Hamburg. Senat soll auf Rechte gegenüber Signa verzichtet haben. Sind Mietverträge wie der von Robert De Niros Nobu Hotel bald hinfällig?

Als Robin Williams bei Dreharbeiten zu „Zeit des Erwachens“ seinem Schauspielerkollegen Robert De Niro, heute 80, die Nase brach, war die Aufregung groß. Überall war Blut am Set. Komparsen und Helfer liefen aufgeregt umher. Beim Superstar hing die Nase schief. Nur einer blieb nach dem unabsichtlichen Ellbogencheck cool: Bob De Niro selbst. „Ich bin okay“, soll er gesagt haben. „Kein großes Ding.“

In Hamburg, wo sich De Niro mit der edlen Hotel- und Restaurant-Gruppe Nobu in den Elbtower einmieten will, hat auch eine Zeit des Erwachens eingesetzt. Politisch wird es nicht minder blutig.

Elbtower Hamburg: SPD-Insider hatten Olaf Scholz vor René Benko gewarnt

Denn vor allem in der SPD rumort es. „Kein Euro für den Elbtower“, heißt es. Dass der österreichische Star-Investor René Benko die damalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) überzeugt hatte vom „katastrophalen“ Karstadt-Deal, das bade man angesichts von Hunderten Millionen Euro an deutschen Subventionen für den wankenden Kaufhauskonzern ja heute noch aus.

Aber dass sich Olaf Scholz so von Benko und seiner Signa blenden ließ, das nehme man dem Genossen Olaf krumm. „Wie naiv!“, lamentieren die Mahner von damals noch heute.

Elbtower: Hat sich Olaf Scholz von René Benko blenden lassen?

Der Elbtower, den Benko aus seinem breit aufgefächerten Signa-Reich an den Elbbrücken errichten will, musste eine zwangsweise Wachstums-Pause einlegen. Offenbar floss das Geld nicht wie verabredet von Signa an die Baufirma Lupp. 100 Meter Rohbau sind fertig, 245 Meter sollen es werden. 950 Millionen Euro wird Hamburgs nächstes Wahrzeichen einmal verschlingen. Doch seit dem Baustopp ragt nur ein Stummel in die windige HafenCity-Luft.

Februar 2018: Bürgermeister Olaf Scholz (3.v.l.) und Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt mit Signa-Mann Timo Herzberg (l.), Oberbaudirektor Franz-Josef Höing und Christoph Felger (2.v.r.).
Februar 2018: Bürgermeister Olaf Scholz (3.v.l.) und Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt mit Signa-Mann Timo Herzberg (l.), Oberbaudirektor Franz-Josef Höing und Christoph Felger (2.v.r.). © Klaus Bodig / HA | Klaus Bodig

Die Opposition in der Hamburgischen Bürgerschaft lacht sich ins Fäustchen, weil die regierenden Sozialdemokraten eine einfache Frage zum Elbtower heute noch weniger beantworten können als vor einigen Jahren: Warum, noch mal, soll der gebaut werden? „Weil der Olaf das so will“, ist ein gängiges Sozi-Narrativ. In der SPD gibt es die, die es beim Elbtower schon immer wussten, die es damals geahnt haben und die, die den Turm heute verteidigen müssen.

Hätte Hamburg den Elbtower noch stoppen können?

Mit dem Olaf (Scholz) ist das so: Er favorisierte als Hamburger Bürgermeister das private, 64 Etagen hochstapelnde Projekt und vor allem den Immobilien-Ösi. Doch noch bevor der nass-sandige Untergrund am Elbufer an Benko für schlanke 122 Millionen Euro verkauft wurde, zog Scholz karrieremäßig weiter. Finanzminister in Berlin war ja noch besser als Hafengeburtstags-Kapitän oder Turmbauer in Hamburg. In dem Moment, so erinnern sich manche Genossen heute, hätte man das Olaf-Projekt sanft einschlafen lassen können.

Nein, habe es dann geheißen von seinem Nachfolger Peter Tschentscher und dessen Nachfolger als Finanzsenator, Andreas Dressel, wird kolportiert: Man könne ja den Olaf nicht beschädigen, jetzt, da er Finanzminister sei. Und man ahnt, wie die Story weitergeht. Erneut war es später möglich, dass Hamburg den Elbtower stoppt. Wieder hieß es: Nein, man könne ja den Olaf nicht beschädigen, jetzt, da er auf dem Weg zur Kanzlerschaft sei. Unter Sozialdemokraten wird gespottet: Beim nächsten Karriereschritt – egal in welche Richtung – wird man die alte Platte wieder auflegen.

Kann Signa Mieten erzielen wie in der Wolkenkratzer-Metropole New York?

Und ernster: Rechner unter den skeptischen Sozialdemokraten hatten bei den Zahlen, die anfangs zwischen Senat und Signa hin- und herflogen, bereits erhebliche Zweifel. Die Gewerbemieten, die im Elbtower erzielt werden sollten, waren astronomisch hoch und bestenfalls in Wolkenkratzer-Metropolen wie New York oder Dubai zu erwirtschaften. In Hamburg wird im Mittel erheblich weniger für Büro- oder Hotelflächen gezahlt als das, was Benkos Planer Scholz & Friends einsangen. Wirtschaftlich würde sich solch ein Projekt überhaupt nicht rechnen. Das sagten auch Hamburger Immobilienentwickler, die sich erst gar nicht um das Projekt bewarben.

Der schillernde österreichische Investor René Benko.
Der schillernde österreichische Investor René Benko. © AFP | Georg Hochmuth

Die FOO, die Friends Of Olaf, schossen diese Warnungen in den Wind. Aber der von den Sozialdemokraten geführte Senat erlitt ja auch mit anderen Immobilienprojekten in Hamburg Schiffbruch und ließ sich offenbar von Investoren narren. Jahrelanger Stillstand, Brachland und Bauruinen sowie wilde Spekulationen sieht man inzwischen am Holsten-Areal in Altona oder ein paar Baugruben weiter an der Reeperbahn, wo früher die Esso-Häuser standen.

Holsten-Areal und Uni: Versagt der Hamburger Senat bei großen Bauprojekten?

Auch bei den spektakulären Bau-Possen an der Exzellenz-Universität haben städtische Betonflüsterer nicht immer den richtigen Ton getroffen. Extreme Verzögerungen und Kostensteigerungen hier lassen sich nicht mit den gleichwohl berechtigten, aber auch mantraartig bemühten Einwänden „Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg“ erklären. Und es fehlt bis heute der Nachweis, wo sich der Senat wegen mutmaßlich schlechter Planung von Vertragspartnern, wie bei Uni-Gebäuden behauptet, per Klage das Geld in Teilen zurückholen will.

Wackel-Turm: Protest der Partei Die Linke gegen den Elbtower.
Wackel-Turm: Protest der Partei Die Linke gegen den Elbtower. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Exakt das ist der Kasus interruptus beim Elbtower. Dieser Fall des unterbrochenen Baus wirft die Frage auf, ob die Hamburger Landesregierung oder die HafenCity GmbH als Signa-Vertragspartner sich trotz sechsstellig honorierter Anwaltshilfe nicht hat blenden lassen. Der Senat muss in die Mietverträge des Bauherrn gucken, hieß es von der eigenen rot-grünen Regierungsfraktion schon in einer Drucksache aus dem Februar 2019, damit klar ist: 30 Prozent der Flächen im Elbtower müssen vor Baubeginn vermietet sein. Der Senat antwortete sinngemäß: Ja, ja, das machen die Banken und die garantieren uns das.

Elbtower: Diese Optionen hat Hamburg

Haften die Banken dafür? Nein. Und wenn’s schiefgeht? Dann kann der Senat zum Beispiel bei einer Bauverzögerung wie jetzt eingetreten Strafzahlungen fordern oder sogar den Rückkauf – allerdings erst in einigen Jahren. Bis dahin – theoretisch – könnte der rohe Stummel-Turm als Mahnmal „Kurzer Olaf“ vor sich hin rotten. Die Stadtentwicklungsbehörde stellte auf Abendblatt-Anfrage noch einmal klar, dass wenn der Rohbau nicht bis zum Februar 2028 oder der Turm insgesamt nicht bis Juli 2029 fertiggestellt ist, Vertragsstrafen fällig werden: 500.000 Euro pro Monat, bis zu zehn Millionen Euro maximal. Erst dann würde auch ein Rückkaufsrecht greifen. Dieses Recht kann ebenso gezogen werden, sollte die Elbtower Immobilien GmbH & Co. KG in die Insolvenz rutschen.

Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) muss den Turm der Öffentlichkeit und nach innen den grummelnden Genossen verkaufen. Es gibt weniger konfliktreiche Aufgaben. Aus den Reihen ihrer Parteifreunde heißt es bereits: „Der Turm muss einmal durch die Insolvenz.“ Ist das Wunschdenken? Bei einem Rückkauf 2029 könnte Hamburg das Grundstück und den Rohbau an einen anderen Investor geben oder abreißen.

Gelten die Mietverträge am Elbtower auch bei jahrelangen Verzögerungen?

Variante eins: Ob ein anderer Investor den Turm wirtschaftlich betreiben könnte, ist ungewiss. Variante zwei: Abreißen ist aufwendig und kostenintensiv. Allein die bauliche Gründung in dem wackligen Untergrund hat einen so hohen Kostenanteil am Gesamtvolumen von heute 950 Millionen Euro, dass einem schwindlig werden könnte, heißt es in Fachkreisen. Das bedeutet: Der untere Teil des Turms ist so solide verankert, dass man irgendetwas damit anfangen sollte.

Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD).
Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD). © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Dass der Senat nicht in die Mietverträge gucken kann, ist misslich. Wer in den Elbtower will, ging bislang vom Einzug 2025 aus, spätestens 2026. Die Hamburg Commercial Bank (HCOB) soll 2025 einziehen, weitere Großmieter ebenso. Das hat die Elbtower Gesellschaft selbst so verkündet. Die künftigen Mieter waren überrascht zu hören, dass Senatorin Pein im Haushaltsausschuss verkündete, man gehe von einer Fertigstellung 2028 aus. Experten sagen: Wenn ein Mieter nicht zum vereinbarten Zeitpunkt einziehen kann, löst sich der Mietvertrag in Luft auf.

Elbtower und Signa: Mehr zum Thema

Am Ende ist da noch Robert De Niro. Seine Firmengruppe, so steht es weiter in ihrer Internet-Präsenz, geht mit Hotel und Restaurant vom Einzug 2025 aus. Ist Bobs Mietvertrag nichtig, wenn der Elbtower dann noch weit von der Fertigstellung entfernt ist? Auf eine Abendblatt-Anfrage hat Nobu bis zum Freitagabend nicht reagiert.