Hamburg. SPD-Fraktionschef Kienscherf macht besonderen Vorschlag zur Verbindung von Innenstadt und HafenCity – und drückt aufs Tempo.
Die High Line in New York hat sich binnen weniger Jahre zu einer Touristenattraktion ersten Ranges entwickelt. Millionen Menschen flanieren jedes Jahr in rund sieben Meter Höhe über die in einen Park verwandelte ehemalige Güterzugtrasse im Westen Manhattans.
Wenn es nach Hamburgs SPD-Fraktionschef in der Bürgerschaft, Dirk Kienscherf, geht, soll die Hansestadt eine ähnliche Attraktion bekommen, wenn auch eine Nummer kleiner: eine High Line zwischen Innenstadt und HafenCity.
Hamburg soll eine High Line wie New York bekommen
„Ich kann mir eine begrünte Holzbrücke vom Domplatz bis zum Nordrand der Speicherstadt vorstellen“, sagte Kienscherf im Gespräch mit dem Abendblatt. Auch andere Ideen seien für diese Strecke denkbar, aber dabei gelte: „Es muss etwas Spektakuläres sein, etwas, das die Menschen anlockt, weil sie es sehen und erleben wollen.“
Hintergrund seines Vorschlags ist nämlich weniger der Wunsch nach einer weiteren Touristenattraktion als vielmehr die städtebaulich knifflige Frage, wie die schwierige Wegebeziehung zwischen City und HafenCity aufgewertet werden kann.
Kienscherfs spektakulärer Vorschlag: High Line für Hamburg wie in New York
Wie mehrfach berichtet, ist die Kundenfrequenz in der Hamburger Innenstadt im Zuge der Corona-Pandemie stark zurückgegangen, viele Umsätze haben sich ins Online-Geschäft verlagert, erste Geschäfte haben aufgegeben, und selbst in Spitzenlagen stehen vereinzelt Läden leer – eine Entwicklung, die fast alle Metropolen durchmachen.
In Hamburg kommt allerdings erschwerend hinzu, dass just in dieser Zeit 1000 Meter südlich der Innenstadt das größte Einkaufszentrum der Stadt gebaut wird.
Schon 2024 soll das noble Westfield Hamburg-Überseequartier mit seinen 80.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche, 1000 Hotelzimmern, 600 Wohnungen, Gastronomie und Kultureinrichtungen eröffnen. Kritiker dieses Mega-Projekts sehen darin eine weitere Konkurrenz für die Innenstadt, manche sogar ihren Sargnagel.
Kienscherf plädiert hingegen für eine andere Sichtweise: „Wir sollten City und HafenCity als Gesamtprojekt nach außen präsentieren – und dafür braucht es eine funktionierende, attraktive Verbindung, am besten eine, die selbst Anziehungskraft entwickelt.“ So sei in den Bürgergesprächen zur Entwicklung der Innenstadt die Idee der High Line entstanden.
Wenn Überseequartier kommt, soll Domachse gestärkt werden
„Es war immer klar, dass wir die Verbindung von der traditionellen Innenstadt zum Überseequartier stärken müssen, und alle sind sich einig, dass dies über die Domachse erfolgen sollte“, sagt der SPD-Fraktionschef.
Das Problem: Diese Route, die an der Ecke Petrikirche/Mönckebergstraße ansetzt, dann den Domplatz und den Alten Fischmarkt streift und schließlich überwiegend an Park- und Bürohäusern vorbeiführt, ist bislang nicht sonderlich anziehend. „Wir brauchen dort auch attraktivere Erdgeschossnutzungen und vielleicht ein Café“, sagt Kienscherf, betont aber auch: „Das allein wird nicht nicht reichen. Die Strecke selbst muss als Attraktion wahrgenommen werden.“
Das könne auch anders erreicht werden, etwa durch große Skulpturen im öffentlichen Raum wie in Nizza oder die überdimensionalen Affen vergangenes Jahr an der Mönckebergstraße. Auch Hamburgs erste autonom fahrende Buslinie sei eine Option für diese Route.
Klar sei für ihn: „Wir brauchen auf der Domachse ein Highlight und dürfen uns keine Denkverbote auferlegen“, sagt Kienscherf, der angesichts der näher rückenden Eröffnung des Überseequartiers dafür plädiert, keine Zeit zu verlieren: „Wenn, dann müssen wird es jetzt entwickeln!“
Kibbelstegbrücken als Vorbild – Weltkulturerbe Speicherstadt als Hindernis
Für die von ihm favorisierte High Line gibt es auch in Hamburg schon ein Vorbild: Die Kibbelstegbrücken, die vom Sandtorkai (mit tollem Blick auf die Elbphilharmonie) bis zum Südende der historischen Deichstraße führen, sind eine bei Touristen und Einheimischen gleichermaßen beliebte Verbindung zwischen HafenCity und Innenstadt – auch wenn sie eigentlich nur dazu dienen sollen, dass HafenCity und Speicherstadt auch bei Hochwasser verlassen werden können. Für eine Anbindung des Überseequartiers liegt diese Route jedoch zu weit westlich.
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Während der Kibbelsteg mit seiner Stahlkonstruktion die historische Architektur der Speicherstadt-Brücken aufnimmt, kann sich Kienscherf für die High Line auch eine Holzkonstruktion vorstellen.
Diese müsse vermutlich nach gut 300 Metern auf Höhe des ehemaligen „Spiegel“-Gebäudes enden: „Im Prinzip könnte man die Strecke auch noch weiter Richtung HafenCity verlängern, aber das dürfte wegen der Pufferzone zum Weltkulturerbe Speicherstadt schwierig werden.“
Kienscherf rechnet mit Kosten von fünf bis zehn Millionen Euro
Ihm ist klar, dass dies kein günstiges Projekt werden würde, mit fünf bis zehn Millionen Euro müsse man wohl rechnen. Möglicherweise könne die Stadt dafür aber Zuschüsse aus Bundesmitteln, etwa zur Belebung von Innenstädten, erhalten.
Nachdem die Belebung der Domachse Thema in einem Bürgerbeteiligungsverfahren war, schließt sich Ende August ein „Werkstattverfahren“ an, in dem Architekten, Stadt- und Landschaftsplanungsbüros an möglichen Lösungen tüfteln werden.
In New York waren die Voraussetzungen etwas anders. Dort war das Viadukt einer ehemaligen Güterzugtrasse bereits vorhanden, bevor es 2006 zu einem Park in 7,50 Meter Höhe umgebaut wurde. Nach diversen Erweiterungen ist er nun insgesamt 2,6 Kilometer lang, mit diversen Pflanzenarten begrünt und führt sogar durch Gebäude hindurch.
Die Abschnitte sind abwechslungsreich gestaltet: Es gibt Beete und Bänke, Cafés und Streetfood-Stände auf der Strecke, Skulpturen und Installationen sowie immer neue Aus- und Einblicke auf die Straßen des einst ziemlich heruntergekommenen Meatpacking-Districts.
Hamburgs High Line wäre kleiner als die in New York
Der wurde durch die High Line zum Szeneviertel – populär als Wohnquartier und bevorzugter Standort für zahlreiche Kreativunternehmen aller Art.
Die High Line zählt mittlerweile zu den Top-Touristenattraktionen New Yorks, ist allerdings auch mit neun bis 18 Metern deutlich breiter, als ein vergleichbares Projekt in Hamburg denkbar wäre. Kienscherf geht davon aus, dass die Brückenkonstruktion etwa drei bis vier Meter breit sein dürfte, um den Straßenraum nicht zu sehr zu verschatten.
Grundsätzlich sieht er die Lage und Zukunft der Hamburger Innenstadt nicht so düster wie manch anderer. „Da passiert ja ganz viel, da werden Hunderte Millionen Euro investiert“, sagt der Sozialdemokrat und verweist auf das neue Quartier am Großen Burstah, den Abriss und Neubau des C&A-Gebäudes und Wiederbelebung des Kaufhof-Hauses an der Mönckebergstraße sowie die neue Gänsemarktpassage und das Deutschlandhaus am Gänsemarkt. „Nur wenn das nicht so wäre, würde ich mir größere Sorgen machen.“