Hamburg. Stadtteilschüler werden eng begleitet. Zwei Drittel haben nach einem Jahr einen Platz. Senator Rabe über Geheimnis des Erfolges.
Der Übergang Jugendlicher von der Schule in den Beruf ist eine Baustelle, die über künftige Lebenswege entscheidet. Gut konstruiert war diese Schnittstelle trotzdem lange Zeit nicht. Zu viele junge Menschen fanden den Weg nicht und gerieten aus dem Blick der Behörden, die sie hätten unterstützen können. Das hat sich 2012 mit Gründung der Jugendberufsagentur geändert, die nicht nur „eine echte Erfolgsgeschichte“ ist, wie SchulsenatorTies Rabe(SPD) am Dienstag erklärte – die Hamburger Errungenschaft wurde auch bundesweit zum Vorbild.
Dank mehrerer Schulreformen sind so viele Jugendliche wie noch nie zuvor direkt nach Klasse 10 von der Stadtteilschule in eine Berufsausbildung übergegangen: 1897 von 4281 Schulabgängerinnen und Schulabgängern haben unmittelbar eine Ausbildung aufgenommen. Das sind 44,3 Prozent der Abgänger, ein bisheriger Spitzenwert. Vor zehn Jahren betrug die Quote noch 25 Prozent. „Zwei Drittel der Schulabgänger mit Haupt- oder Realschulabschluss haben spätestens ein Jahr nach dem Schulabschluss in Ausbildung“, so Rabe.
Schüler in Hamburg profitieren vom neuen Schulfach „Berufsorientierung“
„Niemand wird allein gelassen“ – das bedeutet konkret: Die Schulen und die Mitarbeiter der Jugendberufsagentur begleiten Schulabgängerinnen und -abgänger eng und analysieren den Verbleib aller Jugendlichen nach Klasse 10 sorgfältig, vermitteln im Zweifel Ausbildungsplätze oder eine Ausbildungsvorbereitung. Lange Zeit seien die Schülerinnen und Schüler, die mit einem Haupt- oder Realschulabschluss abgehen, „unsere Sorgenkinder“ gewesen, so Rabe. Das hat sich geändert.
Grund für den Erfolg ist aus Sicht Rabes vor allem aber das neue Schulfach „Berufs- und Studienorientierung“ in den Stadtteilschulen, mit dem die jungen Menschen auf den Übergang in eine Ausbildung vorbereitet werden. Viele Jugendliche, die direkt nach der Schule keinen Ausbildungsplatz gefunden haben und noch schulpflichtig sind, können dank der Ausbildungsvorbereitung (AvDual) in den Berufsbildenden Schulen spätestens nach einem Jahr in den Beruf wechseln: In diesem Jahr schafften rund 58 Prozent auf diese Weise im zweiten Anlauf (absolut 1213) den Übergang in Ausbildung oder Beschäftigung. 2022 waren es rund 55 Prozent (1245) und 2021 noch 52 Prozent (1161) der Abgängerinnen und Abgänger.
Zwei Drittel der Schulabgänger in Hamburg sind ein Jahr später in Ausbildung
„Nach zehn Jahren wissen wir: Das Hamburger Übergangsmanagement nach Klasse 10 ist eine echte Erfolgsstory“, bilanzierte Schulsenator Rabe. „Rund die Hälfte derjenigen Jugendlichen, die es direkt nach der Schule nicht in die Ausbildung geschafft haben, schafft dies dank der Ausbildungsvorbereitung in den berufsbildenden Schulen ein Jahr später. Rund zwei Drittel aller Hamburger Schulabgänger haben dadurch ein Jahr nach dem Schulabschluss einen Ausbildungsplatz.“ Das sei auch durch die Lage auf dem Hamburger Ausbildungsmarkt begünstigt worden.
Insbesondere die Ausbildung in einem Betrieb ist attraktiv und wird genutzt. Im Vergleich zu den Vorjahren begannen deutlich mehr Abgängerinnen und Abgänger aus den Stadtteilschulen eine duale Berufsausbildung: 2023 waren das 1404 (32,8 %), 2022 noch 1166 (28,2 %), 2021 1119 (27,1 %) und 2020 1048 (24,5 %). Viele andere Jugendliche wählten einen Ausbildungsberuf, der ausschließlich in der Berufsfachschule gelernt werden kann, beispielsweise „Sozialpädagogische Assistenz“ oder eine Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen.
Von 4200 Hamburger Schulabgängern alle bis auf zwei wiedergefunden
Die Schulen und die Mitarbeitenden der Jugendberufsagentur begleiten Schulabgängerinnen und -abgänger eng und analysieren den Verbleib aller Jugendlichen nach Klasse 10 sorgfältig. In diesem Jahr blieb lediglich bei zwei früheren Stadtteilschülern der Verbleib ungeklärt. Hier wurden Absentismusverfahren eingeleitet. Bis 2012 war in der Regel der Verbleib von über 1500 jungen Menschen unbekannt. „Von mehr als 4200 Jugendliche haben wir alle bis auf zwei wiedergefunden“, so Rabe.
Im Schulfach „Berufsorientierung“ lernen die Jugendlichen an den Stadtteilschulen zwischen Klasse 8 und 10 ihre Interessen und Stärken kennen, Bewerbungen zu schreiben, sich auf dem Ausbildungsmarkt zu orientieren und sich in Berufspraktika auszuprobieren. Zusätzliche Beratungen in Kooperation mit der Jugendberufsagentur (JBA) an den Schulen sind dabei eine wichtige Unterstützung. So entwickeln die jungen Menschen bereits frühzeitig berufliche Perspektiven, reflektieren betriebliche Praktika, schreiben Bewerbungen und planen ihre nächsten Schritte.
Hamburger Wirtschaft: In den Betrieben werden Praktikanten „wachgeküsst“
Bei den Praktika würden viele Jugendliche in den Firmen „wachgeküsst“, so Rabe. Zusätzlich gibt es seit dem Schuljahr 2020/2021 Praxisklassen in der Jahrgangsstufe 10, in denen die Schülerinnen und Schüler berufliche Erfahrungen durch das Lernen in Schule und Betrieb sammeln und dabei durch Mentoren der Berufseinstiegsbegleitung unterstützt werden.
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Sönke Fock, Chef der Agentur für Arbeit in Hamburg, appelliert an Stadtteilschülerinnen und -schüler, in den Klassen 8 bis 10 spannende Ausbildungsberufe in Hamburg zu entdecken. „Ob im Hafen, im Hotel oder im Krankenhaus, der Polizei, Handwerk oder Luftfahrt, die Hamburger Wirtschaft bildet in praktisch allen Ausbildungsberufen aus, die ihr vorab auch digital erleben könnt.“ TikTok oder YouTube vermittelten aus der Perspektive der Jugendlichen locker viele Ausbildungsthemen, die neugierig und Lust auf Ausbildung machen. Richtig spannend werde es dann im betrieblichen Praktikum, wo sich die Schülerinnen und Schüler ausprobieren können.