Hamburg. Im Dezember kamen halb so viele Geflüchtete wie im Oktober. 191 Straftäter abgeschoben. Lage bei Unterbringung angespannt.
Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Hamburg kommen, ist zurückgegangen. Zugleich wurden so viele Menschen aus der Hansestadt in ihre Heimatländer zurückgeführt wie seit der Flüchtlingskrise 2015/16 nicht mehr. Dennoch bleibt die Situation bei der Unterbringung Schutzsuchender angespannt, heißt es aus der Hamburger Sozialbehörde. Die städtischen Kapazitäten sind hier derzeit nahezu erschöpft. Aktuell befinden sich in Hamburg knapp 48.000 Menschen in öffentlich-rechtlicher Unterbringung. Jetzt liegt eine Jahresbilanz vor.
Am meisten Flüchtlinge kamen 2023 im Jahresverlauf im Monat Oktober nach Hamburg. Hier waren allein 1705 Menschen neu in öffentlichen Heimen unterzubringen. Im November 2023 waren es 1237 Personen, im Dezember 896. Die Zahl hat sich also nahezu halbiert.
Flüchtlinge Hamburg: Zahl neuer Geflüchteter sinkt deutlich – wegen Grenzkontrollen?
Zwar machen sich in den Wintermonaten stets weniger Schutzsuchende auf den Weg, so die Hamburger Sozialbehörde, aber die Zahlen vom Dezember 2023 lagen auch deutlich unter denen vom Dezember 2022.
„Es ist aber davon auszugehen, dass ein erklärender Faktor hierfür auch die Einführung von Grenzkontrollen durch Polen, Tschechien und Österreich an der Grenze zur Slowakei und die Verstärkung der Maßnahmen und Einsätze von Bundespolizei und Landespolizeien im Grenzgebiet zu den beiden Nachbarländern Polen und Tschechien ist“, so die Hamburger Behörde. Ob das ein dauerhafter Trend ist, sei derzeit noch nicht abzuschätzen.
Flüchtlinge in Hamburg: weniger Ukrainer, viele Afghanen
Der Jahreswechsel ist Anlass für eine Bilanz: Insgesamt kamen im Jahr 2023 laut aktuellem Lagebild des Senats mit 22.908 Flüchtlingen nicht einmal halb so viele Schutzsuchende nach Hamburg wie 2022, als es noch 53.965 waren, deutlich mehr aber als in den Jahren 2021 (8548) und 2020 (5936). Hierbei spielt der Ukraine-Krieg eine große Rolle. 2022 kamen den offiziellen Angaben zufolge nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine 42.211 Schutzsuchende nach Hamburg, im Jahr 2023 nur noch 9387. Seit April 2023 liegt der Zustrom aus dem Kriegsland grob in etwa konstant um die 500 Menschen pro Monat. Die meisten Flüchtlinge, die im vergangenen Jahr nach Hamburg kamen, stammen aus Afghanistan (28 Prozent), aus Syrien (17,4 Prozent) und der Türkei (11 Prozent).
In seltener Offenheit hatten gleich drei Senatoren im Gespräch mit dem Abendblatt eine schnelle Kurskorrektur und eine nachhaltige Begrenzung des Flüchtlingszustroms gefordert. Die Stadtgesellschaft sei trotz aller Integrationsbemühungen mit einem weiteren Zustrom überfordert, erklärten die Senatoren Melanie Schlotzhauer (Soziales), Andy Grote (Inneres) und Ties Rabe (Schule). Hamburg sei „am Limit“. Man setze auf Maßnahmen Deutschlands und der EU, um die Zahl der Flüchtlinge zu senken.
Flüchtlingsunterkünfte in Hamburg zu 95,6 Prozent belegt
Auch drei Monate später bleibt die Lage bei der Unterbringung der Geflüchteten indes angespannt. „Wir befinden uns weiterhin in einer sehr schwierigen Zugangssituation, die Hamburg bei einem voll ausgelasteten Unterbringungssystem mit einer Auslastung von 95,6 Prozent vor enorme Herausforderungen stellt“, so die Sozialbehörde. Der Senat setze weiterhin alles daran, die Menschen unterzubringen. Doch das werde angesichts knapper Flächen und einer hohen Belastung in den Stadtteilen immer schwieriger – auch weil es Zeit brauche, die soziale Infrastruktur entsprechend zu entwickeln.
Die Behörden und „Fördern und Wohnen“ (F&W) prüften mit Hochdruck fortlaufend alle Möglichkeiten, Unterkünfte und Unterkunftsplätze neu zu errichten. Dabei gehe es sowohl um die Schaffung kurzfristiger Not- und Interimskapazitäten als auch die Neuentwicklung von Standorten im Regelsystem. In diesem Jahr sollen neue Unterkünfte eröffnet und bestehende erweitert werden, etwa an der Pinneberger Straße (100 Plätze, 2. Quartal 2024), Am Luisenhof (304 Plätze, 3. Quartal 2024) und Quellmoor/Neumoorstück (216 Plätze, 3. Quartal 2024).
- Flüchtlinge in Hamburg: „Das hält die Stadt nicht mehr lange durch“
- Demo gegen AfD: 50.000 stehen zusammen und senden klare Botschaft
- Wie in Poppenbüttel Flüchtlingen ein Zuhause gegeben wird
Dafür aber haben im Jahr 2023 rund 1500 ausreisepflichtige Ausländer Hamburg verlassen – ein deutliches Plus. 2022 waren es 976 gewesen, 2021 lediglich 805, wie Hamburgs Innenbehörde auf Anfrage des Abendblatts mitteilte. In 988 Fällen habe es sich im vergangenen Jahr um überwachte, also mehr oder weniger freiwillige Ausreisen gehandelt. Unter den im vergangenen Jahr abgeschobenen Menschen seien auch 191 verurteilte Straftäter gewesen, heißt es. Sie waren unter anderem wegen gemeinschaftlicher Vergewaltigung, wegen gefährlicher Körperverletzung, wegen Diebstahls mit Waffen oder räuberischen Diebstahls verurteilt worden, so die Innenbehörde. 103 Menschen wurden direkt aus der Strafhaft abgeschoben.
Welche Lehren Hamburg aus Messertat von Brokstedt zog
Innensenator Andy Grote betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Gemeinsamen Ermittlungs- und Rückführungsgruppe ausländischer Straftäter (GERAS) von Polizei und Ausländerbehörde. „Als wir Geras 2016 ins Leben gerufen haben, wollten wir alle notwendigen Kompetenzen und Informationen in einer schlagkräftigen Einheit zusammenführen, um bei der Abschiebung ausländischer Straftäter noch effektiver zu werden.“ Dieses Konzept habe sich bewährt und habe heute Modellcharakter. Nach den tödlichen Messerstichen eines angeblich staatenlosen Palästinensers in einem Regionalxpress bei Brokstedt hatte der Hamburger Senat im August 2023 beschlossen, die Geras personell aufzustocken – als Teil eines größeren Maßnahmenpakets.
Laut dem monatlichen Lagebild der Behörde hielten sich im November vergangenen Jahres insgesamt 9946 ausreisepflichtige Personen in Hamburg auf. 7216 von ihnen verfügten demnach über eine Duldung. Die Zahl der vollziehbar Ausreisepflichtigen sank zum Vorjahresmonat um 142 auf 2730.