Hamburg. Volksinitiative kommt zustande. Elternbündnis sammelt mehr als 10.000 Unterschriften. Es will G8 in Hamburg abschaffen. Der Streit.

Jetzt ist es amtlich: Die Volksinitiative „G9 Hamburg – mehr Zeit zum Lernen“ ist zustande gekommen. Das hat der rot-grüne Senat am Dienstag festgestellt. Eine Gruppe von Hamburger Eltern will durchsetzen, dass alle Gymnasien der Hansestadt wieder in neun Jahren zum Abitur führen statt wie derzeit in acht Jahren. Mitte Dezember hatte die Initiative die Unterschriften abgegeben. Die Verwaltung hat diese nun überprüft und bestätigt, dass das erforderliche Quorum von 10.000 gültigen Unterschriften erreicht wurde.

Die erste formale Hürde für die Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums in Hamburg ist damit genommen. Ein Volksbegehren rückt näher. Bis zum 13. April hat die Hamburgische Bürgerschaft Zeit, sich zu entschließen, ob sie mit Mehrheit den von der Initiative eingereichten Gesetzesentwurf übernimmt oder nicht.

Schulpolitik: Hamburg diskutiert wieder über neun Jahre Gymnasium

Tut sie dies – wie zu erwarten – nicht, müssten in einem zweiten Schritt binnen drei Wochen rund 67.000 Unterschriften gesammelt werden, damit es schließlich zu einem Volksentscheid kommt. So käme eine der umstrittensten Fragen der Hamburger Bildungspolitik wieder auf die politische Agenda.

Das überwältigende Feedback der Hamburger Elternschaft und zahlreicher Lehrerinnen und Lehrer zeige den Bedarf nach einem reformierten neunjährigen Gymnasium (G9), jubeln die Initiatoren. Sie möchten zum Wohl der Hamburger Gymnasiastinnen und Gymnasiasten „eine qualitätvolle Lernzeitverlängerung“ erreichen und verweisen darauf, dass die Schulzeitverkürzung auf acht Jahre in den meisten anderen Bundesländern wieder zurückgenommen wurde – nicht aber in Hamburg. Hier, so argumentiert hingegen nicht nur Schulsenator Ties Rabe (SPD), gibt es aber den neunjährigen Weg zum Abitur an den Stadtteilschulen.

Elterninitiative sieht Qualitätseinbußen im Unterricht bei G8

Böten die Gymnasien der Hansestadt künftig ebenfalls wieder G9 an, blieben trotzdem beide Schulformen sehr wichtig und attraktiv, finden hingegen die Elterninitiative. Man entscheide sich für ein Konzept, nicht für ein Tempo. An Stadtteilschulen sei die Schülerschaft eher heterogen; es gebe einen höheren Personalschlüssel und kleinere Gruppen, was es eher möglich mache, auf einzelne Schüler einzugehen. An Gymnasien sei die Schülerschaft mit Blick auf Leistungen eher homogen; forschendes Lernen spiele eine wichtigere Rolle.

Durch G8 leide die Qualität des Unterrichts, glauben Iris Wenderholm und Gunnar Matschernus, Vertrauensleute der Initiative. Im Vordergrund stehe wegen des Zeitdrucks die Stoffvermittlung. Weniger Zeit als früher bleibe für das sogenannte kompetenzorientierte Lernen, für das Nachdenken und die Diskussion über viele Themen in Fächern von Deutsch bis Physik, für Persönlichkeitsentwicklung und soziale Reife. „Wir marschieren hier in eine völlig falsche Richtung“, sagt Gunnar Matschernus.

Schule Hamburg: 2014 scheiterte ähnliche Initiative für G9 in Hamburg

Schulsenator Rabe lehnt den neuerlichen Vorstoß hingegen ab. In Hamburg machten mit G8 sogar deutlich mehr Schülerinnen und Schüler das Abitur als unter G9. Bei der Leistung gebe es nachweislich keine Unterschiede. Zudem müsse das Schulsystem bei einer Wiedereinführung von neunjähriger Schulzeit an Gymnasien von Grund auf umgestellt und die Schulgebäude für die größere Zahl von Schülern erweitert werden – kurzum: Das Schulsystem würde über Jahre zur Baustelle. Im sogenannten Schulfrieden hatten Parteien zudem vereinbart, das Schulsystem bis 2025 nicht umzubauen.

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„Ein Festhalten an G8 ist verantwortungslos und ein bequemes Ausruhen auf einem umstrittenen Schulfrieden und auf dem Rücken von 60.000 Hamburger Gymnasiastinnen und Gymnasiasten. Wir brauchen dringend eine offene schulpolitische Debatte und mehr Flexibilität“, findet hingegen Iris Wenderholm.

Eine Elterninitiative namens „G9-Jetzt-HH“ um die streitbare Hamburgerin Mareile Kirsch war 2014 mit einem ähnlichen Anliegen in der Hansestadt gescheitert. Sie hatte zwar die Hürde von 10.000 Unterschriften – wie das jetzige Bündnis – genommen, war dann aber beim Volksbegehren gescheitert. Statt der erforderlichen 63.000 Unterzeichner kamen binnen drei Wochen nur knapp 45.000 Unterschriften zusammen.