Hamburg. Liebevoll, anarchisch und mit langem Anlauf: Der Comedian präsentiert im Schmidt Theater zum 20. Mal seine schräge Weihnachtsshow mit Gästen.
Wenn die Bühne und das Parkett in den ersten Reihen so aussehen, als wären Karneval und Silvester auf einen Abend gefallen, dann ist Konrad Stöckel am Werk. Doch sein „Fettes Fest“ im Schmidt Theater auf St. Pauli gehört für manche zu Weihnachten wie Würstchen und Kartoffelsalat zu Heiligabend. Mit seiner Show jeweils am 23. Dezember eines Kalenderjahres zählt der Wissenschafts-Comedian, Kuriositätenkünstler und Konfetti-Junkie längst ebenso dazu.
Vor einem Jahr musste die 19. Auflage der stets ausverkauften Show wegen einer Corona-Erkrankung des Gastgebers auf Anfang Februar verschoben werden. Diesmal aber sorgt Stöckel zum 20. Jubiläum nicht bloß mit der Masse seiner Schnipsel aus der Hosentasche und dank seiner Gäste aus nah und fern für „Stimmung“.
Der gebürtige Hamburger und Vater zweier Kinder aus Ostholstein verschafft auch Sohn Kalle (10) den ersten Auftritt, indem der Filius mit Hut und Sonnenbrille zu Michael Jacksons „Beat It“ antanzt. Noch etwas schüchtern zwar, jedoch im MJ-typischen Moonwalk. Und vom Alter her in der Auftrittstradition seines Vaters.
„Fettes Fest“ im Schmidt Theater: Was es mit Konrad Stöckels Erinnerung an Ewald Lienen auf sich hat
Im Schmidt hatte Konrad Stöckel bereits als Elfjähriger mit Zaubertricks bei den „Perlen der Kleinkunst“ debütiert. Nur tanzen wie sein Sohn könne und wolle er nicht, sagt der inzwischen TV-bekannte Entertainer und komische Wissenschafts-Experte mit der Starkstrom-Frisur („Luke! Die Schule und ich“/Sat.1, „Immer wieder sonntags“/ARD, „3satfestival“/3sat), ein Künstler mit dem Herz am rechten Fleck. Als der damalige St.-Pauli-Trainer Ewald Lienen ihn vor einigen Jahren im Foyer mal aufgefordert hatte, habe er nach 20 Sekunden die Flucht ergriffen, erzählt Stöckel verschmitzt.
Das Berliner Duo Battle Beasts hat mit Tanz und Körperbeherrschung weniger Probleme. Es beeindruckt zu Scratch-Klängen mit Kraftteilen und Breakdance vor und nach der Pause der dreistündigen Show. Die hat im ersten Teil einige Anlaufschwierigkeiten.
Die Show hängt nach dem Warm-up, einem zu langen Set der Country-Showband Celtic Cowboys und einem diesmal nicht ganz so stark wie beim Gewinn des Hamburger Comedy-Pokals auftrumpfenden Marvin Spencer lange etwas durch, obwohl der Komiker in seinem bunten Weihnachtsanzug optisch für seinen Doppelauftritt am 11. und 12. April im Schmidtchen in Erinnerung bleibt.
Konrad Stöckels „Fettes Fest“: Benni Stark Gast im Schmidt Theater – „Einzelhandel ist Comedy-Gold“
Nach Liedermacher Helmut Fuchs Bardun, einem alten Weggefährten Stöckels, gelingt es den Lübeckern Piero Masztalerz und Benni Stark, das Hamburger Spaß- und Stimmungsniveau bis zur Pause zu heben, obschon beide das Wort mit „f“ strapazieren. Masztalerz, „der DJ Bobo mit Brille“ (Selbstironie), hat vor Jahren die populäre NDR-2-Comedyreihe „Frühstück bei Stefanie“ im Fernsehen illustriert und auf der Bühne mit Cartoon-Comedy ein neues Genre begründet.
Seine zum Teil live gesprochenen Versionen von „Rapunzel“ und „Rotkäppchen“ (jeweils auf kleiner Leinwand zu sehen) sind im Schmidt zwar nicht jugendfrei, führen aber zu erstaunlichen Yoga-Übungen in Rapunzels Turm und lassen den Wolf im anderen Märchenklassiker völlig bekifft wirken. Und Stand-up-Comedian Benni Stark zeigt einmal mehr, dass „der Einzelhandel Comedy-Gold“ ist.
Schmidt Theater auf St. Pauli: Was Stöckels Gäste beim „Fetten Fest“ komödiantisch ausschlachten
Der gelernte Herrenausstatter, seit 2021 als Co-Gastgeber einer kleinen Late-Night-Show für ein großes Vergleichsportal (Check 24) vor jeder Fußball-Liveübertragung fernsehpräsent, hat auch als Kunde Absurdes genau beobachtet und komödiantisch ausgeschlachtet. Wenn etwa im Elektrohandel jemand nach einem „WLAN-Kabel“ verlange, verweist Stark nun genüsslich auf die „Freiluft-Rolle“. Sein drittes Soloprogramm „Neue Kollektion“ folgt am 14. April ebenfalls im Schmidt.
In diesem Theater ist Ben Drummer regelmäßig zu Gast. Der Wahlberliner steht, vielmehr sitzt an seinem Schlagzeug und Keyboard, für verschiedene Comedy-Formate und Mitmachteile. Beim „Fetten Fest“ zunächst mit langer Blondhaar-Perücke, ohne dass es an diesem Abend die ganz große Nummer wird.
Welche Show-Acts bei Konrad Stöckels „Fettem Fest“ im Schmidt Theater zur großen Nummer werden
Dafür sind zwei andere Show-Acts zuständig. Leiser als Drummer, doch umso spaßiger ist das alternative und interaktive Holzfeuerwerk des Berliner Unikums Hans Krüger. Der zierliche Schauspieler und Komiker, als Puppenspiel-Dozent an der Staatlichen Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ einst Lehrmeister des Musikkabarettisten Rainald Grebe, gibt nach sechs Jahren Abstinenz ein fettes Comeback als Öko-Feuerwerker.
Außer auf eine Scherenzange mit Alu-Überzug, für ihn die „Knallerbse“, setzt Krüger ganz auf Holzfeuerwerk. Aus seinem Überseekoffer holt er immer mehr „Sonnen“, „Schlangen“ und „Raketen“ hervor, von ihm aus Zollstöcken konstruierte Zangen im Ziehharmonika-System. Er animiert das Publikum beim Ausfahren der Feuerwerkskörper zu „Ah!“- und „Oh!“-Rufen sowie zum lauten „Peng!“; schadstoffarm und fantasievoll! Dabei ist der 76-Jährige selbst ein Knaller, trotz seiner bewusst feuchten Aussprache.
Stammgäste im Schmidt Theater: Emmi & Herr Willnowsky traten vor 25 Jahren mit Konrad Stöckel auf
Noch mehr zünden nur die Gags und Zoten von Emmi & Herrn Willnowsky. Das musikalisch-brachiale Komiker-Duo war vor 25 Jahren mit Moderator Stöckel noch in der schrägen „Sideshow“ im Künstlerhaus Wendenstraße in Hammerbrook am Start, wurde dann Stammgast im Schmidt, lebt inzwischen seit Jahren in Berlin. Dass die gealterte Kammersängerin Emmi alias Christoph Dompke und ihr mal als „Taiga-Frettchen“ titulierter Pianisten-Gatte Willnowsky (Christian Willner) den diesmal indisponierten Schmidt-Hausgrantler Wolfgang Trepper als Rausschmeißer ersetzen, gibt dem Finale eine musikalische Note.
Bevor die beiden ihr Medley von Udo-Jürgens-Hits (mit eigenen Texten) anstimmen, tobt zwischen ihnen der inszenierte Zoff, unterbrochen etwa von Kontaktversuchen bei zwei jungen Männern und ihrer Mutter in der ersten Reihe. „Ihre Kleidung macht mich nervös, können Sie sich ausziehen!“, macht Willnowsky einen auf rattig. Und Emmi erzählt von ihrem doofen Ehemann, der versehentlich einen Polizisten angeschossen habe und danach, weil ja nun ein Mann weniger, statt der 110 die 109 anrufen wollte...
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Doch bevor hier die Polizei anrücken muss, endet der lange Abend - in Güte. Nach Gebäck vor und während der Show verteilen Stöckel und Co. noch Geschenktüten an jeden (!) der 420 Gäste. Auch das macht das „Fette Fest“ zu einer Weihnachtsattraktion. In diesem Jahr sogar mit einem vorgezogenen Prosit Neujahr.
Konrad Stöckel: „Wenn‘s stinkt und kracht, ist‘s Wissenschaft“ ab 6 J., 2.-4.3. 2025, So 12.00 u. 16.00, Mo 18.00, Di 10.00, Schmidt Theater (U St Pauli), Spielbudenplatz 24/25, Karten zu 25,-/erm. 17,30 (bis 14 J.) unter T. 040/31 77 88 99; www.tivoli.de