischen City und HafenCity. Seit dem Abriss des Doms 1805 und der Zerstörung des Johanneums 1943 fehlt die zündende Idee – vielleicht kommt sie ja im aufziehenden Bürgerschaftswahlkampf. SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf hatte mit seinem Vorschlag einer High Line nach New Yorker Vorbild vom Domplatz zur Speicherstadt schon einmal vorgelegt.
Höing hat noch keinen Masterplan für den Domplatz. „Das ist eine Denksportaufgabe für Fortgeschrittene“, sagt er. Klar ist – von hier bis in die HafenCity ist es nur ein Katzensprung. „Das ist keine unüberwindbare Strecke“, sagt er. Die größten Hürden existieren nicht auf dem kurzen Weg, sondern vielleicht in den Köpfen der Hamburger.
Der St. Annenplatz wird ein weiterer Trittstein in die HafenCity
Nur 400 Meter weiter südlich liegt der St. Annenplatz in der Verlängerung der Domachse, ein weiterer Trittstein in die HafenCity: Links steht das Fleetschlösschen, im Rücken liegt die Speicherstadt, und vor dem Betrachter öffnet sich der neue Stadtteil mit seinem heimlichen Wahrzeichen, dem Kaispeicher B, in dem das Maritime Museum untergebracht ist, schließlich die Osakaallee herunter das neue Überseequartier mit XXL-Einkaufszentrum und Erlebniswelt.
Der St. Annenplatz ist gerade aufgehübscht worden: Manschetten an den Lampen weisen als Beschilderung auf Sehenswürdigkeiten hin, große Pflanzkörper bringen Farbe ins Viertel. Und temporäre Veranstaltungen sollen an dieser Verbindungsfläche zwischen Vergangenheit und Zukunft Akzente setzen. Von hier aus kann das Leben Kreise ziehen.
Der Weg über die Domachse ins Herz der HafenCity ist vielleicht der kürzeste, aber beileibe nicht der einzige. Vom Rathausmarkt führt eine weitere Verbindung über Holzbrücke und Mattentwiete bis zum Sandtorkai und Sandtorhafen. Auch hier hat die Stadtentwicklung Barrieren aus dem Weg geräumt – das jeden Maßstab sprengende Allianz-Gebäude wie die brachiale blaue Brücke über die Ludwig-Erhard-Straße. Was einst als Verbindung gedacht war, hat am Ende getrennt. Die Überquerung befand sich zuletzt in einem erbarmungswürdigen Zustand, die Pfeiler der Brücke standen wie Bollwerke im Weg.
Am Hopfenmarkt soll ein Geschichtsfenster Hamburgs Historie zeigen
Hier harrt der Hopfenmarkt einer Neuentwicklung. „Den zweitwichtigsten historischen Platz nutzt die Stadt noch heute so, wie sie früher den wichtigen Domplatz missbraucht hat – als Parkraum“, sagt Prof. Rainer-Maria Weiss, Museumsdirektor und Landesarchäologe der Freien und Hansestadt Hamburg.
Das soll sich ändern. Wenn alles glattgeht, öffnet sich auf dem bis zur Operation Gomorrha wohl schönsten Platz der Stadt bald ein archäologisches Fenster. An dieser Stelle dürfte die Hammaburg aus dem 11. Jahrhundert gestanden haben. „Archäologen haben lange nach der Neuen Burg gesucht – dabei heißt die Straße seit Jahrhunderten genau so“, sagt Weiss mit einem Lachen und verspricht: „Wir werden diesen jetzt so trostlosen Platz in ein Schmuckkästchen verwandeln.“
Ein Museum soll zum Ende des Jahrzehnts zeigen, wie diese Burg einst ausgesehen hat – sie liegt mehrere Meter unter dem Parkplatz, schließlich ist die Stadt in den vergangenen Jahrhunderten peu à peu gewachsen. Bei dem Neubau des neuen Burstah-Quartiers stießen die Archäologen auf spektakuläre Funde aus der Hamburger Geschichte wie Bauhölzer, die 1021 geerntet wurden und im Erdreich stecken wie „frisch geschlagen“. Ein hölzernes Haus soll die Menschen bald in die Geschichte entführen – über 40 Meter Ausgrabungen offenlegen, und das über die Höhe von 2,5 Etagen.
Im Burstah-Quartier und mit dem Tichelhaus wird Hamburg repariert
Der touristische Hotspot – schon heute besuchen jährlich rund 100.000 Menschen den Turm von St. Nikolai – könnte den Platz beleben. Die historische Deichstraße liegt nur einen Steinwurf entfernt. „An dieser Stelle können wir die Innenstadt nach Süden ziehen“, verspricht Höing. Obwohl das Burstah-Quartier nachverdichtet wurde, haben die Neubauten zugleich Raum geschaffen für die Wiedererstehung der historischen Bohnenstraße.
Auch auf der anderen Seite der Willy-Brandt-Straße, an der Hausnummer 69, wird die Stadt repariert. Direkt am Nikolaifleet baut Quest Investment Partners das Tichelhaus, benannt nach dem plattdeutschen Wort für Ziegel. Die 600.000 roten Backsteine für die markante Fassade werden im Alten Land gebrannt. „Die Fassade soll eine Brücke schlagen zwischen der angrenzenden historischen und modernen Architektur“, sagt der Projektleiter Carsten Harbusch. Höing spricht von einem Scharnier zwischen Altstadt und HafenCity, einem lange fehlenden Puzzlestück. „Mit einem einzigen Haus werden wir die räumliche Struktur total verändern.“ Anfang 2025 soll es so weit sein – dann sollen Büros, Restaurant und acht Wohnungen bezugsfertig sein.
Auch das Rathausquartier soll attraktiver werden. Die Impulse der Bürgerinitiative „Altstadt für Alle“ werden weiterentwickelt. Die Straßen wurden neu gestaltet und verkehrsberuhigt, das Stadtbild aufgeräumt, die Stadtmöblierung vereinheitlicht. Poller, Bänke, Mülleimer sind nun aus einem Guss. „Wir sollten nicht alle 100 Meter die Architektur neu erfinden“, sagt Höing.
Private Investoren und die öffentliche Hand finanzieren das Aufhübschungsprogramm für das Rathausquartier gemeinsam: 3,5 Millionen stemmen die Anlieger, vier Millionen gibt die Stadt. Insgesamt sind seit der Erfindung der BID in insgesamt 26 Vorhaben rund 85 Millionen Euro private Investitionen in den öffentlichen Raum geflossen. Acht Pojekt laufen, fünf weitere sind in Vorbereitung.
Offenbar mit Erfolg, wie das umgestaltete Rathausquartier zeigt: „Wir sehen eine Verbesserung von einer B- zu einer A-Lage. Das ist ein super Beispiel, wie Stadt und private Investoren zusammenarbeiten“, sagt Frithjof Büttner, Geschäftsführer des Trägerverbunds Projekt Innenstadt. „So lässt sich die Innenstadt weiterentwickeln, was einzelne Investoren allein nicht schaffen.“ Nun soll das Quartier mit einem Mehr an Außengastronomie auch an den Abenden belebt werden.
Bauarbeiten am Jungfernstieg – der Anfang eines Hamburger Großprojekts
Eine weitere Verbindungsachse wandelt derzeit ihr Gesicht – der Weg vom Jungfernstieg über den Alten Wall und den Rödingsmarkt bis zur Elbphilharmonie. Vor Kurzem haben die Bauarbeiten am Jungfernstieg begonnen, der die kriselnde gute Stube der Stadt aufwerten soll. An der Binnenalster wächst bald eine vierte Baumreihe, die Straße, aus der privater Verkehr schon herausgenommen wurde, wird schmaler, der Boulevard großzügiger, die Außengastronomie dehnt sich aus.
Der erste Bauabschnitt der Alten Walls zeigt sich längst in alter Pracht, als zweiter Abschnitt wird nun der Bereich zwischen Adolphs- und Stadthausbrücke neu entwickelt. Das rund 170 Meter lange Areal mit rund 50.000 Quadratmetern Nutzfläche soll bis Ende 2026 fertiggestellt sein. „Das ganze Quartier soll zu einer Verbindungsachse werden“, sagt Martin Wolfrat, Niederlassungsleiter der Art-Invest Real Estate. Am Alten Wall entstehen 80 Wohnungen, ein Boutique-Hotel, kleine Läden, Gastronomieflächen und Büros – die Straße bekommt ihre Blockbebauung zurück, das frühere Sofitel wird integriert.
„Das ist eine der ältesten Straßen der Altstadt und die kürzeste Verbindung zwischen Rathaus und Elbphilharmonie. Nun stellen wir die historischen Grundrisse und die Maßstäblichkeit wieder her“, sagt Höing. Auch im weiteren Verlauf Richtung Elbe soll die Straße aufleben – mit dem Umbau der früheren Oberfinanzdirektion zu einem Boutique-Hotel und der Revitalisierung des Klöpperhauses ist der Anfang gemacht; das Projekt der Flüggerhöfe stockt derzeit wegen der Insolvenz der Signa Prime.
Parkhaus am Rödingsmarkt mit ungenutzem Potenzial für Hamburg?
Großes Potenzial bieten zudem Flächen, die sich dem Betrachter erst auf den zweiten Blick erschließen – wie etwa das Parkhaus am Rödingsmarkt. Hinter dem Bau mit der beeindruckenden Rotunde liegt das Fleet. Was heute rau und abweisend wirkt, könnte bald ein Raum für Flaneure sein: „Das ist eine Lage, die wir wachküssen müssen. Wer das Erdgeschoss aktiviert, hat gewonnen“, sagt Finanzsenator Andreas Dressel (SPD).
Die Politik hat das Parkhaus unter Denkmalschutz gestellt. Jan Zunke, Geschäftsführer der Sprinkenhof, betont, dass jetzt gehandelt werden müsse, um den faszinierenden Bau der Auto-Ära zu erhalten. Es sollen nicht alle 800 Parkplätze wegfallen, es könnten aber einzelne Etagen herausgenommen werden.
Ideen gibt es reichlich: Das Dach könnte einen Beachclub bekommen, das Erdgeschoss sich in einen Foodmarkt verwandeln, zudem könnten Flächen für die Kreativwirtschaft entstehen. Die Herrlichkeit, wie die Straße am Alsterfleet heißt, könnte ihren Namen wieder zu Recht tragen. „Wir suchen nun nach einer wirtschaftlich tragfähigen Lösung, sind aber noch in einem embryonalen Stadium“, sagt Dressel. Im vierten Quartal 2024 soll ein Wettbewerb beginnen, der Ideen für die Zukunft sammelt.
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„Das ist ein toller Stadtraum“, sagt Höing und verweist auf das Viadukt der U3 am Rödingsmarkt. Bislang wirkt er noch vergessen, verdreckt, die Straße ist komplett auf den Individualverkehr fixiert. Aber das Auge des Profis sieht schon die Möglichkeitsräume von morgen. „Man muss nicht den Isemarkt herbeizaubern, aber dieser Vergleich zeigt, was hier möglich wäre“, sagt der Oberbaudirektor. Gelänge es, den Rödingsmarkt aufzuwerten, würden HafenCity und Innenstadt besser zusammenwachsen.
Mit Stegen und Pontons auf dem Nikolaifleet Innenstadt und Speicherstadt verbinden
Es gibt weitere Ideen: Erst kürzlich hat der Hamburger Architekt Marc Ewers vorgeschlagen, Stege und Pontons auf dem Nikolaifleet zu bauen, vom Neß bis zur Alstermündung im Binnenhafen. „Das wäre die gesuchte Verbindung aus der Innenstadt in die Speicherstadt“, sagt der Architekt. Der Weg auf dem Wasser könnte Hamburger Geschichte erzählen – viele Sehenswürdigkeiten sind wie Perlen an einer Kette aufgereiht.
Die Diskussion ist eröffnet, die Stadtentwicklungsbehörde nimmt das Thema in den Fokus. Die heute noch halbtoten Zwischenräume zwischen Ost-West-Straße und Zollkanal sollen neues Leben bekommen. Zugleich gerät die Frage, wo die Innenstadt beginnt, in Fluss und bekommt immer neue Antworten.
Damit hätte sich auch die schwierigste Schnitzeljagd der Stadt wie von selbst erledigt, weil viele Wege die alte und die neue Stadt wie selbstverständlich verbinden.