Hamburg. CDU-Bundestagsabgeordneter sieht mit Rauswurf „rote Linien überschritten“. Was der Senat sagt – und was er weiter plant.

Der zuletzt sehr starke Zustrom von Flüchtlingen hat auch Hamburg längst an die Grenze der Belastbarkeit gebracht. Dabei wird es für die Verantwortlichen der Stadt immer schwieriger, geeignete Unterkünfte für die Menschen zu finden, die vor Krieg oder Verfolgung oder aus anderen Gründen nach Deutschland geflohen und schließlich in Hamburg gelandet sind. Mittlerweile werden sogar Bürogebäude entmietet, um neuen Platz für Geflüchtete zu schaffen – was nun für scharfe Kritik sorgt.

In einem konkreten Fall geht es um ein Bürogebäude in Hamm, den Grootiushof in der Grootsruhe 4. Dort waren bisher Dutzende Selbstständige mit ihren Firmenbüros, Praxen oder Kanzleien ansässig. Ihr Verträge wurden gekündigt, sie müssen das Gebäude jetzt verlassen. Stattdessen sollen dort im kommenden Jahr mehrere Hundert Flüchtlinge einziehen, wie die zuständige Sozialbehörde auf Abendblatt-Anfrage bestätigte.

Flüchtlingsunterkunft in Hamburg: Bisheriger Eigentümer verkaufte Grootiushof in Hamm

Hintergrund: Der laut Grundbucheintrag bisherige Eigentümer der Immobilie, die PANTA 195, eine Tochterfirma von Alexander Ottos ECE-Projektgesellschaft, hat die Immobilie an das städtische Unternehmen Fördern & Wohnen (F&W) verkauft, das für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig ist. Nachdem die bisherigen Mieter ausgezogen sind, soll der Grootiushof nun so umgebaut werden, dass dort Geflüchtete unterkommen können. Zusammen mit einer in unmittelbarer Nachbarschaft bereits bestehenden Unterbringung sollen am Standort laut Sozialbehörde künftig bis zu 450 Flüchtlinge leben.

Die bisherigen Mieter des Gebäudes sind mit dieser Entscheidung nicht durchweg glücklich. Ricarda Rolf, die im Grootiushof mit ihrer Mobbingzentrale ansässig war, die Mobbingopfer berät, ist mit dem Vorgehen des bisherigen Eigentümers und der Stadt nicht einverstanden. „Mittelständler, die dem Staat die Steuer bringen, fliegen raus, und Menschen, die Steuern kosten, kommen da rein“, sagt sie. „Das ist nicht in Ordnung.“ Es werde für die Betroffenen kaum möglich sein, wieder so zentral so günstig Büros zu mieten, so Rolf.

CDU-Politiker de Vries sieht „rote Linien überschritten“

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries, der früher selbst ein Büro in dem Gebäude hatte, kritisiert die Entscheidung der Stadt. „Der Rausschmiss von rund 50 Selbstständigen und Gewerbetreibenden aus dem Grootiushof ist Sinnbild für die verfehlte Asylpolitik der offenen Grenzen durch die Ampel, die auch der rot-grüne Senat viel zu lange unterstützt hat“, sagte de Vries dem Abendblatt. „Hamburg hat wie andere Städte und Kommunen die Belastungsgrenze bei Unterbringung und Integration von Asylbewerbern und Flüchtlingen längst überschritten.“

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries kritisiert die Entscheidung, Geflüchtete in einem Bürohaus unterzubringen und die bisherigen Mieter dafür zu kündigen.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries kritisiert die Entscheidung, Geflüchtete in einem Bürohaus unterzubringen und die bisherigen Mieter dafür zu kündigen. © FFS-HH | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Er habe „großes Verständnis für Fördern & Wohnen, die in ihrer Not jeden Tag händeringend neue Unterbringungskapazitäten suchen, damit die Schutzsuchenden ein Dach über dem Kopf haben“, so der CDU-Politiker. „Aber wenn nun Selbstständigen und Gewerbetreibenden die Büroräume gekündigt werden, um dort anschließend Flüchtlinge unterbringen zu können, werden rote Linien überschritten und die Akzeptanz unseres Asylrechts aufs Spiel gesetzt. Das geht einfach nicht.“

Flüchtlingsunterkünfte: Hamburg schließt weitere Entmietungen nicht aus

Denn damit würden „diejenigen vor die Tür gesetzt, die mit ihrer unternehmerischen Tätigkeit und ihren Steuern ganz erheblich dafür sorgen, dass die Flüchtlingshilfe überhaupt finanziert werden kann“, so de Vries. „Als CDU fordern wir den Senat auf, von weiteren Planungen dieser Art dringend Abstand zu nehmen.“

Das allerdings kann die Stadt offenbar nicht garantieren. „Die Zugänge von Geflüchteten und Schutzsuchenden nach Hamburg sind nach wie vor sehr hoch. Der bisher zugangsstärkste Monat war der Oktober, hier hatten wir allein 1700 Personen mit einem Unterbringungsbedarf in unseren Unterkünften“, sagte der Sprecher der zuständigen Sozialbehörde, Wolfgang Arnhold. Mittlerweile müsse die Stadt 46.000 Geflüchtete öffentlich unterbringen, Ende 2021 seien es noch 28.000 gewesen.

Hamburger Senat: „Gewerbeimmobilien wichtig für Flüchtlingsunterbringung“

„Angesichts nach wie vor hoher Zugänge von Geflüchteten und Schutzsuchenden nach Hamburg prüfen die zuständigen Behörden und F&W mit Hochdruck fortlaufend alle Möglichkeiten, Unterkünfte und Unterkunftsplätze neu zu errichten bzw. zu erhalten“, so der Sprecher. „Die Anmietung oder der Ankauf von Gewerbeimmobilien sind hierbei ein wichtiger Baustein, wie beispielsweise mit der alten Postbankfiliale am Überseering geschehen. In Einzelfällen kann es dabei auch zu Entmietungen kommen.“

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Im konkreten Fall in Hamm betont der Sprecher von SPD-Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer, dass das Gebäude „leer gezogen zum Verkauf angeboten worden“ sei. „Der vorherige Eigentümer der Immobilie hat die Mietverträge fristgemäß gekündigt, und die Gekündigten haben angemessen Zeit für ihren Auszug – auch nach dem Eigentumsübergang an Fördern und Wohnen“, so Sprecher Arnhold. „Sofern hier besondere Härten entstehen sollten, steht F&W als neuer Eigentümer jederzeit für Gespräche bereit.“

Flüchtlinge Hamburg: Rund 450 Menschen sollen am Standort leben

Fördern & Wohnen habe das Grundstück und die Immobilie vor einigen Tagen gekauft. „Der Eigentumsübergang ist für Februar 2024 vorgesehen“, so der Sozialbehördensprecher weiter. „Veröffentlichungsfähige Daten zum Kaufvorgang werden zu gegebener Zeit im Transparenzregister der FHH veröffentlicht.“

Zunächst seien nun „Umbaumaßnahmen geplant, wie sie für die Umnutzung von Verwaltungsgebäuden zur Unterbringung üblich sind, zum Beispiel Einbau von Küchen“. Zur „mittelfristigen Nutzung der bestehenden Gebäude“ und zur „perspektivischen Entwicklung des Standortes“ sei „zwischen dem Bezirksamt Hamburg-Mitte und F&W vereinbart, einen städtebaulichen Vertrag zu schließen, der auch das Thema Wohnungsbau oder ggf. Umwandlung in Wohnungsbau enthalten wird. Die Planungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen.“